Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 14. November 1937

Krefeld, Sonntag den 14. Nov. 37.

Mein lieber Junge! Leider ist bis heue Dein seit Freitag fälliger Brief mal wieder nicht eingetroffen. Du kannst Dir denken, dass wir mit Sehnsucht nach jeder Post ausschauen, und dass dadurch unsre Sonntagsfreude getrübt ist. Wir machen uns zwar keine Sorgen um dich aber angenehm ist es nicht. Bei Euch, nun gerade bei Euch, ist ja ein grosses Unglück mit den 5 jungen Leuten passiert. Ich hatte es mir, als ich in der Zeitung las, dass der Mord 14 klm bei Jerusalem passiert sei, gleich gedacht, es müsste bei Euch sein. Es ist doch eine schreckliche Sache, dass dieser Terror noch immer kein Ende nimmt. Vielleicht wird es nun doch bald besser, nachdem die Engländer die Militärgerichtsbarkeit verkündet haben. Es hat auch lange genug gedauert, bis einmal durchgegriffen wurde. Die Verhältnisse könnten doch bei einigermassen gutem Willen so gut klappen und es könnte für beide Teile alles schön und gut sein. Wir wollen hoffen und den guten Mut nicht verlieren.

Waren die jungen Leute, die ihr junges Leben lassen mussten, etwa aus der bei Euch wohnenden Gruppe vorn am Chadar Ochel? Ich warte mit Spannung auf Deine Nachricht und hoffe, dass Du uns ausführlich darüber schreibst, denn der Bericht in den Zeitungen war sehr kurz darüber. Ihr werdet wohl jetzt doppelt vorsichtig sein und wohl auch in der Nacht Eure Wachen verstärkt haben? Habt Ihr auch wieder Wache oben am Berg? Dürft Ihr auch in die Stadt oder müsst Ihr jetzt immer in K.A. bleiben? - - Wir warten nun auch gespannt auf die Rückkehr von Frau Stern, die uns hoffentlich auch allerlei - und möglichst Gutes - - berichten wird. Sobald wir Nachricht haben, fahren wir am Sonntag drauf hin.

Von uns nichts Besonderes. Gestern war von Onkel Richard wieder ein Brief da, genauen Zeitpunkt der Reise kann er noch nicht angeben. Er hätte Dir geschrieben, Du möchtest ihn nicht abholen, erstens der Unsicherheit, zweitens der Kosten wegen. Vielleicht hat er recht. Denn ich halte es jetzt nicht für ganz gut, von Jeruschalajim nach Haifa zu fahren, auch nach Tel-Aviv ist es wohl nicht ganz gefahrlos. Ich nehme an, dass die Egged wieder unter Deckung fährt. - Richard wird Dir

dort die Schuhe kaufen, die ich Dir ganz gerne geschickt hätte, so geht es wohl noch besser. - - An Grünfelders schreibe ich heute auch, auf ihren Roschhaschanahbrief. Ich habe so wenig Zeit, dass ich bisher es immer von einem Sonntag auf den anderen verschoben habe. Nachher gehe ich mit Mutter mal zum Johanniterheim, wo Tante Lenchen, die operiert wurde, liegt, einen Besuch machen. Sie hat irgend eine Magengeschichte gehabt, es geht aber schon so gut, dass sie nächste Woche zur Erholung nach Kreuznach fahren kann. - - Danach kommt Max Meyer zu einem kleinen Skat, den ich sehr lang nicht gespielt habe. - - Gestern Nachmittag war ich mal mit der lieben Mutter auf einen kleinen Nachmittagsbummel in Düsseldorf. Mutter wollte mal eine andre Tapete sehen. Es war ganz nett, wir sind durch die Stadt gebummelt und haben dann bei Hemesath eine Tasse Kaffee getrunken, dann sind wir wieder nachhause getrudelt. - Eine Neuigkeit, die Dich interessieren dürfte: Hanni in Arnheim verlobt sich mit Herbert Meyer, ihrem Vetter, der in Rhodesien bei den Schwarzen haust, - auf Entfernung. Sie werden auch auf Entfernung heiraten und dann fährt sie zu ihrem Mann. Der Junge hat ja recht, denn er ist der einzige Weisse in dem Negerdorf, wenn er sich eine Frau kommen lässt. Aber ob es ausgerechnet niemand anders gab, als seine Kusine? Du kennst Hanni ja von Deinem Aufenthalt in Arnheim. Rudi ist vorläufig noch in Amsterdam, geht aber wohl auch bald weg, wie es heisst auch nach Afrika, ev. auch nach Argentinien.

Gestern Abend ist hier das neue Gemeindehaus im Bleichpfad eingeweiht worden, aber Fernich ist nicht Oekonom geworden, sondern ein Fremder, der ein Fachmann ist. - Das sind so alle Neuigkeiten, die ich berichten kann. Ich komme ja hier nirgendhin und erfahre nichts.

Gesundheitlich geht es uns gut und das wäre dann alles. Nun für Dich alle guten Wünsche und viele Küsse & Chasak!
Dein Vater.

An alle Bekannte viele Grüße!

Mein lb. Ernst! Ohne Deine lb. Post ist es bestimmt nicht schön, zumal bei den wenig erfreulichen Zeitungsberichten. Tue auch mir den Gefallen & bleibe bei den unruhigen Zeiten schön zu Hausae & fahre nicht herum. Wenn es wieder besser ist, kannst Du alles nachholen. Sie also vernünftig. Wenn morgen Post kommt, schreiben ich noch ausführlich, dieser Brief muss jetzt weg. Alles, alles Gute & viel herzliche Grüsse & Küsse
Deiner Mutter.