Erna Loewy an Sohn Ernst, 15. November 1937
Montag, den 15.11.37.
Mein lb. Ernst!
Dadurch, dass Dein lb. Brief vom 6. ds. mal wieder mit Verspätung ankam, hast Du den Vorteil, von uns zwei Briefe hintereinander zu bekommen. Ich mache sehr gerne von Deiner Erlaubnis gebrauch, und tippe, damit ich es zu einiger Fertigkeit bringe. Auf jeden Fall klappt es schon so gut, dass ich eben für den Pips eine Menge Briefe schreiben konnte, die er gestern mangels Zeit nicht mehr fertig bekam. Dass ich weniger Fehler mache als Vater anfangs, kommt daher, weil ich mir die Zeit dazu nehme, und unser guter Pips in allen Dingen immer noch der Herr Eilig ist. Weisst Du noch, dass wir immer sagten, rase doch nicht so, er kann es immer noch nicht lassen, und man muss sich nur wundern, wie beweglich er bei seinem Gewicht ist. Bis andere sich bedacht haben, hat er es schon getan.
Ich bin sehr froh, Deinen zufriedenen Brief wieder zu haben, denn was wir sonst hören, ist nichts Gutes. Ich lege Dir einmal eine Zeitungsnotiz bei, dass wir danach nicht froh sind, kannst Du wohl glauben. Hoffentlich wird es nur bald anders. Dass Du zwei mal in Jerusalem warst, freut mich an sich, obwohl es mir augenblicklich genau so lieb wärde, wenn Du zu Hause bliebst. Es mag ja übertrieben ängstlich sein, aber Du wirst auch mich begreifen können. Jetzt genage ich an zu masern! (Fehler meine ich)
Dass auch Fredi von Euch geht ist schade, aber Leute die Geld haben, können sich eben alles erlauben. Vielleicht gewinnen wir auch noch mal das grosse Los, spielen tun wir ja. Ich bin mal sehr neugierig, was mit Euch nach den zwei Jahren geschieht. Hoffentlich habt Ihr bis dahin auch so viel gelernt, dass Ihr auch Euren Mann stellt. Was macht Dein english? Demnächst zeige ich Dir mal meine Kunst.
Ich freue mich, dass Du mal einen Wunsch geäussert hast. Ich habe Dir
gleich heute morgen eine schöne Wurst geschickt, die Ihr Euch gut schmecken lassen sollt. Wenn Du sonst noch Wünsche hast, schreibe doch, ich schicke Dir doch so gerne mal was. Ausser diesem Wurstpäckchen sandte ich Dir auch heute den neuen Kalenderblock, und hoffe, dass Du beides bald erhältst. Ich kann nur heute keinen Schein beifügen, ich habe keinen zu Hause, hätte es sonst gerne getan. Du erhältst sie doch immer?
Mir geht es wieder sehr gut, bis auf den Husten, der sich immer wieder meldet. Aber das ist sehr unwichtig, auch Grossvater klagt weniger. Nun wird Richard bald bei Dir sein, einen Termin konnte er uns noch immer nicht angeben. Diese Woche sprach ich Lore, die sehr gewachsen ist. Sie ist fast so gross als ich, und auch sehr hübsch, aber immer noch das grosse Kind.
Nun mein lb. Pips ist mein Latein wieder zu Ende, Vater ist heute früh wieder auf Tour, und ich habe wieder eine einsame Woche vor mir.
Mit tausend guten Wünschen und ebenso viel herzlichen Grüssen und Küssen umarmt Dich Deine
Mutter!
Wie geht es Küken und der Hannelore Löwenstein?