Richard Loewy an Sohn Ernst, 21. November 1937

Samstag, den 21.11.37.

Mein lieber Junge!

Als ich gestern Abend nach Hause kam, habe ich mit tiefer Erschütterung Deinen lieben Brief gelesen. Ich habe also mit meiner Befürchtung, dass die Jungens aus der Euch zugeteilten Gruppe gewesen sind, recht behalten, wie ich Dir das schon vorige Woche geschrieben habe. Ich hatte hier zu niemand von meiner Befürchtung gesprochen, auch zu der li. Mutter nicht, und meinen Brief an Dich hat sie vorige Woche nicht gelesen, da sie bei Absendung bereits fort zur englischen Stunde war. Ich konnte Dir also mal ein paar Zeilen schreiben, ohne dass man sie hier gelesen hat. Ich habe zwar keine Geheimnisse mit Dir vor Mutter, aber ich wollte ihr das Herz nicht vorher schwer machen, bevor es definitiv war, was ich glaubte. Nun also war es leider so. Ich kann es mir denken, wie es da bei Euch aussah. Nun liegen also auf Eurem Friedhof nicht mehr dreizehn, wie wir sie damals gezählt haben, sondern schon 18 Leute! Ich will Dir sagen, dass ich damals dachte: wer wird der nächste sein? Dass sich der Friedhof so schnell und auf so grauenhafte Art füllen musste, das ist nicht auszudenken. Nun wollen wir hoffen, dass sich derartige Fälle nicht wiederholen, dass endlich mal die Regierung für Ordnung und Frieden sorgt, und dass vor allem solchen Räuberbanden das gemeine Handwerk gelegt wird! Und da findet man in manchen Zeitungen Berichte, die besagen, dass diese Leute „ihr Vaterland mit der Waffe in der Faust verteidigen”!!! Man schreibt von „Arabischen Activisten”, das ist Mord, Mord aus dem Hinterhalt!

Wir wollen hoffen und auf Gtt vertrauen, dass es sich nicht wiederholt. Du siehst an diesen Dingen, dass es noch andere Dinge gibt, wo auch kein Kant und Schopenhauer, kein Nietzsche und kein Freud und Goethe helfen kann, dass es andere Dinge gibt, andere Sorgen als diese kleinlichen Dinge, mit denen Ihr Jungens Euch dort manchesmal das Leben selber schwer gemacht hat. Vielleicht sind Euch diese Vorfälle eine kleine Lehre Eure kleinlichen Dinge zurückzustellen und endlich einmal das Grosse zu schauen. Vielleicht führt Euch das mehr zusammen als alle Reden von Hans Beit und Miss Szold. Da hast Du einen solcher Augenblicke, von denen Fritz Königsfeld gesprochen hat, dass es andere Dinge gibt, die viel wichtiger sind.

Ich wünschte Euch, dass Ihr jungen Leute daraus die für Euch nötige Lehre ziehen würdet, dann wäre der Heldentod dieser 5 jungen Leute für Euch wenigstens von Nutzen gewesen. - - Grüsse bitte, falls Du jemand der Leute mal sprichst, sie von mir und ich nehme Teil an ihrem Schmerz, auch der jungen Frau, die ich für ihren Heldenmut bewundere. - - Wie verhalten sich Musa und Konsorten? kommen sie noch zu Euch? - Heute las ich in der Zeitung, dass in Suba Haussuchungen vorgenommen worden sind, da man dort Waffen für die Terroristen vermutet habe. Das ist doch Kwar Suba, das von Eurem Fenster aus so schön hoch oben zu sehen ist?

Falls die Gruppe Bamaaleh in Kirjath Anavim Beth siedelt (das ist doch hinter dem Wachtturmberg?? Ich dachte erst, der Überfall sei in Nachlath Jitzchak geschehen) - - -, und Ihr dann später mitsiedelt, wäre das ganz schön für Euch. Ihr wäret bei Euren alten Freunden in Kirjath Anavim, nicht weit von Jeruschalajim, in einer gesunden, zwar in einer sehr harten Gegend, die ebenso schwer zu bearbeiten ist, wie Kirjath Anavim, alles Stein und harter Fels. Eines nur: im Falle der Teilung käme wohl auch diese Stelle ins Mandatsgebiet, nicht ins jüdische Land. Nun, man muss das alles abwarten. - - Die Jugendhilfe hat nichts von sich hören lassen, also den Wunsch von Hans Beit nicht erfüllt. - - Mutter sandte Dir eben 10 Mk, sowie ein Päckchen enthaltend 4 Tafeln Schokolade, von denen die Hälfte Oma gespendet hat, bei der Du Dich gelegentlich bedanken kannst. Wir haben von den Tafeln kleine Ecken abgebrochen, damit man sieht, dass sie angebrochen, also zum Privatverbrauch und nicht zum Verkauf bestimmt sind.

Von uns sonst nichts, es geht uns gut und wir sind gesund. - Nach Grevbrch kommen wir also erst nächste Woche und da werden wir ja hoffentlich Gutes von Euch hören. Aber das ist ja alles schon wieder überholt, die Ereignisse überstürzen sich, - nur mit der Ordnung geht es langsam. Wenn da nur mal was Druck dahinter käme, dass Ruhe und Frieden bei Euch wäre! Grüsse nun bitte alle, Werner, Dan, Benni, Edith, Chawah, etc, etc. alle. Was macht Zwi? Er hat nun wohl alle Hände voll zu tun? Schreib doch mal auch ausführlicher über Deine Arbeit, auch darüber möchten wir gerne alles wissen, wenn das alles auch im Moment in den Hintergrund getreten ist.

Nun Kopf hoch, und Chasak meemaz! Viele Küsse
Dein Vater.

Anbei 2 Scheine.

Nochmals viele Küsse
Dein Mümlein.