Richard Loewy an Sohn Ernst, 27. November 1937

Krefeld, Samstag, den 27.11.37.

Mein lieber Junge!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief, der uns allerdings allerlei Neuigkeiten über Eure Chewrah brachte. Du meinst, ich würde eventuell enttäuscht sein, zu sehen, dass Du trotz all meiner Reden nicht bei Gruppe bliebest, sondern erst mal in K.A. bleiben wolltest. Es ist dem nicht ganz so; ich wollte ja nur überhaupt haben, dass Du Dir Deine Pläne mit Optiker etc. aus dem Kopfe schlügest, und dass Du bei der Kwuzah bliebest. Ob diese Kwuzah nun K. A. Alef oder Beth heisst, das ist dabei nicht so sehr wichtig, ich wollte Dich ja nur im Kibbuz an und für sich haben! Deinen Standpunkt kann ich verstehen, dass Du nicht mitgehen willst, wenn ausser den paar genannten Leuten keiner mitgeht und sich Eure untere Gruppe also in Wohlgefallen auflöst, ja nicht nur die untere Gruppe, es bleibt ja auch von oben kaum einer, denn Chanan, Moischele, Walter Rothmann fallen doch auch aus, da bleibt doch von oben nur Karuso und Gidon u. Juda übrig - ausser Pinchas. Von Juda bin ich auch noch nicht so restlos überzeugt, da seine Eltern vielleicht andere Dinge mit ihm vorhaben werden. Oder habe ich noch jemand vergessen, der doch mit hinaufgeht nach K.A.-Beth? Walter Stern will also Chauffeur werden? und wo? dann bleibt er doch wohl auch in KA? Ob sich das nun überhaupt alles so einfach, wie es sich die jungen Herrschaften vorstellen, machen lassen wird, ist ja auch noch eine Frage der Zeit, denn wie ich mir denke, wird da ja auch Hans Beith und auch die Kwuzah K. A. noch ein Wörtchen mitreden, oder haben sich diese Stellen schon geäussert? Es hängt doch dann auch noch alles vom Keren Kajemeth, der doch die Gelder zur Verfügung stellen muss, ab und auch diese Stelle wird ein gewichtiges Wort mitreden wollen. Wie stellt sich denn die Kwuzah K. A. dazu, dass nicht alle zusammen bleiben wollen sondern auch ein Teil vorerst bei ihnen selber bleiben will. Kannst Du denn so ohne weiteres dort bleiben und hast Du dann Aussicht eventuell für immer dort zu verbleiben? Kannst Du dann - und wann? - als vollwertiger Chawer aufgenommen werden? Das sind doch Dinge, die sehr wichtig sind und über die doch nicht Ihr, sondern die Kwuzah bestimmen wird. Es hätte ja keinen Sinn, zurückzublei-

um dann später wieder nach irgend einer anderen Kwuzah abgeschoben zu werden, es muss also schon von vorneherein überlegt werden, was besser ist, mit auf Hitjaschwuth zu gehen oder in KA zu bleiben. Mir persönlich wäre es sogar sehr recht zu wissen, dass Du in KA bleibst und dort später als Chawer aufgenommen zu werden. Du hast dort nun einmal Deine Freunde und Bekannte und kennst nun auch die Arbeit, die dort zu leisten ist. Es würde für Dich dann keinerlei Umstellung mehr bedürfen, sondern Du müsstest Dich eben voll und ganz einleben. Auszahlten ist es bestimmt mit am besten in KA. Es fragt sich nur, ob Dich die alten Leute dort wollen, ob Deine Leistungen dort so anerkannt werden, dass Du bleiben kannst. Ich habe ja nicht gesehen, dass man Dir von einer Seite (ausser vielleicht Arjeh) nicht gut gesinnt ist. Freundschaften mit den anderen Mitgliedern der Kwuzah, mit denen Du bisher noch nicht auf diesem Verhältnis stehst, werden sich mit der Zeit dann von alleine bilden, wenn Du mit den älteren Leuten zusammenlebst und Eure Jugendgruppe aufgelöst ist. - Dass die Arbeitsleistung bei aller Schwere in KA immer noch besser und einfacher ist als in Beth, das steht wohl fest, denn zu lachen werden sie da oben auf den Felsen nichts haben, sie müssen ebenso schwer beginnen, wie die unten vor 18 Jahren angefahren haben. Wenn die Sache nun wirklich spruchreif wird, dann musst Du noch einmal nach Jeruschalajim fahren und alles mit Hans Beith besprechen, er hat uns ja damals gesagt, man könne in einem ¾ Jahr nochmals über alles reden, da damals noch alles verfrüht war. Wenn Werner bei Dir bleibt, dann bist Du ja auch nicht alleine. Wenn Werner meint später auf Alleinsiedlung gehen zu können, so sind das Pläne, die natürlich in sehr weiter Ferne liegen, zumal sie ohne Geld nicht zu verwirklichen sind. Aber was sich darüber heute den Kopf zerbrechen? Du schreibst, dass verschieden jetzt noch ein Handwerk erlernen wollen? z. B. Mischa. Ja, wer bezahlt denn das für Mischa? Soviel ich weiss, hat Mischa doch auch kein Geld und auch Piel will Tischlerei erlernen. Das kostet doch alles Geld! Denn er muss doch irgendwohin, wo ihm die Möglichkeit gegeben ist. Da ein Lehrling ja nichts verdient, muss doch jemand seinen Unterhalt bezahlen. Die Jugendhilfe scheint das doch wohl nicht zu tun. Von Dir hoffe ich, dass Du mir keine unüberlegten und voreiligen Entschlüsse fasst und alles erst mit Hans Beit überlegst, bevor Du irgend etwas unternimmst. Dass Du nicht mit der Gruppe gehen willst, wenn alles so auseinanderfällt, kann ich verstehen und ich hoffe, dass es einen anderen Weg für Dich gibt, der richtig ist, aber wie gesagt: überlegen! Ich erwarte von Dir rechtzeitig Deinen Bericht über diese Dinge.

Persönlich hoffe ich Dich beim besten Wohl, bei uns ist alles in Ordnung. Ich werde jetzt bald mal für einige Tage zu Hause sein können, worüber ich mich freue, denn ich habe etwas Ruhe nötig.

Besonderes habe ich Dir sonst nicht mitzuteilen. Du bekommst ja nun sehr bald Besuch, Deine Freude kann ich mir denken. Überlege auch mal mit Onkel Richard Deine Angelegenheiten.

Für heute bin ich mit vielen Grüssen und Küssen

Lieber Ernst!

Von der l. Großmutter & von mir viele herzl. Grüße & tausend Küsse.

Alles Gute weiter, für Dein weiteres Fortkommen. Jetzt wirst Du bald Deinen Onkel Richard umarmen können, diese Freude, könnten wir nur auch dabei sein - herzlichst
Dein Großvater.