Erna Loewy an Sohn Ernst, 3. Dezember 1937

Freitag, den 3.12.37.

Mein lb. guter Ernst!

Heute erhielten wir Deinen lb. Brief vom 27.11. und danke ich Dir sehr für Deine lb. Zeilen. Jetzt rücken die Tage immer näher, wo Du mit dem lb. Richard zusammen sein wirst, und warte ich voller Ungeduld auf Eure erste gemeinsame Nachricht. Vielleicht klappt es sogar mit Eurem Wiedersehen, wenn Du Edith nach Haifa bringst. Es wäre mir lieber gewesen, Du hättest auf diesen Plan verzichtet, denn ich traue dem Frieden noch nicht ganz. Hoffentlich machst Du keine Dummheiten. Es hört sich natürlich aus der Ferne immer alles viel schlimmer an, aber das Unglück hat mir genügt, um ängstlich zu sein. Schreibt uns bitte sofort über alles, schade, dass ich nicht auch einmal dabei sein kann. Wären wir nur auch einmal soweit, uns eine neue Existenz aufbauen zu können, ich würde vor keiner Arbeit zurückschrecken, und wenn ich von morgens bis abends arbeiten müsste. Bedauerlich ist, dass ein Brief verloren gegangen ist. Erstens warst Du eine Woche ohne Nachricht, und dann weiss ich ja nicht, was wir Dir gerade in diesem Brief mitgeteilt haben. Vielleicht kommt er noch verspätet, ebenso die schöne Wurst und die Schokolade. Tante Jettchen hatte Dir auch eine Wurst geschickt.

Die Frau des Ermordeten ist wirklich einen Heldin, vor solchen Frauen kann man nicht genug Achtung haben. Dazu gehört Wille und Mut. Soweit die Negative nicht in dem verloren gegangenen Brief waren, senden wir sie Dir mit. Ich werde gleich nachsehen. Eigentlich freue ich mich, dass Du vorläufig in K. A. bleibst. Vater kennt dort alle Menschen, und es ist uns nicht fremd, Dich dort zu wissen. In den nächsten Sonntagen wollen die Eltern von Lielienfeldts zu uns kommen, auch war es vorige Woche bei Sterns sehr gemütlich. Durch Erez ist unser Bekanntenkreis ein ganz anderer geworden, und ich muss sagen, mit diesen Menschen ist gut zusammensein. Besonders lieb sind mir die Eltern von Küken. Ist er wieder ganz gesund? Habt Ihr Chanuka gefeiert, oder ist sich da mein Sohn zu erhaben zu? Ich würde es bedauern, wenn Du all diesen Dingen aus dem Wege gingst. Du musst doch selbst zugeben, bei Dingen, wie sie leider bei Euch passiert sind, lernt man wieder das Beten.

Heute wird Vater wohl seinen Reiserei bis nach Weihnachten einstellen, und werden wir uns mal ein paar faule Wochen

machen. Es ist so schon eine Ewigkeit her, das wir keine gemeinsame Ferien mehr hatten. Voriges Jahr um diese Zeit hatte Pips den Knöchelbruch und ich habe bei Freunds ausgeholfen, im April zu Ostern war er alleine in Bayern, in den grossen Ferien bei Dir, ich hatte ihn also eineinhalb Jahre nur zum Wochenende. Und das war meist auch nur eine Hetze. Nun haben wir einmal Ruhe für uns, d. h. wenn nicht wieder irgend ein Strich durch meine Rechnung gemacht wird. Man hat soviel Püffe im Leben bekommen, dass man missmutig wird. Aber vorläufig wollen wir uns mal freuen, und dem Pips mal nette Ferien bereiten. Gleich wird er wohl eintrudeln, und seine 6 Koffer in die Ecke pfeffern. Ein Mieses kommt dann schon bald, wir müssen unseren Wagen jetzt überholen lassen, der zweieinhalb läuft, ohne dass was daran geschehen ist. Wir dürfen uns eigentlich nicht darüber beklagen, aber es kostet eine Stange Geld, und das ist immer rar. Nun bist Du mal wieder über unser Leben in etwa unterrichtet, es ist nicht sehr interessant. Die Hauptsache, es geht uns gesundheitlich gut, und wir freuen uns immer wieder, das auch von Dir zu hören. Habt Ihr über Eure Pläne schon was von der Jugendhilfe gehört? Wir lassen Dir durch Berlin ein Heft zuschicken, es muss die Jugendalijah sehr nett schildern, und Du kannst uns anschliessend daran mal schreiben, ob es sich mit Euren Erfahrungen deckt. Von hier weiss ich eigentlich garnichts zu berichten, ich höre und sehe wenig, und das meiste lohnt sich nicht, niederzuschreiben. Bei den Grosseltern ist immer dasselbe, Grossvater steht um 11 Uhr auf, die Oma etwas früher, und in den übrigen Stunden stöhnen sie sich etwas vor. Und ich muss mir das von morgends bis abends mit anhören. Manchmal tue ich mir selber leid, ich werde alt, unter alten Menschen, nichts was ein bisschen auffrischt, als Deine lb. Briefe, und Vaters goldenen Humor. Ich wollte, ich wäre schon so weit, als Du und Richard. Grüsse den Jungen tausendmal von mir und seid beide innigst gegrüsst und geküsst von
Deiner Dich innigliebenden
Mutter.

Grüße bitte die Leutchen alle, bes. Edith. Ich wünsche ihm gute Reise & sie soll von Fft was hören lassen.

Der Terror

Die Lage in Palästina ist noch immer durch eine Reihe von Terrorakten gekennzeichnet, die zahlreiche Opfer fordern. Die vom ganzen Land ersehnte Beruhigung ist trotz der konsequenten Haltung der Regierung noch immer nicht eingetroffen.

Eine furchtbare Tat wurde am Dienstagvormittag bei Kirjat Anavim verübt. Sechs Mitglieder einer Gruppe der Kwuza Baamale wurde erschossen. Die Opfer sind die Arbeiter Puchowsky, Bar Giora, Baumgarten, Olischewski, Morduchowitz und der Hilfspolizist Jizchak Migdal.

In Nablus wurde unter dem Kommando Generalmajor Wavells ein militärisches Hauptquartier eingerichtet. In dem Dreieck Tulkerem