Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 4. Dezember 1937

Anbei zwei Scheine!

Samstag, den 4.12.37.

Mein guter Junge!

Damit Vater Dir gleich schreibt, fange ich schon einen Brief an. Ich wollte Dich schon immer fragen, wie eigentlich dieses Jahr die Apfelsinen schmecken, und ob Ihr wieder so reichlich davon bekommt. Hier sieht man kaum welche, gegessen habe ich jedenfalls noch nicht eine. Was sagst Du eigentlich dazu, dass ich den engl. Kursus mitmache, oder sollte das in dem Brief gestanden haben, der verloren gegangen ist. Noch ein Tag, und Richard sieht Erez, ich mache die Reise in Gedanken förmlich mit, auch Euer Wiedersehen. Nun soll Vater weiter berichten, aber nochmals von mir tausend Grüsse und Küsse Deiner
Mutter.

Filme das nächste Mal, sonst wiegt der Bf über!!

Mein lieber Junge! Von mir kannst Du heute wohl nicht viel hören, denn ich bin jetzt nach vieler Arbeit etwas abgespannt und dann muss es auch schnell gehen, denn Mutter muss gleich weg um in die englische Stunde zu gehen will aber vorher noch lesen, was ich schreibe und dann ist eben auch noch Herr Ernst Kaufmann gekommen um Mutter zu bitten, zu helfen Büchsen zu leeren. Nun also: vor allem bin ich glücklich, Dich mein lieber Junge, gesund und froh zu wissen, das ist die Hauptsache. Das schreckliche Leid, das Euch betroffen hat, soll Euer Ansporn sein zu weiteren Taten. Ich war gestern nochmals bei Kaufmanns in Gerresheim und soll Dich grüssen, auch bei Lilienfelds war ich gestern Abend, da der Weg beinahe am Haus vorbeigeht. Ich soll Dich und auch Werner und Hanna von ihnen grüssen. Wir erwarten nun also sowohl Kaufmanns als auch Lilienfelds am 2. Weihnachtstage und werden wir uns dann mal gegenseitig von unsren Kirjath-Anawilmern erzählen können. Eben war auch Alma da, die Dir Grüsse bestellen lässt. Diese Woche war das Einweihungsfest der Chewrah Kadischah mit Fischessen in dem neuen Heim. Von allen Seiten hat man mich nach Dir gefragt und viele Leute lassen Grüsse bestellen. Es war ein sehr gelungener Abend und sehr nett. Das neue Heim ist aber auch sehr hübsch, mit Cafe und Restaurant, sodass man auch so schon mal hingehen kann. - - Mutter meint, ich bliebe nun schon zuhause, stimmt aber nicht, denn ich fahre am nächsten Montag nochmal auf ein paar Tage weg. Dann aber gibt es mal wieder 2-3 Wochen Chofesch!

Heute schrieb auch Tante Tini wieder. Sie lässt Dich vielmals grüssen und bittet Dich ihr mal wieder zu schreiben, sie selber schreibe nur noch sehr ungern, schrieb uns aber doch fast 4 Seiten. Sie ist nun bald 81 Jahre alt und zwar hat sie am 20. Januar Geburtstag, bitte denke dran und schreibe ihr zu diesem Tage. Vielleicht gibt es bis dahin bei Euch auch schon ein paar Blümchen, kannst ihr dann welche beilegen. Sie verdient es, dass Du so an sie denkst. Sie schrieb uns heute, dass - wenn ihr von ihren Ersparnissen etwas überbleiben sollte, dies an ihre 3 Schester-Enkel Ernst, also Ernst Loewy, Ernst L. in Kron. und Ernst Lamm fallen sollte. Aber hoffentlich lebt sie noch viele Jahre und verbraucht alles selbst noch. Auf alle Fälle bitte ich Dich, wenn Du ihr schreibst, auch in solchem Sinne zu schreiben, Du hättest so von mir erfahren, aber Du hofftest, dass sie noch recht lange lebe und sie solle sich von ihrem Gelde selbst was gönnen. Aber auf alle Fälle danktest Du ihr für ihren guten Willen.

Von Ernst Lamm erhielten wir neulich eine Karte, ¾ davon unverständlich, denn es ist mehr in Iwrith geschrieben als deutsch. Ich habe ihm das schon mal geschrieben, dass ich das nicht verstehe.

Sonst ist nicht besonders mitzuteilen. Es geht uns gttlob gut. Seht zu, dass bei Euch alles im Guten verläuft. Ich freue mich nun, dass Du schon am Montag Besuch bekommst, halte Richard dort nur recht lange fest, es wird ihm wohl auch gar nichts so sehr eilen. Und dann schlepp ihn mal mit zu Hans Beith und besprich Dich nochmal mit ihm in Richards Gegenwart. Vielleicht hat er heute nachdem die Gruppe doch zerfällt, vielleicht eine Möglichkeit ein Handwerk zu erlernen, vielleicht Schlosserei oder Tischlerei, das kann ja in einer Kwuzah sein, falls es Dir nicht möglich sein sollte, dauernd in Kirjath Anavim als regelrechter Chawer zu verbleiben. Das wäre mir natürlich das Liebste und wohl auch am aussichtsreichsten für uns selber für eine Anforderung. Ich erwarte darüber noch Deine Nachricht, ob Du schon mit jemand von der Kwuzah gesprochen hast.

Hast Du den Film, wo ich mit Dir (ich in Holzschuhen) drauf bin, den möchte ich wiederhaben, ich möchte ihn noch einige Male machen lassen. Hoffentlich ist der nicht verloren gegangen, aber ich befürchte es sehr.

Für heute viel Küsse & Chasak! Dein Vater!

Lieber Ernst Loewy! Es freut mich immer wieder zu hören, dass es Dir in Erez so gut geht. Grüsse auch Ilse von mir und sei selbst mit herzl. Schalom gegrüssst von
Ernst Kaufmann.