Richard Loewy an Sohn Ernst, 10. Dezember 1937
Freitag, den 10.12.37.
Mein lieber Junge!
Nachdem Dir die liebe Mutter bereits heute Abend geschrieben hat, will ich Dich auch nicht länger warten lassen und gleich weiter schreiben, dann kann der Brief morgen schon angehen. Als heute morgen mit der ersten Post nichts gekommen war, waren wir schon sehr traurig, aber dann brachte uns die zweite Post Deinen lieben Brief. Wir sind ja froh, dass es Dir gut geht und dass Du zufrieden bist. Über Deine Zukunft machen wir uns selbstverständlich allerlei Gedanken, aber wir freuen uns jetzt, dass Onkel Richard da ist, mit dem Du doch so manches besprechen kannst. Und dann geht mal zusammen zu Hans Beith. Belungen - - ich war diese Woche in Coesfeld, da war ich nach langer Zeit auchmal wieder bei Hertz. Hier war auch Herr und Frau Strupp aus Bleicherode zu Besuch. Frau Strupp ist eine Schwester von Frau Hertz. Sie erzählte von einer anderen Schwester von ihr, die auch in Bleicherode wohnt, ich glaube sie heisst Frau Schönemann, deren Mann ein Vetter von Hans Beith ist. Beith ist nämlich auch aus Bleicherode. Dann erzählt Frau Strupp, dass ihr ihre Schwester erzählt hätte, sie hätte am Unglückstage von Kirjath Anavim - - sie war da gerade mit ihrem Mann in Erez und zwar auf der Fahrt von Tel Aviv nach Jerusalem - - von dort einen Jungen namens Löwy von Kirjath Anavim mit nach Jerusalem mitgenommen (mit ihrem Privatwagen), ob Du das wohl gewesen seiest? Sie sei zu Hans Beith gekommen und der habe ihr gesagt, ein Junge - Loewy - sei aus K. a. unterwegs nach der Stadt und da habe sie ihn beruhigen können, denn sie hätte ihn mitgebracht gehabt, er sei an der Strasse gestanden und habe gewinkt - getrampt. Ich bin nun wirklich neugierig zu wissen, ob Du das gewesen bist. Bist Du denn am Tage des grossen Unglücks in der Stadt gewesen? Das wäre doch ein merkwürdiger Zufall, dass Du mit der Schwester von Frau Hertz zusammengefahren wärest! Schreib mal darüber! - - Dass Du nun viel Freude erlebst, kann ich mir wohl denken. Macht Euch nur ein paar schöne Tage. Hoffentlich geben sie Dir in der Kwuzah auch ein paar Tage frei.
Ich war in Coesfeld auch auf dem Friedhof und habe das Grab von Tante Selma und auch von Tante Sofie besucht.
Dass Richards Freund Otto Lehmann in Erez ist, wusste ich nicht. Woher weisst Du das und hast Du sogar die Adresse? - - Übrigens, Lotte Salomons ihr Vater ist neulich gestorben. Wenn Du mal mit ihr zusammenkommst, kannst ihr kondolieren. - - Gestern war ich beim Leeren der blauen Büchsen, auch bei Willi Salomon seiner Mutter. Sie erzählte mir, dass Willi jetzt praktisch bei der Kupath Cholim in Kfar Saba arbeite. Er würde wohl später auch aus der Kwuzah austreten. Ruth sei vor kurzem ausgetreten, ihr Mann sei Schuster und wolle für sich arbeiten. Sie haben neben Bruckmann in Hadar ein Zimmer gemietet und gehen vorläufig auf Aussenarbeit, bis er sich soviel verdient hätte, dass er sich die nötigen Werkzeuge kaufen könnte. Sie habe neulich bei Rich. Bruckmann gegen Lohn gearbeitet. Sie kämen oft mit Lotte Fernich, die in Ramataim wohne, zusammen.
Gestern Abend war ich in der ZOG-Sitzung. Nächste Woche werde ich dort einmal etwas über meine Reise erzählen, nachdem ich gestern wieder zum ersten Mal nach der Reise dort erschienen bin. - - Heute habe ich gehört, dass Mendel, Judas Vater einen ganz verzweifelten Brief hierher an seine Schwester geschrieben haben soll. Geht es denen denn schlecht? Was ist damit los? Hat er denn nicht mehr seine Stelle? Wie wir in Haifa waren, war es doch so nett und ging es ihnen doch sehr gut! Frage doch Juda mal und gib uns mal Nachricht. Ich hatte nach meiner Reise an Mendels geschrieben, aber von ihnen keine Antwort bekommen. Auch nicht von Speiers, auch nicht von Neumanns. Dass die Mutter von Frau Speier inzwischen gestorben ist, weisst Du wohl. Solltest Du wieder mal zu ihnen kommen, dann sage bitte, ich wollte nicht kondolieren, da ich nicht gewusst habe, wann sie es erfahren und ich wollte nicht vorgreifen. Sie dürften aber mal gelegentlich eine Karte schreiben oder auch an Meyers beifügen, die sie uns dann schon abliefern werden. Wenn Du mal nach Tel-Aviv kommst und Zeit hast, geh doch auch mal zu Neumanns und grüsse sie. Es kann Dir nichts schaden, wenn Du diese Freundschaft pflegst. Die einzigen, die geschrieben haben, waren die alten Grünfelders. Vergiss bitte nicht mit Richard mal da anzugehen. Die alten Herrschaften werden sich gewiss freuen. - - - Das vermisste Buch von Sax hat sich hier gefunden. Wir können es zum Englischlernen gut brauchen. Es ist eine besonders gute Methode. Dann bitte ich Dich, mir den einen Film, auf dem ich mit Dir und Herrn und Frau Speyer drauf sind, - also alle 4 - - bald mal zurückzusenden. Die liebe Mutter hat Dir den Film gesandt und dabei haben wir selber in unsrem Album davon keinen Abzug, denn Mutter hat sich den einzigen, der gemacht wurde, für einen Ansteckklips behalten, sodass sie Dein und mein Bild zusammen immer bei sich tragen kann. Sie hat sich aus München ein sehr schönen Klips mitgebracht, in den man auf der Rückseite ein Bild stecken kann, ähnlich einem Medaillon. Dann möchte ich gerne mal den Film haben auf dem Du mit Werner bist, den Film, den Ihr dort nach meinem Weggang gemacht habt und wovon Du uns einen Anzug gesandt hast. Ich möchte davon mir noch einen Abzug machen lassen. Den Film erhaltet Ihr bald wieder. - Wie war das eigentlich, Piel hatte doch mal mit seinem Apparat Aufnahmen von mir gemacht, waren diese alle nichts geworden?
Nun will ich schliessen. Halte Dich gut und bleib mir gesund, mein lieber Junge! Grüsse Deinen Onkel vielmals, wir erwarten mit Spannung Eure Berichte.
Recht viele Grüsse und Küsse Euch beiden, besonders an Dich Dein
Vater. ![..]
Allen viele Grüße!
Was macht der Bergbauer? Was Zwi? Der ist jetzt wohl im Druck? Wann wird er General?
Anbei zwei Scheine!