Erna Loewy an Sohn Ernst, 10. Dezember 1937

Freitag, den 10.12.37.

Mein lb. Ernst!

Schabbath Abend, die beiden Männer spielen eine Partie Tausend, und da es mir zu langweilig ist, müssig dabei zu sitzen, will ich lieber Deinen Brief vom 3. & 4. den wir heute erhielten, beantworten. Vielen Dank, mein Guter, wir haben uns wie immer riesig gefreut. Unterdessen wirst Du nun mit dem lb. Richard zusammen sein, und bin ich bei Eurer Freude im Geiste mit dabei. Schreibt uns bitte alles, wir möchten doch an allem teilhaben. Ich bin auch sehr neugierig zu erfahren, was Richard zu Deiner persönlichen Angelegenheit sagt, und was er Dir rät. Ich will mir gewiss keine Sorgen mehr machen, denn es kommt doch immer ganz anders als man denkt. Es wäre uns auf jeden Fall sehr lieb, wenn Du vorläufig in K.A. bleiben könntest, und sind wir schon dadurch beruhigt, dass die Kwuzah die Verpflichtung hat für Euch zu sorgen. Die Gruppe erfällt ja immer mehr, und bin ich heute selbst der Meinung, dass Du unter diesen Umständen garnicht dabei bleiben hättest können. Was fängt denn Küken an, vielleicht kommt dessen Vater Anfang des Jahres. Ausserdem reist auch die Familie Kaufmann im Febr. - Vater von Loewenthals - die ihre Kinder in Tel-Aviv haben. Die Dame hat sich schon angeboten, etwas für Dich mitzunehmen, wenn Du also Wünsche hast, teile sie uns früh genug mit. Nun noch etwas wegen des Handlangers. Ich bin insofern etwas enttäuscht, weil Ihr in keinem Fach gründlich ausgebildet worden seid, muss aber zugestehen, wenn Ihr arbeiten gelernt habt, gleich was es auch sei das erheblich viel ist. Man darf nicht immer einen Masstab an uns hier legen, das Land erfordert schon andere Gebräuche, ich vergesse das oft beim Schreiben, aber ich meine, wer dort auf etwas Bestimmtes wert legte, der müsste doch auch Gelegenheit haben. Ihr habt doch zum Beispiel eine Bienenzucht. Wäre da keine Möglichkeit, das gründlich zu erlernen, oder in der Schlosserei und was es sonst noch bei bei Euch gibt. Ich will damit sagen, nicht nur vorübergehend helfen, sondern mal dabei bleiben, wie Du es erst im Gemüsegarten musstest. Ich kann Dir ja von hier aus nur meine Meinung sagen, vielleicht ist es aber auch in die Tat umzusetzen. Man muss nur energisch sein, und sich nicht immer wieder hinausdrücken lassen. Imker ist zum B. ein sehr guter Beruf, und

das könntet Ihr ja dort lernen, man müsste sich nur melden und Ausdauer haben. Aber das alles müssen wir Dir überlassen, ich kann Dir nur meinen wohlgemeinten Rat geben. Ich selbst machte mir nichts draus, in einen Kwuzah zu leben, auch wenn es nur ein Zimmer für uns wäre. Das Glück hängt nicht alleine von einer schönen Wohnung ab, ich kann mich sehr gut umstellen, & finde mich überall zurecht. Kochen für eine grosse Gesellschaft oder sonst eine Arbeit würde ich jederzeit übernehmen, es würde mir mehr Freude machen als hier in den Tag hinein leben. Ausserdem bin ich ja auch noch keine alte Frau, die nichts mehr leisten kann. Ich habe mir sogar vorgenommen, anfang des Jahres einen Nähkursus mitzumachen, damit ich auch das kann, und mal zugreifen kann. Was machen Deine engl. Studien, Vater und ich lernen augenblicklich fleissig und ich hätte nicht gedacht, dass ich so leicht dahinter komme. In dem Kursus bin ich mit meinen 45 Jahren die Beste, es macht mir auch Freude. Gestern war Helmut Frank hier, um sich zu verabschieden. In letzter Minute hat es noch mit Amerika geklappt. Er musste die Erlaubnis bis zu seinem 16. Jahr haben, sonst kam er nicht mehr in Frage. Gerade, wenn er 16. wird, ist er unterwegs, also im letzten Moment hat er es noch erwischt. Ich habe ihm in Deinem Namen auch ein kleines Abschiedsgeschenk gebracht, ein Fotoalbum, und hat er sich riesig damit gefreut, zumal er noch keins hatte. Ich glaubte in Deinem Sinn zu handeln, da Du Helmut immer gerne mochtest. Er will Dir von drüben schreiben, mal sehen, ob er Wort hält. Sonst ist hier nichts los, Pips bummelt seit einigen Tagen. Ich bin froh, dass er zu Hause ist, hier schneit es, und muss er bei diesem Wetter mal nicht draussen sein. Für meinen Bruder Richard ebenfalls viele Grüsse und alles Schöne, er soll uns draussen nicht so kurz mit Briefen halten und uns immer auf dem Laufenden halten.

Nun, mein lieber noch für Dich tausend gute Wünsche, und ebenso viel Grüsse und Küsse Deiner
Mutter.

Sind die Würste & die Schokolade immer noch nicht angekommen? Es wäre schade.