Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 18. Dezember 1937

Krefeld, den 18.12.37.

Mein lb. guter Ernst!

Gestern erhielten wir wieder Deinen lb. Brief vom 10. ds. und freuen uns über die guten Nachrichten sehr. Ich kann begreifen, dass Du Dich mit dem Anruf von Onkel Richard unendlich gefreut hast, und etwas aus dem Häuschen geraten bist. Auf jeden Fall nehmen wir Dir Deine Kürze nicht übel, im Gegenteil, wir verstehen alles zu gut. Hoffentlich habt Ihr unterdessen schöne Tage miteinander verlebt. Wir haben von Richard seit Triest keine einzige Zeile mehr erhalten, hörten aber, dass Frau Mally Simons schon Donnerstag einen Brief aus Haifa hatte. Und wir lauern buchstäblich drauf. Du kannst ihm mal den Kopf waschen, er soll doch nicht gar so schändlich mit uns umgehen. Hoffentlich bekommen wir nun bald einen gemeinsamen Brief von Euch beiden, mit vielen guten Nachrichten. Ich bin sehr neugierig, was Richard zu all Deinen Dingen sagt.

Habt Ihr eigentlich nicht Chanuka gefeiert, Du schreibst garnichts hierüber! Ich ärgere mich schrecklich, dass Du meine schöne Wurst und die vier Tafeln Schokolade nicht erhalten hast. Dann kann man ja garnichts mehr schicken, was ich sehr bedauern würde, denn ab und zu möchte ich Dir doch mal eine kleine Freude machen. Aber das Geld ausgeben, und Du hast doch nichts davon, macht bestimmt keine Freude. Ich habe auch keine Hoffnung mehr, dass sie noch kommen wird. Von hier ist mal wieder garnichts zu berichten, in den nächsten Tagen erwarten wir Onkel Sali, und Sonntag war Hans Polak auf eine Stunde hier. Er fuhr nach Berlin zum Einkauf, und hat uns auf einen Sprung besucht. Diese Woche war ich mal mit der Oma im Kino, u. a. wurde der Weihnachtsmarkt in Berlin gezeigt, und da fiel mir ein, dass es genau zwei Jahre her war, dass Dich die Polaks stundenlang dort herum geschleift haben. So vergehen die Jahre, Schniebinchen ist schon bald historisch.

Heute Abend geht es wieder in die engl. Stunde, ich gehe sehr gerne hin. Lernst Du auch weiter, oder ist es wieder bei Eurem guten Vorsatz geblieben. Donnerstag Abend hat Vater seine Reiseerlebnisse in der Z.O.G. erzählt, es war ganz nett, auf jeden Fall haben sie sich gefreut, mal einen genauen

Bericht über manche Dinge zu hören, und Vater gebeten, am nächsten Heimabend doch wiederzukommen, damit sie noch Fragen stellen könnten, über die sie sich nicht einig sind. Es war sogar an dem Abend ganz schön besucht, alle haben natürlich nach Dir gefragt, und lassen grüssen. Das wäre so der Bericht der Woche. Vielleicht weiss der Pips mehr zu berichten, infolge Deiner Kürze habe ich nichts zu beantworten, und bin schon am Ende meines Lateins. Wir sind ja auch froh, wenn wir nicht viel zu berichten haben, und alles seinen gewohnten Gang geht. Nun fange ich schon wieder an, auf Euren Brief zu hoffen, und bin mit den innigsten Grüssen und Küssen
Deine Dichliebende Mutter.

2 Scheine anbei!

Falls Richard noch dort ist, auch für ihn viel Gutes & Grüsse & Küsse!

Mein lieber Junge! Deine Mutter gefällt mir, sie meint einfach, da sie keinen Gesprächsstoff hätte, müsste der Vater mehr schreiben. Dabei geht es mir beinahe wie dem alten Herrn ich komme die ganze Woche kaum vor die Türe und was soll ich denn schon zuhause erleben? Alles ist, dass ich diese Woche mein Referat gehalten habe. Ich werde mal sehen, dass ich das in den nächsten Tagen sende. Ich hoffe, dass es als Drucksache geht, als Brief ist es mir zu schwer. Es sind immerhin 37 Schreibmaschinenseiten. Ich habe vieles nicht berichtet, denn wenn ich genau über all meine Eindrücke hätte berichten wollen, dann hätte ich ja Bände schreiben können.

Dass es Dir mein lieber Junge, gut geht, freut mich am meisten. Hoffentlich hattest Du mit Deinem Onkel auch viel Freude. Ich bin ja wirklich neugierig von diesem Herrn einmal eine Nachricht zu sehen und zu wissen, welchen Eindruck alles auf ihn gemacht hat und wie er über Deine Pläne denkt. Ich weiss ja noch immer nicht, wie sich die Kwuzah KA. dazu stellt, ob Du dauernd dort bleiben kannst und auch wie Hans Beit darüber denkt, denn ich nehme doch an, dass man sich in Jerusalem bei Ende Eurer zwei Jahre um Euch kümmern wird. Es muss doch auf irgend eine Art ein Abschluss kommen. Ich erwarte auch auf meine diversen Fragen, die ich in dieser Hinsicht an Dich gestellt habe, noch Deine Antwort. Es gibt ja auch da noch manches zu überlegen. Ich hoffe, dass Herr Kaufmann doch noch im Januar hinüberfährt und ich bitte Dich, Dich mit ihm einmal zu beraten. Herr K. wird sich ja dann länger bei Euch aufhalten, nicht wie seine Frau, die meist in Jerusalem geblieben war. Wir verstehen uns sehr gut mit ihm und wird er Dir gewiss auch mit seinem Rat behilflich sein. Er wird evt. auch noch Deinetwegen mit Beith reden. Kaufmanns und auch Werner Lielienfelds Eltern werden zu uns am 2. Weihnachtsfeiertag kommen und dann werden wir uns über so manches unterhalten können. - - Dann noch eins: wenn auch die Unsicherheit auf den Strassen nicht so schlimm ist, wie wir uns das hier vielleicht vorstellen, so bittet Dich die l. Mutter und auch ich Dich nicht allzuviel draussen herumzutreiben, sondern hübsch zuhause zu bleiben. Man liest leider immer wieder von Überfällen auf Autos. Wann wird das mal aufhören?! Die Lage ist ja im allgemeinen ziemlich schlecht drüben, aber wir wollen hoffen, dass die neuen Männer jetzt endlich für Beruhigung sorgen.

Sei heute mit diesem wenigen zufrieden. Ich habe auch sonst nichts. Falls Richard noch da ist, viel Grüsse und Du lass Dich umarmen und sei geküsst von
Deinem Vater. ![..]!