Erna Loewy an Sohn Ernst, 7. Januar 1938

Freitag, den 7.1.38.

Mein lb. Ernst!

Heute erhielten wir Deinen lb. Brief vom 31.12. mit Bild und Negativ, und danken Dir herzlichst für alles. Das Bild von Edith anbei zurück, das Negativ folgt. Wir hatten geglaubt, mal etwas von E. von Hause aus zu hören, bis jetzt kam aber keine Zeile. Helmut F. hat schon aus New York geschrieben, die genaue Adresse wissen seine Eltern selbst noch nicht. Dass Richard immer noch nicht bei Dir war, enttäuscht uns einerseits, aber schliesslich zu verstehen, wenn er wichtige Dinge für sich selbst erledigen muss. So hast Du die grosse Freude immer noch vor Dir. Wir sind garnicht überrascht, dass er gerne in Erez bleiben möchte, denn diese Nachricht hatte uns auf Umwegen schon erreicht. Dr. Salinger hatte davon schon nach Krefeld berichtet, und Neuigkeiten haben in unserer Grosstadt kurze Beine. Auf jeden Fall wünschen wir ihm Gelingen seines Vorhabens, es wäre nicht nur für Dich herrlich, sondern für uns alle. Wir sind dann nicht so in alle Winde verstreut, und können uns alle einmal leichter wiedersehen. Wenn man bedenkt, wo so viele von uns hingeraten sind, ist Erez dagegen garkeine Entfernung, dazu kommt noch, dass es doch auch unser Ziel ist. Vielleicht kommen wir Geschwister, die eigentlich nie etwas voneinander gehabt haben, auf unsern alten Tag noch einmal zusammen. Es hätte also viel Gutes, wenn er es fertig brächte, dort zu bleiben, und eine Existenz zu finden. Den Brief und die Karte mit Richard haben wir Dir doch bestätigt, Du hattest aber nicht geschrieben, dass Du die Schokolade erhalten hattest. Umso schöner, wenn Du sie gegessen hast. Schade um die schöne Wurst. Sali ist vorgestern wieder abgereist, er war diesmal ziemlich lange hier. Sie tragen sich auch mit Auswanderungsgedanken, wissen aber nicht wohin. Er hält Erez wirtschaftlich zu schwierig für sein Fach, da er aber auch sonst sehr unschlüssig ist, wird es wohl bei ihnen noch eine Weile dauern. Und damit ist Dein Brief beantwortet, auch fehlen mir heute sämtliche Neuigkeiten. Uns geht es gut wie immer, und freuen uns ebenso über dein Wohlergehen. Onkel Richard meinte in seinem Brief, soviel er wüsste, hätte es in unserer Familie nie Bauern gegeben, Du willst ihn doch einmal darauf aufmerk-

sam machen, dass ich verheiratet bin, bald 20 Jahre und mein Mann in unserer Familie doch auch mitzählt. Die meisten Loewys waren Landwirte, Du könntest ja immerhin aus dieser Richtung etwas ererbt haben. Du kannst ihm sagen, Vater wäre sehr enttäuscht gewesen, dass er ihn ganz vergessen hätte, und immer nur an die Levys dächte, die allerdings als Landwirte eine etwas komische Figur gemacht hätten. Ich glaube kaum, dass Dir Richard im Augenblick anders raten kann als Pips, der es doch sicher gut mit Dir meint. Die Lage ist im Moment zu ungünstig, später wird sich vielleicht mal was anderes finden. Wir lieben alle mehr oder weniger unsere Berufe nicht, und müssen doch durchhalten. Denk mal an Deinen Vater, was der leisten muss, und tut es auch nicht aus Liebe zur Sache. Ihm lägen andere Berufe besser, aber was will man machen, wenn der Schornstein rauchen soll. Sei also nicht traurig, wenn Richard mit demselben Resultat kommt wie Dein Vater, und hoffe auf günstigere Zeiten. Du bist noch jung, das Leben liegt noch vor Dir. Diese Jahre schaden Dir auf keinen Fall, was man kann, ist immer gut. Die Briefe sind natürlich für Richard mit, sofern er noch dort ist. Die alten Herrschaften warten ganz besonders auf einen Brief von ihrem Sohn. Er soll doch zwischendurch schonmal eine Karte schreiben.

Euch beide grüsst und küsst voller Liebe Eure
Mutter & Schwester Erna

Anbei 2 Scheine!