Richard Loewy an Sohn Ernst, 12. Januar 1938

Hotel-Restaurant
Eduard Scheck

Gütersloh, den 12/1.1938.

Mein lieber Junge!

Soeben erhielt ich den einliegenden Brief der l. Mutter & will ich Dir sofort ebenfalls antworten. Eigentlich ist den Worten Deiner Mutter kaum etwas hinzuzufügen. Ich bedauere es sehr, daß Du meinst, ich verstünde Dich nicht; Du bist wirklich im Irrtum. Ich bin weder zu alt, noch zu verknöchert, noch zu wenig herrschsüchtig, um nicht Deine Beweggründe, die die Kwuzah ablehnen, zu verstehen & Dich eventuell zu einem Lebensberuf zwingen zu wollen, der Dir nicht liegt. Aber ich gehe von dem Standpunkt des Tatsächlichen aus. Das ist nun eben leider so, daß Du ohne irgendwelche Geldmittel noch irgendwelche andrer materieller Hilfe auf Dich selbst gestellt in einem fremden Lande bist. Du scheinst Dir diese Lage noch immer nicht genug vor Augen geführt zu haben. Ab März hören die Zahlungen an die Jugendhilfe auf, bleibst Du dann nicht im Verband der Kwuzah hilft Dir kein Mensch. - Wie der Hunger tut & was Not heißt, hast Du ja Gttlob noch nicht erfahren müssen.

Wenn Du schreibst, daß Richard Dich versteht, auch die Kwuzah für „unsinnig” hält (was wäre Erez ohne den „Unsinn” der Kwuzah?!!!) & die Landwirtschaft für Dich für ein Unding, so geht er eben von seinem Standpunkt aus, der sein Leben nur je in der Stadt gelebt hat & der glaubt, für seinen Neffen sei „Bauer” falsch, weil unter seinen Vorfahren keiner dabei war. Wie schon neulich geschrieben, gehört zu Deinen Vorfahren auch Dein Vater & dessen Vorfahren!

Wenn Richard Dir helfen kann, irgendeinen Beruf zu ergreifen, soll es mir recht sein; er muß aber immer mit in Betracht ziehen, daß irgendwelche materielle

Hilfe von Deutschland aus ausgeschlossen ist. Kann er Dir irgendwo eine Lehrstelle oder ein Studium am [..] verschaffen, so muß es ganz frei sein, frei mit Kost & Wohnung!! Wer tut das? Ich sehe keine Möglichkeit. - Ich sehe nur eines: es war voreilig von der Schule zu gehen, Du hättest erst das Einjährige machen sollen, dann 2 Jahre Lehre & dann Erez. Aber Du hast keine Ruhe mehr gehabt. Und ich befürchte eins: Daß Du ebenso voreilig die Kwuzah verläßt und daß Dir dann kein Mensch hilft und auch ich Dir nicht helfen kann. Und Richard geht vielleicht nach Persien oder wer weiß, wohin! Und Freunde? Der liebe Gtt! Iß und trink mit ihnen -, aber nicht bei oder von ihnen! - Warst Du nochmals bei Hans Beith? Er sagte uns damals, Du möchtest vor den 2 Jahren nochmals zu ihm kommen. Unternimm nichts ohne ihn! Solange er mit Deinen Plänen einverstanden ist, hilft er Dir wohl auch& hast Du eine Rücklage, tust Du etwas ohne sein Wissen, ist alles aus!! - Ich habe Dir nun das alles nochmals vor Augen gehalten. Du willst ein gesichertes Dasein gegen einen totale Unsicherheit eintauschen. Ich kann Dich nur warnen; helfen kann ich Dir nicht. - Ob ich Dich lieber in irgendeinem andern Berufe sähe, ob ich Deine Gründe verstehe, oder nicht, - das steht gar nicht zur Debatte. Man kann sich nur an die Möglichkeiten halten. Hat Richard welche, - aber bestimmte müssen es sein! - bin ich der erste, der sich freut, Dich froh & glücklich zu wissen.

Eine Aussicht allerdings wird dabei winzig klein & das ist Deine Aussicht, Deine Eltern anfordern zu können. Das sei genug für heute. Von daheim schreibe ich demnächst wohl nochmals darüber.

![..]! & Mut. Küsse Deines Vaters.