Richard Loewy an Sohn Ernst, 11. Februar 1938
Mein lieber Junge! Du machst ja schöne Geschichten! Aber ich hoffe, dass Deine Gelbsucht nicht viel zu bedeuten hat und alles bei Eintreffen unsres Briefes schon wieder vergessen ist. Wie kann denn ein solch kleiner Junge eigentlich an Gelbsucht kommen? Meistens haben so etwas doch nur ältere Leute. Schreibe mal darüber und auch wer Dich dabei behandelt. Zu Eurer Chowescheth habe ich nach den Vorfällen mit Küken nicht das grösste Vertrauen. Bist Du in ärztlicher Behandlung? Ich bitte Dich, uns hierüber genau Aufschluss zu geben, auch merke Dir das für etwaige - hoffentlich nicht zu bald wiederkommende Fälle -, dass Du uns immer genaue Auskunft über so was gibst, denn man macht sich doch immer Sorge um Euere Gesundheit, denn wenn Ihr Euch auch einbildet, Ihr seid alle lange gross und erwachsen, so seid Ihr doch alle noch rechte Babys, nach denen man schon mal besonders fragen muss. Ich habe ja nun das Vertrauen zu Dir, dass Du schon alles überlegt und richtig machen wirst und auch Deine Gesundheit in acht nimmst, denn es ist schnell etwas dabei verdorben, was nie wieder gutzumachen ist. In jungen gesunden Jahren nimmt man das alles sehr leicht, aber später denkt man doch, hätte man nicht so mit seiner Gesundheit geast! Ich habe auch in dieser Hinsicht zum Beispiel im Kriege mit meiner Gesundheit darauf losgewirtschaftet, ich dachte, das hält der Körper schon alles aus, aber letzt merke ich doch, es wäre besser gewesen, wenn ich manchesmal etwas vorsichtiger gewesen wäre. Also alles Gute, mein lieber Junge! - - Für Deine guten Wünsche zu meinem Geburtstag meinen allerherzlichsten Dank! Ich werde nun schon 47 Jahre alt! Die Zeit vergeht, und ich meine immer selbst noch ich bin ein kleiner Junge, aber die Jahre gehen eben hin - - nun habe ich selber schon einen grossen Jungen, und ich hoffe, dass ich an ihm noch einmal recht viel Freude erleben werde. Das ist ja überhaupt unser ganzer Gedanke und unsre ganze Hoffnung, dass wir eines Tages doch wieder zusammen sein werden und dann wird noch alles schön werden. Vielleicht werden auch unsre Sorgen dann mal etwas kleiner und wir werden den miteinander noch viele schöne Tage erleben. Jetzt müssen wir eben warten und warten und damit unsre Jahre verbringen. Aber wir wissen, dass sich das Rad des Geschehens nicht aufhalten lässt und wird es einmal soweit sein, dass wir zusammen sind, dann wird schon noch alles gut und auch Du wirst nochmal glückliche Tage nach der wenig schönen Lehrlingszeit haben. Wir wollen auf Gtt vertrauen.
Von uns sonst nichts Besondres. Ich war die Woche wieder im Sauerland Lüdenscheid - Werdohl - Gummersbach, die kommende Woche fahre ich nach Arnsberg - Meschede. So vergeht eine Woche nach der andren. Wir haben wenigstens keinen Schnee, sondern wohl mal so ein bisschen Gefissel, dann wieder Regen, dann auch ein bisschen Sonne, andauernden Wechsel, aber mir ist das alles lieber als Schnee, denn dann macht das Fahren keinen Spass.
Dass Du von Richard gar nichts hörst, ist nicht nett von ihm. Mutter schrieb ihm gestern, dass Du krank seiest und er möchte sich einmal nach Dir umsehen. Hast Du denn das nicht auch selber getan? Du brauchst Dich doch vor Deinem Onkel nicht zu genieren! Dem schadet es gar nichts, wenn er Dir mal einen Tag widmet. Ich nehme doch an, dass er sehr viel Zeit hat. Er lässt auch gar nichts hierher hören, sodass wir gar nicht wissen, wie es mit ihm selber wird. Hoffentlich gelingen nur seine Pläne und er kann dort bleiben, das wäre doch für uns alle sehr gut. Es erleichtert dann auch den Weg für uns.
Deinen Brief an Ernst Lamm werden wir weitersenden. Er hat wohl noch recht lang auf Hachscharah zu bleiben, bis er mal nach drüben kommt. Bei seinen Eltern ist auch ein Elend, Onkel Josef darf nicht arbeiten und kann nichts verdienen, Tante Hilda ist in Stellung, um wenigstens etwas zu verdienen, das sind Zustände! Dann haben sie mit dem kleinen Freiburger auch nicht recht viel Freude, er kann nicht hören und lügt noch ausserdem, was er kann. Dem fehlt die Erziehung von Anfang an.
Nun Schluss für heute. Ich weiss nichts mehr. Recht viel gute Wünsche und Küsse & ![..]
Dein Dich liebender Vater.
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