Erna Loewy an Sohn Ernst, 11. Februar 1938

Freitag, den 11.2.38

Mein lieber, guter Junge!

Dein lb. Brief vom 5 ds. kam schon gestern, recht viel Dank. Dass er mir Freude macht, kann ich nicht behaupten, und muss ich sagen, dass ich Dich längst ausser Bett gehofft habe. Wer macht denn bei Euch die Untersuchungen. Deine Magenschmerzen unlängst waren sicher garkeine, denn Gelbsucht kommt doch meist von einer Erkrankung der Galle. Ich sehe ja, dass man sich alle Mühe mit Dir gibt, aber ich möchte doch, dass Du einmal gründlich untersucht lässt. Hoffentlich geht es Dir nun wieder besser, und erwarte ich schon mit Sehnsucht Deinen nächsten Brief. Alles gute mein Kind!

Was Du über die Aufgaben der Jugendhilfe schreibst, ist schon richtig, aber sie können ihre Pläne doch nicht nur nach einer Schablone festlegen. Alle Gruppen bleiben doch nicht zusammen, siehe Euer Fall, und für solche Möglichkeiten, mit denen sie doch rechnen müssen, muss doch auch gesorgt sein. Man kann doch dann die Menschen nicht einfach in der Luft hängen lassen. Vater wird sich gleich mit Deinem Glückwunsch sehr freuen. Was meinst Du, was für eine Freude ein neues Bild von Dir gewesen wäre. Wenn Du wieder gesund bist, und es nicht zuviel kostet, kannst Du es ja noch nachholen, bis zu meinem Geburtstag hat es wohl Zeit, ein lieberes Geschenk kannst Du uns beiden nicht machen. Wir haben jetzt nur einen Wunsch, dass Du bald wieder ganz gesund bist, und Dich schnell erholst. Diesmal bekommt der Pips keinen Käsekuchen, er hat mitten in der Woche Geburtstag, muss ihn also unterwegs alleine feiern. Er möchte gerne ein altes Radio von Karl Lindenbaum übernehmen, das ist sein einziger Wunsch, und deshalb habe ich auch nichts für ihn gekauft. Ich bin ein bisschen dagegen, gerade in der heutigen Zeit, wo man eher an abbauen denken muss, soll man sich nichts Neues kaufen, auch wenn es ein altes Teil ist und nicht viel kostet. Wenn Vater es aber gerne hat, soll er es nehmen, ich will ihm die Freude nicht verderben. Eigentlich ist es nur ein Tag, an dem man erinnert wird, dass man schon wieder ein Jahr älter geworden ist. Und wir gehen jetzt stark auf die 50 an. Ich muss mal schnell auf die Post, Neuigkeiten, soweit es welche geben sollte, nachher. Unterdessen ist es Schabbos geworden, aber viel kann ich Dir heute nicht mehr erzählen. Es ist hier so wenig los, diese Woche ist auch Paul Frankfurt nach Amerika. Kurt Gimnicher will auch bald weg, er hat seine Lehre aus, und dann keine Stelle, und so geht es den meisten. Ich war dieser Tage mal wieder bei Rosbergs, Fritz hockt noch immer zu Hause und hofft auf schönes Wetter. Ich hatte ein Bildchen von Dir in der Tasche. Als er es sah, meinte er, das ist ja der Ernst, ich habe ihn sofort erkannt (das Bild mit Werner und Dir). Soll man das für möglich halten bei einem ausgewachsenen Menschen. Aus dem wird im Leben nichts, dabei ein Kerl wie ein Baum. Sie macht sich auch deswegen viel Sorgen, aber der Alte sagt wie Du früher, wird schon werden. Dann ist Herbert Weyl Barmizwoh geworden. Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich Dich gebeten, ihm eine Karte zu schicken, er hängt noch immer sehr an Dir. Bei jeder Gelegenheit meint er, wenn Du noch ihr Leiter wärst u.s.w. Vater meint, Du könntest Dich doch mal von Richard fotografieren lassen, erstens machte er es gut, und dann auch billiger. Du musst mal selbst sehen, freuen würden wir uns sehr. Dieser Tage schicke ich Dir auch wieder 10.- Mk. die Sachen, die ich den Krefeldern mitgegeben hate, wirst Du nun ja auch bald erhalten. Hoffentlich darfst Du die Wurst bis dahin wieder essen. Ich wünsche Dir noch weiter gute, gute Besserung, und halt uns immer auf dem Laufenden. Besser immer die Wahrheit hören, auch wenn sie manchmal nicht dazu angetan ist, Freude zu bereiten. Aber hoffen wir, dass Dein nächster Brief wieder besser ausfällt. Nochmals alles Gute, und tausend Küsse Deiner
Mutter

Vater soll das nicht lesen. Er meint, er bekommt nichts von mir, ich werde ihm aber Montag früh ein Kistchen Zigarren, eine Dose Pralinen und eine neue Geldbörse in seinen Koffer packen, was er dann beim zu Bett gehen im Hotel finden wird. Er ist so'n guter Kerl, und soll unterwegs auch ein bisschen Freude haben.

Kuss Dein Mümlein!