Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 25. Februar 1938

Freitag, den 25.2.38.

Mein lb. Ernst.

Wenn wir auch heute keine Post von Dir zu erwarten haben, so möchten wir Dir doch noch einmal schreiben, und zu Deiner Dir angebotenen Lehre noch einmal Stellung nehmen. Im Prinzip sind wir ja gegen jede kaufm. Lehre, da der Beruf ja wohl die wenigsten Aussichten hat. Da es sich aber um eine Buchhandlung handelt, und ich mir denken könnte, dass Du daran Spass hättest, möchten wir Dich bitten, wenn Hans Beit für die Sache ist, die 14 Tage Probe unbedingt anzutreten. Man weiss ja nicht, ob Du sie bestehen wirst. Was das Geld angelangt, so werden wir alles aufbieten, um es beschaffen zu können. Vorläufig verdient Vater noch einige Monate, und ich will hoffen, dass er was Neues findet, solange wir notgedrungen hierbleiben müssen. Wenn denn alle Stricke reissen, verkaufen wir Deine Briefmarken, für das erste Jahr machte ich mir keine Sorgen, es nicht schicken zu können. Sollte dann eines Tages auch das nicht mehr gehen, und Du hättest Dich zur Zufriedenheit eingearbeitet, würde sich der Mann schliesslich auch nicht weigern, Dir etwas mehr zu geben. Auch wird Richard dann soweit sein, und verdienen, und Dir vielleicht einmal mit einem kleinen Taschengeld unter die Arme greifen. Aber hoffentlich sind diese Fantasien alle nicht nötig und können wir so lange es sein muss, selbst für Dich sorgen. Nach all den bittern Geschehnissen bist Du vielleicht auf den Gedanken gekommen, Deine Pläne aufzugeben, Dich für uns zu opfern und in der Kwuzah bleiben zu wollen. Mein lb. Junge, vielleicht ist die Kwuzah eines Tages noch das leichtere Los, aber unseretwegen brauchst Du nichts an den Nagel zu hängen, denn die neuesten Bestimmungen der pal. Regierung heissen, dass durch Kibbuzim keiner mehr angefordert werden kann. Wenigstens schreibt uns das das Pal. Amt. Wir hätten also durch Deinen Verzicht doch nichts. Also wenn Richard und Hans Beit die Sache für gut halten, versuche Dein Glück, wir tun für Dich, was wir nur können. Vater soll das Weitere schreiben, und dann werde ich den Brief noch schnell mit Luftpost befördern. Tausend Küsse und ein gutes Gelingen Deiner
Mutter.

Mein lieber Junge! Nachdem ich nachhause gekommen bin, ist natürlich von nichts andrem die Rede als von Dir. Nun wollen wir also hoffen, dass Du nicht direkt auf unsren traurigen Brief, der Dir unser Malheur mitteilt, zur Sal. gelaufen bist und ihm abgesagt hast. Ich nehme an, dass Du nichts voreilig getan hast. Unser Brief war natürlich auch etwas voreilig, denn obwohl es mit Mstr wohl kaum mehr ins Reine kommen kann, muss man eben sehen, ob sich denn gar nichts andres findet. Ich habe mich mal an einen andren Fabrikanten gewandt, vielleicht, dass es irgendwo glückt. Die ersten 4 Monate habe ich ja M. noch, Georg schreibt mir diese Woche, er möchte mit mir zu Ostern die Sache noch einmal besprechen, entweder in Frankfurt oder ob ich vielleicht wie in den anderen Jahren hinunterkäme? Ich werde ihm schreiben, wenn schon dann in Frankfurt, für hinzufahren hätte ich jetzt erst recht kein Geld. Er schreib mir in Form einer Entschuldigung, aber er glaube kaum, dass eine Zurücknahme erfolgen könne. Es wird also wohl ausser schönen Redensarten nichts bei einer Besprechung herauskommen. Aber wir wollen den guten Glauben nicht verlieren und hoffen, dass sich doch noch was findet. Du sollst aber, wenn wir es irgend ermöglichen können, nicht auch darunter leiden. Also versuch die Lehre und was dann, muss man sehen, Du kannst auch mit Beith darüber reden, vielleicht gibt es auch in Anbetracht der Verhältnisse doch irgend eine andre Hilfe. Vorerst wollen wir wenn Beith den Transfer ermöglicht, es durchhalten, solang es geht. Es wird und muss sich eben eine Möglichkeit finden lassen, dass wir es auch dem 1. Juli, wenn ich bis dahin nichts haben sollte, ermöglichen können. Es ist ja nun so, dass selbst, wenn der Fall jetzt mit Mstr nicht eingetreten wäre, und ich versprochen hätte prompt jeden Monat zum Transfer zu zahlen, der Fall wie jetzt hätte doch jeden Tag eintreten können und ich nicht hätte weiterzahlen können. Damit muss man hier immer rechnen, dass solche unvorhergesehen Fälle eintreten. Du hattest es befürchtet, es ist also doch ohne Zwang gekommen. Nötig gehabt hätten sie das nicht, aber genau wie Richard Epping abgeschwenkt ist und ein untreuer Freund war, so treulos ist das Verhalten von M. Andre Leute haben es auch nicht getan und halten

es auch jetzt noch nicht für nötig. Sonst wäre die Sache noch schlimmer. Mein Verkauf ist sehr gut, sodass darüber nichts zu sagen wäre.

Gesund sind wir sonst auch alle. - -

Nun bitte besprich nochmals alles mit Richard und wenn Ihr schreibt, dann bitte auf separaten Bogen. An Richard senden wir dann eine Vollmacht, wie Du sie gewünscht hast, dann kann er den Lehrvertrag fertigmachen. Wenn es klappt, dann musst Du eben sehen, wie Du möglichst billig in der Stadt zurecht kommst, da kann Dir ja Fritz und vielleicht auch Grünfelders helfen. Auf alle Fälle recht viel Glück! Du hast ja, das kannst Du Herrn Sal. sagen, als Buchhändler eine Familientradition, da ich selbst einige Zeit in Freibrug Buchhändler war, und auch Dein Onkel Willi. Was mir auf die Dauer nicht vergönnt war, zu bleiben, ist vielleicht bei Dir der Fall. Es ist ein Beruf, an dem ich auch viel Freude hatte, und der viel Befriedigung gewähren kann.

Nun Schluss und viele Küsse [..] Dein
Vater