Erna Loewy an Sohn Ernst, 1. März 1938
Dienstag, den 1.3.38.
Mein lb. Ernst!
Eben erhielt ich Deinen lb. Brief vom vorigen Mittwoch, und ich muss sagen, dass mir dadurch ein Stein vom Herzen fällt. Ich habe befürchtet, dass Du durch unsere Unglücksbotschaft die Flinte ins Korn werfen würdest, und die Dir angebotene Stellung aus der Hand geben würdest. Ich konnte keine Nacht mehr ruhig schlafen, immer habe ich mir Vorwürfe gemacht, Dir die Tatsachen umgehen mitgeteilt zu haben. Aber wir haben uns ja gegenseitig Offenheit versprochen, aber ausgerechnet mussten diese 2 Dinge zusammen treffen. Wenn sich auch unsere Lage nicht gebessert hat, so können wir Dir wohl noch 1 Jahr helfen, und haben unsere Vermögensverhältnisse Samstag mit Richard besprochen, Du weisst vielleicht schon durch ihn Bescheid. Es sieht folgendermassen aus: ½ Jahr geht es noch aus eigenen Mitteln, sollte Vater bis dahin nichts finden, verkaufen wir Deine Briefmarken, was wieder für Monate reichen würde, ausserdem hat sich Sali bereit erklärt, wenn wir nicht mehr zahlen können, mit monatlich 20-25,- Mk einzuspringen, wovon aber seine Frau noch sonst jemand erfahren dürfe. Letzteres soll mir egal sein, wenn nur Dir geholfen ist, und wir Dich für das erste Jahr nicht im Stich lassen müssen. Du kannst also fürs Erste ruhig sein, und freue ich mich von Herzen, dass Du den Mut dennoch nicht verloren hast, und man Dir auch so helfen wird. Ein Glück, dass Richard dort ist, und er Dir immer raten kann. Eine Vollmacht haben wir ihm auch geschickt, und nun wollen wir hoffen und wünschen, dass alles gut geht, und Du die Probewochen bestehst, woran ich nicht im Geringsten zweifle, da es ein Fach ist, wozu Du Lust und Liebe hast. Du musst nicht sagen, es sei egoistisch von Dir, in einer Zeit unserer grössten Sorgen nur von Dir zu sprechen und uns noch um Geld zu bitten. Lieber Ernst, Du bist die Hauptsache für uns, erst dann kommen wir. Wir möchten Dir noch unter allen Umständen helfen, also schreibe nicht wieder so etwas. Hoffentlich bekommt Hans Beit nur günstige Auskunft, dass Du sofort beginnen kannst, und schreibe sofort wegen des Transfers. Ich will Dir beide Daumen halten, in Gedanken bin ich Tag und Nacht bei Dir. So viel gute Wünsche können doch garnicht fehl gehen! Und dann innigen Dank für das wirklich nette Bildchen, vor lauter Freude liefen mir ein paar dicke Tränen über die Backen. Auf das nächste freue ich mich heute schon. Vater ist auf Tour und verkauft gut. Wenn das Geschäft nicht ginge, machte man sich aus der ganzen Angelegenheit nichts, aber einen Posten verlassen müssen, den man selbst aufgebaut hat & heute gut ist, das will einen nicht in den Kopf. Und nun noch einmal, über unsere Angelegenheiten erwähne nichts in einem Brief, den die Grosseltern lesen, Du kennst sie ja, wie sie angeben würden, ich möchte mir das ersparen. Alles was uns betrifft, schreibe separat, sie wissen wohl, von Dir und Deiner Stellung, nur nichts von uns. Heute sage ich mir selbst kommt Zeit, kommt Rat, aber wir trachten doch danach, weg gehen zu können. Es wird hier nicht mehr viel, Du sprichst ja bald Herrn Kaufmann. Bis zum Herbst gehen hier 26 Familien weg, die meisten nach U.S.A. Dass Du uns nur helfen kannst, wenn Du verdienst, ist schon richtig, denn Eltern können nicht mehr durch Kibbuzim angefordert werden. Uebrigens haben Kaufmanns und Sterns alle Rechnungen über Krankheiten bekommen, genau wie wir, sie denken aber alle nicht daran, sie zu bezahlten, denn in dem Vertrag steht, Operationen, wofür die Kasse nicht aufkommt, müssen wir zahlen, aber nichts von kleinen Zahnbehandlungen oder einer Brille. Wir lassen die Sache jetzt einmal laufen, sie werden sich bei Gelegenheit wieder melden, und dann wollen wir weiter sehen. Ich sende nun Deinen Brief Pips nach, auch er wird sich freuen, dass die Sache doch noch gut gehen wird.
Tausend gute Wünsche und noch mehr Küsse Deiner
Mutter
Mit Sali hatten wir beide den gleichen Gedanken & Du siehst, mit Erfolg! Sie haben es auch nicht mehr leicht, aber doch besser als wir.
Anbei 2 Scheine.