Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 6. März 1938

Krefeld, den 6.3.38.

Mein lieber Junge! Nun will auch ich Dir Deinen Brief beantworten. Ich hätte dies schon von der Reise aus tun können, habe es mir aber aufgehoben bis zu Hause, da es ja nicht mehr so sehr eilig war, denn Du hast ja unterdessen schon wieder längst unsre andren Briefe, die eigentlich schon Deine Fragen alle beantworten. Wir müssen also die Karre laufen lassen und hoffen, dass Hans Beith und Richard die Sache für Dich schon in der besten Art erledigen werden. Richard schrieb uns nun einen Brief, den wir heute erhielten, nachdem er mit Frau Strauss gesprochen hatte. Er schreibt es seien jetzt wegen der Sache Komplikationen eingetreten, leider schreibt er nicht, welcher Art diese sind; nun scheint sich alles vielleicht etwas schwieriger zu gestalten und zu verzögern, aber wir hier können nichts dazu tun und müssen es Euch überlassen. Es ist ja bedauerlich, dass wir als Deine Eltern so zur Seite stehen müssen und uns auf den guten Willen der andren verlassen müssen. Aber Richard wird es schon richtig machen und auch zu Hans Beth habe ich das Vertrauen, dass er Dich nicht schlecht berät. Nun heisst es eben abwarten, was wird.

Von uns nichts weiter. Herr Mstr schrieb, er würde, nachdem ich in diesem Jahre nicht hinkäme, mich zu Ostern hier in Krefeld besuchen, oder eine Zusammenkunft an einem dritten Orte vereinbaren, wo die Angelegenheit nochmals besprochen werden kann. Ich weiss selbst nicht, was nun wird. Ich habe ihm geschrieben, ich hoffte doch nochmals auf eine Einigung, denn es läge doch zu einer Trennung absolut kein Grund vor. Unterdessen bemühe ich mich natürlich auch anderweitig. Die eine Fa. hat abgesagt, ich hatte zuerst schon kein rechtes Vertrauen darauf. Klappt es mit Mstr nicht mehr, dann ist es auf alle Fälle für mich nicht leicht, denn eine Umstellung gibt es so und so. Auch hier kann ich nichts weiter tun, als mich umsehen und weiterarbeiten. Ich fahre wie sonst Montag früh auf Tour und bleibe die ganze Woche weg. Das Geschäft klappt nach wie vor, mal ist es eine Woche besser, dann wieder etwas schlechter, es ist eben der Zustand wie er immer gewesen ist. Im Grossen und Ganzen kann ich damit zufrieden sein. So wird es eben noch bis Ende Juni weiterhin gut gehen und dann wird eine neue Zeit anfange, mit neuen Sorgen und hoffentlich mit neuer Arbeit. Das Wort „Chasak”, das ich Dir immer zugerufen habe, gilt dann auch für mich. Es ist nur das Schlimme, immer wieder von vorne anfangen! Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste und es fällt mir heute schon manches Mal ziemlich schwer, aber man muss eben durchhalten.

Auf alle Fälle halte ich auch Dich auf dem Laufenden.

Über drüben schreibt uns Richard in ziemlich trüben Worten. Es ist zwar nur etwas wiederholt und in noch trüberem Masse das, was ich selber mit eigenen Augen gesehen habe. Hoffen wir, dass es Richard selbst mal vor allem auch gelingen möge, sein Zertifikat zu erhalten und dass dann seine Pläne gelingen. Das wird auch für Dich sehr gut sein und dann ist mir auch um Dich nicht bange, dann wirst auch Du Deinen Weg viel leichter gehen können, als wenn Du dauernd allein bist. Du hast ja nun wohl schon die allerschlimmste Zeit, die Zeit der Eingewöhnung und des Erlernens der Sprache hinter Dir und wirst Du auch weiterhin durchhalten. Wir hoffen doch - so wie Ihr drüben wohl auch - dass demnächst die Kommission etwas Gutes für das Land bringt, dass wieder Friede einkehren wird und der Aufbau von neuem weitergehen kann und dass dann auch für alle im Lande bessere Zeiten anbrechen. Leider geht nur alles sehr langsam vor sich.

Heute wird wohl Herr Kaufmann drüben gelandet sein. Ich nehme an, dass Du ihn bei Erhalt dieses Briefes bereits gesprochen hast. Du wirst ja dann alles über uns hören.