Erna Loewy an Sohn Ernst, 16. März 1938
D. Gerresheim 16/3.38.
Lieber Ernst!
Haben Dir in diesen Tagen nicht manchmal die Ohren geklingelt? Wir haben einigemal von Dir gesprochen. Ich gratuliere Dir zu der neuen Sache, ich glaube das ist für Dich richtig. Deine l. Mutter ist seit Montag bei mir, um mich etwas zu pflegen & mir Gesellschaft zu leisten, da ich krank bin. Es ist dies sehr nett von ihr & sehr schön für mich. Morgen muß Mutter leider erst wieder nach Hause. Inzwischen hast Du wohl auch schon untern Vater gesprochen, der Dir ja auch ein paar Kleinigkeiten mitgebracht. Also weiter alles Gute l. Ernst & heute noch herzl. Grüße
Frau Kaufmann
Lieber Ernst!
Von Deiner neuen Heimat habe ich noch nichts erhalten, will aber hoffen, dass es Dir gut gefällt. Ich bin seit Montag hier, wenn es eben zu machen ist, fahre ich nächste Woche nochmals auf ein paar Tage hierher. Frau K. hätte es
sehr gerne & ich bin auch gerne hier. Hast Du Herrn K. schon gesprochen. Hoffentlich kann er mir viel Nettes von Dir berichten. Ich bin ja auf alles so riesig gespannt. Vielleicht morgen mehr, für heute tausend Grüsse & Küsse Deiner
Mutter.
Freitag, den 18.3.38 Krefeld.
Mein lb. Ernst!
gestern bekam ich Deinen ersten Brief nach Gerresheim nachgesandt, und kannst Du Dir denken, welch eine Freude ich hatte. Ich bin glücklich mit Dir, und will ich hoffen und wünschen, dass der erste Eindruck bleibt. Sei nur recht fleissig und ordentlich, dann werden die Leute auch mit Dir zufrieden sein. Hoffentlich hast Du eben solches Glück mit dem jungen Mann, mit dem Du zusammen wohnst. Da Du immer von wenig grosser Ehrlichkeit schreibst, sei ja auf Deine Sachen bedacht, nicht, dass Du Teilhaberschaft bekommst. Dein Geld gib nur jemanden zum Aufheben, denn man kann niemanden trauen. Ueber Deine Einkäufe musste ich herzlich lachen, eigene Möbel hast Du Dir ja als kleines Kind schon immer gewünscht. Schade, dass ich Dir Deinen Kleiderschrank und Dein Nachtkästchen nicht schicken kann, es wandert nächste Woche auf den Speicher. Ich habe Dein Zimmer und unser kleines Wohnzimmer leer an eine Dame vermietet, um billiger zu wohnen und nicht umziehen zu müssen. Wir machen jetzt unser Schlafzimmer zur Strasse und das Herrnzimmer zum Hof, sonst müssten wir durch das Schlafzimmer, um ins andere Zimmer zu kommen, da ich doch nicht mehr durch das kleine Zimmer gehen kann. Auf diese Weise sparen wir Mk. 25.- im Monat und können wohnen bleiben, was wir nicht könnten, sollte alles schief gehen. Wir beide haben ja auch so reichlich Platz, und ich viel Arbeit weniger. So verwohnen wir keine Mk. 30.- mehr, Vater wäre sehr ungern umgezogen. Wie gesagt, schade um die Möbel, die nun auf dem Speicher stehen. Dass man Dich gleich zur Bank geschickt hat, ist wirklich ein Zeichen von Vertrauen, was mich besonders freut; ich brauche Dir ja wohl keine Ermahnungen zu geben, immer ehrlich und brav zu bleiben. Du hast nur Gutes zu Hause gesehen und gehört und wirst Deine gute Kinderstube wohl nie vergessen, darum bin ich unbesorgt. Was ich mir nur oft überlege, ist, ob Du auch für das bisschen Geld anständig essen kannst. Man braucht keinen Ueberfluss, aber ein Junge in Deinem Alter hat kräftige Sachen nötig. Schreibe doch mal, woraus Dein Mittag und Abendessen besteht, und wie Du Dir alles eingerichtet hast. Gut, dass Du Dein Bett und Wäsche hast, so kann man sich wenigstens für den Anfang behelfen. Frau Kaufmann, der ich Deinen Brief vorlas, hat laut geheult, weil sie sich mit Dir so gefreut, und wünschte auch so etwas für Küken. Sein Vater wird sich ja jetzt drum bemühen, wenn Du mal was für ihn weisst, denke mal dran, Kaufmanns sind ja in der glücklichen Lage, weiter transferieren zu können. Montag fahre ich nochmals hin, und fange ich an, umzuziehen. Musst Du auch den Laden sauber halten, oder ist das dort keine Lehrlingsarbeit? Wenn Du Dich mal ein bisschen eingelebt hast, erzählst Du uns mal alles, d. h. Herr Kaufmann wird uns wohl auch manches berichten können. Ulkig, ihn auf der Strasse zu treffen. War Küken dabei, dass er Dich kannte? Bist Du jetzt viel mit Richard zusammen, oder habt Ihr nicht viel Zeit füeinander? Frau Simon soll ja jetzt auch drüben sein, vielleicht siehst Du sie mal. Viel, viel Glück mein Junge, wir sind froh mit Dir. Ich sende Dir morgen MK. 10.- das andere wird wohl noch dauern, es geht weniger schnell als Du annimmst. Von hier nichts Neues, an Richard bestellt viele Grüsse. Hoffentlich ist Dein nächster Brief wieder ebenso vergnügt als dieser, dann haben wir wenigstens eine Freude. Vater wird gleich auch froh sein, wenn er Deinen Brief liest. Viel herzliche Grüsse und Küsse Deiner
Mutter.
Wo ist der Herr Stein her & was sprecht Ihr in der Hauptsache?