Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst und Richard Errell, 1. April 1938
Freitag, den 1.4.38.
Mein lb. Ernst, & lb. Richard!
Heute kann ich Euch eine Menge Post bestätigen, den Brief von Richard, Deine netten Bilder lb. Ernst, die K.L.M. Karte vom 24. und den Brief vom 26.3. Wegen des Geldes muss ich Dir leider mitteilen, dass wir noch keine Aufforderung bekommen haben, und noch nicht in der Lage waren, etwas einzahlen zu können. Hoffentlich stehst Du nun nicht ohne Geld da, denn nach Deinen Berichten zu urteilen ist Dein Beutel ziemlich leer, oder hast Du inzwischen unsere Postanweisung erhalten. Hoffentlich lassen sich die guten Leute nicht zu viel Zeit und senden uns bald die Unterlagen. Kannst Du Dir, wenn es noch lange dauern sollte, bei Richard etwas leihen? dass wir es sofort absenden, wenn die Erlaubnis hier ist, versteht sich von selbst. Den Brief, wovon Du die Copie hast, haben wir bis heute noch nicht.
Auch wir denken viel daran, dass Du mein guter Junge schon über 2 Jahre weg bist. In der Zeit hat sich manches zugetragen, und nicht immer Schönes. Ich sehe das am besten an mir, wenn ich in den Spiegel sehe, meine Haare sind bald alle grau, auch Vater fängt ganz lieblich damit an. Du hast ja nun ein gut Stück Arbeit hinter Dir, und ich will hoffen und wünschen, dass Dir Dein neues Leben besser gefällt, wenn es für den Anfang für Dich auch nicht ganz einfach sein wird. Du wirst sehr rechnen müssen, und ich habe immer Sorge, dass Du zu Deinem Recht kommst. Wenn Du zu der Dame ziehst, gefiele mir besser, als mit irgend einem fremden Menschen ein Zimmer teilen zu müssen. Erstens weisst Du wer sie ist, und dann sieht doch eine Frau immer mal nach dem Rechten. Nur wird es wieder teurer, und ob Du Dir das leisten kannst, entzieht sich meiner Beurteilung. Ich bin nur immer wieder froh, dass Du Dir bei Richard Rat holen kannst, der Elternstellvertreter. Wie war die Abschiedsfeier, und wie steht es mit den Jungens, die da verunglückt waren. Hast Du übrigens Deinen Probemonat bestanden, und wie gefiel Dir das erste selbstverdiente Geld. Woraus Deine Arbeit besteht, hast Du uns noch nicht erzählt. Mit der Zeit wirst Du auch dort mehr Freunde bekommen, vielleicht schon durch den Umzug zu der netten Dame.
Und nun auch mal wieder etwas Erfreuliches von uns, was Euch beide sehr freuen wird. Vater hatte doch in der Rundschau annonciert, worauf sich eine einzige Firma gemeldet hatte, und zwar Pasmantier, Berlin. Erst einige Briefe hin und her, dann ein telefon. Anruf, Vater möchte nach Berlin kommen, und am Dienstag ist der Pips losgegondelt. Mittwoch hatte ich schon Nachricht, dass es klappt, eine Tour, die seit vielen Jahren bearbeitet wird, dazu eine blendende Kollektion. Mehr weiss ich selbst noch nicht, Vater kommt heute zurück, und wird Euch das Nähere selbst berichten. Wenn man sich auch heute über nichts freuen kann, es ist eine jüd. Firma, die eines Tages auch in andere Hände übergeht, so ist aber für die nächste Zeit mal wieder unsere Angst vor dem Nichts vorbei. Hoffentlich arbeitet sich Vater schnell für die Leute ein, haltet mal den Daumen. Wenn wir nur solange verdienen, wie Du lb. Ernst uns brauchst, mir fiele ein Stein vom Herzen.
Hat Dein Chef vor, auch nach U.S.A. zu gehen, dass er dort hinreist? Ich will hoffen, dass er seinen Laden behält, und Du erst ordentlich was bei ihm lernen kannst. Tante Tini schrieb, es gehe ihr gut, der Frühling sei so schön bei ihnen eingezogen. Meine Wohnung habe ich gestern umgeräumt, es ist ganz gemütlich geworden. Wir beide haben auf jedenfall Platz genug. Die Dame hat ab heute gemietet, ist aber noch nicht eingezogen. Wann sie kommt weiss ich nicht, kann es auch abwarten. Auf jeden Fall spare ich monatlich Mk. 25.- womit man schon wieder allerlei anfangen kann. Vielleicht komme ich auf diese Art und Weise einmal zu einer Reise nach Erez, ich darf garnicht daran denken. Hat sich Frau Lilienfeldt schon gemeldet mit dem Gürtel und der Schoko, und bist Du endlich im Besitze der Schuhe. Sie sind wenigstens immer noch neu. Nun soll Vater weiter berichten, ich bin selbst sehr gespannt. Es wäre ein Segen, wenn alles gut wäre.
Lebt wohl Ihr lieben Beiden und nehmt herzlichste Grüsse und Küsse
Eurer Mutter & Erna.
Wie hat Dir der Kartoffelkuggel bei Max Levy geschmeckt? Zu Hause mochtest Du ihn doch nicht. Übrigens kam Deine K.L.M. Karte nicht schneller, als Richards Luftpostbrief.
Schade für das viele Porto.
Mein lieber Junge! Nachdem ich nun glücklich von Berlin zurück bin, finde ich Deine Nachrichten vor. Wie die l. Mutti schon schrieb, ist bis heute noch keine Nachricht von der Paltreu gekommen, wir können also noch gar nichts unternehmen, denn ich muss doch erst mal abwarten, was ich event. tun muss. Ich muss ja vielleicht nochmals zur Devisenstelle nach Düsseld., ich weiss den Gang der Dinge noch nicht, sondern muss eben abwarten.
Kann auch sein, dass in Berlin an den dortigen Stellen alles erledigt wird und ich gar nichts zu tun brauche. Ich kenne ja die Formalitäten nicht. Du musst eben auch Dich in Geduld fassen und sehen, wie Du solange durchkommst. - Über Deinen Probemonat schreibst Du kein Wort, ich hoffe aber, dass alles geklappt hat. - In Berlin war es soweit ganz nett. Der geschäftliche Teil ist gut gelungen, nun kommt es darauf an, dass ich für die Leute richtig arbeite. Ich hoffe, dass auch das klappen wird. Spass macht's ja nicht, immer wieder neu anfangen. Aber es muss eben weitergemacht werden. Die Kollektion ist wunderschön, so wie ich noch nie eine gehabt habe. Mit dem Herrn selbst scheint ein ganz gutes Arbeiten zu sein. - - In Berlin wollte ich gerne Kurt Seligmann treffen, ich habe bei Hans angerufen, aber der sagte mir am Telefon, Kurt sei abgereist, und dabei wartete Kurt einen ganzen Tag auf mich in Berlin. Kurt war heute früh hier - in meiner Abwesenheit - und hat dies Mutter gesagt. Er wäre sogar mit mir hierher gefahren. Da ich den Wagen mit in Gütersloh hatte, hätte Kurt noch viel billiger - von Bielefeld aus - mit mir herfahren können. Ich bin gestern Abend um 9 Uhr gekommen, Kurt ein paar Stunden später mit dem Zug. Ich sage es ja immer, auf Hans ist durchaus kein Verlass. So hat er mir in Berlin hoch und teuer versprochen, mir am nächsten Tage für mich und Dr. Bäcker Einlegesohlen nach seinem Patent zu schicken, sie müssten schon drei Tage hier sein, wenn er Wort gehalten hätte, aber der Junge ist ein ganz unsicherer Kantonist. Wenn er in seinem Beruf genau so ist, dann danke ich schön. - - Heute bekam ich aus Buenos Aires einen Brief von Sadler, der mir über die dortige Einwanderung schrieb, es sei ziemlich aussichtslos, ich möchte doch nochmals bei seinem Bruder Bruno, der zurzeit in Nürnberg sei, anfragen. Der führe Mitte April wieder hinüber. - Was Richard wegen des Zertifikates schreibt stimmt doch nicht ganz. Es mag sein, dass man drüben es sehr schwer bekommt, Dr. Neuberger sagte mir aber, wie in Berlin die Zertifikate verteilt würden, dass solle man nur denen in Berlin überlassen, die Hauptsache sei, dass die LP drüben hinterlegt seien, - als ich ihn sprach, sagte er mit, erst vor 4 Tagen sei ein solches Zertifikat vergeben worden, wo ein ausländischer Verwandter die Kaution gestellt hätte. Vorerst ging das noch, ob aber später, das wüsste er natürlich auch nicht. Aber ich habe ja nun leider keinen Menschen im Ausland, der die LP zu hinterlegen im Stand wäre. So muss man eben weitermachen, und hoffen, dass es noch solang geht, bis Du uns anfordern kannst. Hoffentlich geht es noch so lang. - - Dann bekamen wir heute eine gemeinsame Karte von Isidor Blankensein und Heinrich Stern, Elschens Vater, aus Brüssel. Isidor war schon seit längerer Zeit in Amsterdam und will nach Paris, Heinrich ist in Brüssel schon seit ein paar Monaten, was wir nicht gewusst haben, er arbeitet dort bei dem Komitee, anscheinend haben sich die beiden am Komitee in Brüssel zufällig getroffen und kennen gelernt. Ein Zufall.
Die Bilder sind fertig, das eine grosse ist ja ganz falsch, ist ja ein Negativ, der junge Mann bei Horster sollte es richtig machen, aber hat es - genau wie der Fotomann in Tel Aviv - wieder verkehrt gemacht. Deine rechte Backe ist gar nicht Deine rechte Backe, sondern Deine linke Backe infolgedessen ist auch der Ausdruck Deines Gesichtes gar nicht richtig. Das kleine Bild ist natürlich viel besser. Den Film bekommst Du anbei zurück, aber die Bilder senden wir extra, damit dieser Brief pr. Luftpost gehen kann.
Von Ernst Lamm kam heute auch einen Karte, er schreibt, einige seiner Chawerim gingen nach Italien, er würde später wohl auch auf Auslandshachscharah gehen, nach Italien oder Dänemark und 1939 nach Erez. Ich bin diese Woche in seiner Nähe vorbeigefahren, durch Rathenow, aber ich hatte ja keine Zeit. - - Nun Schluss für heute also alles Gute für Dich, mein Lieber, und auch für Richard, mit dessen Zeilen ich mich gefreut habe.
Viel Küsse Euch beiden und Chasak Dein Vater.
Anbei 2 Scheine.