Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 13. April 1938

13.4.38.

Mein lieber Junge! Beinahe hätte ich darauf vergessen: Du hast ja am 25. April Geburtstag und da wollte ich Dir doch auch meine Wünsche aussprechen, aber vor lauter Erzählen dachte ich schon beinah nicht mehr daran. Also alles, alles erdenklich Schöne und Gute, mein lieber Bub!! Recht viel Glück im ersten Jahre Deines Berufslebens und dass es immer weiter gut gehe! Ein kleines Angebinde zu diesem Tage hat Dir die liebe Mutter ja schon vor ein paar Tagen gesandt und hoffen wir, dass es gut über kommt. Feiere den Tag ein bisschen und wir sind dann in Gedanken bei Dir. Ich wünsche Dir auch zu Jomtof alles Gute, Du wirst ja wohl frei haben, vielleicht gehst Du doch auch mal in die Synagoge, ich würde mich freuen, hierüber mal von Dir zu hören. Ich werde ja wohl wie immer am Jomtof mal aufgehen und werde ich Dir wie immer ein Mischeberach machen. Nun leb wohl und viele Küsse und wie immer: chasak! Dein Vater.

Ich war heute morgen schon mit einem Herrn aus Köln zum Sammeln für den KKL und erwarte den Herrn gleich wieder, um jetzt Nachmittags 4 Uhr mit ihm wieder loszugehen. Der Ertrag ist bisher nicht gross, aber es ist auch keine Kleinigkeit, denn jeder hat seine eigenen Sorgen und in seiner eigenen Familie zu tun, dass es vielen nicht leicht ist, auch noch für solche Zwecke, wie der KKL ist, was zu geben. Dazu wird auch sehr oft gesammelt, neulich erst für den Keren Hajessod und all das andre.

Mein lb. Ernst!

Vater ist gerade abgeholt worden, und so will ich Dir für Deine lb. Geburtstagswünsche danken und sie gleich erwidern. Alles alles Gute mein Kind, bleib gesund und zufrieden. Leider können wir Dir ja keinen Tisch decken, hoffen aber, dass Du nicht ganz leer ausgehst, und Du Dir zu dem Tag extra was leistest. In Gedanken sind wir bei Dir und nochmals meine innigsten Wünsche. Vater hat mich dieses Jahr ganz besonders verwöhnt. Wein, Schnaps, eine Decke, Strümpfe, Hemdchen, Seife, Schoko, Tischbesen, Schirm, Tasche, Füllhalter, um Dein Bild ein nettes Rähmchen, Blumen & ich weiss sonst nicht was alles. Halt, auch Zigaretten! Ich war wirklich ganz sprachlos. Von den Grosseltern und allen andern nützliche Dinge & viel Blumen, ich kann auf jeden Fall zufrieden sein, und war ganz überrascht. Weniger schön ist, dass ich nun 46 Jahre bin, also bald zum alten Eisen gehöre.

Dass Du umgezogen bist, freut mich sehr. So wissen wir Dich in besserer Obhut, als wenn Du mit einem ganz fremden Menschen ein Zimmer teilen musst, die Dame wird schon nach dem Rechten sehen. Grüsse sie unbekannter Weise von uns. Gestern ist auch unsere neue Mieterin eingezogen. Es scheint eine sehr nette Dame zu sein, hoffentlich geht sie einem auf die Dauer nicht so auf die Nerven als Frau Wertheim.

Alles andere schrieb ich Dir ja erst dieser Tage. So lass Dich nur noch in die Arme nehmen und Dir einen herzhaften Geburtstagskuss geben. Hoffentlich erhältst Du die Taschentücher zeitig, damit Du wenigstens etwas von uns hast. Dass sie sich wegen des Geldes nicht rühren, macht mich ganz nervös. Nochmals alles Gute mein Pipslein, und tausend Küsse
Deiner Mutter.

Sollte Herr Stein nicht da sein, bitte ich Dich, den inl. Brief Herrn Kaufmann zu übergeben; Du willst diesen Herrn bitte ebenfalls von mir unb. W. grüssen.

Anbei 2 Scheine.