Erna Loewy an Sohn Ernst, 10. Mai 1938
Dienstag, den 10.5.38
Mein lb. Junge!
Zu meinem grössten Erstaunen erhielt ich gestern einen Brief von Dir & zwar schon den vom 5. ds. Schneller ging es wirklich nicht. Ich freue mich sehr & sende den Brief eben an Pips weiter, damit der auch eine Freude hat. Die ist bei uns so recht selten. Vor allem bin ich sehr glücklich zu erfahren, dass Deine Geldsache in Ordnung geht, wir haben immer noch nichts gehört. Hoffentlich ist auch das bald erledigt. Du musst demnächst dann wieder früh einreichen, man weiss ja jetzt, wie lange das dauert. Die Kravatten hast Du aber auch schnell erhalten. Vater hat Dir damals den Reisebericht nicht geschickt, weshalb weiss ich eigentlich auch nicht. Du bekommst ihn dann dieser Tage. - Wenn auch unsere Briefe im Moment etwas freudiger klingen, so ist das aber nur vorübergehend & nicht auf lange Frist. Wir bedauern es unendlich, vorläufig keine Möglichkeit zu haben, um wegzukommen. Das wäre der einzig richtige Weg, alles andere ist für uns falsch. Du freust Dich doch sicher immer, wenn man Dich von K.A. aus besucht. Warst Du mit Micha befreundet & hättest dann etwas Anschluss, wenn er nach Tel-Aviv kommt? Dann ist ja bald niemand mehr von Euch dort als Walter & Küken.
Mittwoch! Ich wollte den Brief eigentlich erst Ende der Woche absenden, da wir gerade 2 Briefe hintereinander geschrieben haben, aber heute kam die Genehmigung von der Devisenstelle & möchte ich
Dir das umgehend mitteilen. G. s. D. können wir nun das Geld sofort einzahlen & zwar von März an, also 180.- Mk. Sonst gibt es hier nichts Besonderes. Ich habe seit gestern Besuch von Frau Kaufmann, Kükens Mutter, die bis Freitag bei mir bleibt. So habe ich mal ein bisschen Gesellschaft, heute waren wir im Stadtwald & haben zum ersten Mal im Freien in der Sonne sitzen können. Eine wahre Wohltat. Rich. schreib übrigens, Du seiest dicker geworden, hast Du Dich mal gewogen?
Ich will den Brief noch zum Kasten tragen, damit er heute noch fortgeht, drum Schluss. Du wirst Dich mit der Nachricht ja auch freuen, denke aber daran, wieder früh genug einen Antrag zu stellen, es dauert ja Monate, bis man die Erlaubnis erhält.
Viel Gutes & innige Grüsse & Küsse auch an Richard
Deiner Mutter.
Lieber Ernst! Wir zu Hause sagen noch „Eli”.
Ich habe ein paar ruhige schöne Tage bei Deiner l. Mutter hier verbracht & sende Dir herzl. Grüße
Frau Kaufmann