Richard Loewy an Sohn Ernst, 25. Mai 1938
Elite-Hotel
Bielefeld, 25/5.38
Mittwoch.
Mein lieber Junge!
Da ich am Samstag & Sonntag keine Zeit hatte, Dir zu schreiben, da ich zu Kfms mußte, sollst Du heute Abend einige Zeilen haben. Ich bin heute Abd hierher gekommen und bleibe morgen hier; morgen ist Himmelfahrtstag, der neuerdings in Deutschland gesetzlicher Feiertag ist, es ist alles zu & ich kann mich morgen hier ausruhen. Da die l. Mutti in Düsseldorf ist, hat es keinen Wert heimzufahren & soviel Zeit mit dem Fahren zu versäumen; ich sitze dann auch nicht soviel am Steuerrad, was ohnehin kein Vergnügen ist. Das Geschäft braucht ohnehin genug Nerven, es ist ja alles kein Vergnügen mehr. Diese Woche klappt es ja wieder ein bißchen besser, aber es ist kein Schwung drin & auch sonst ists ja nicht mehr schön. Für Mstr mache ich diese Tour wohl zum vorletzten Male; ich sage es jetzt schon den Leuten & ist man allgemein sehr erstaunt darüber & findet es als großes Unrecht. Aber es ist nun mal so! - Ich wollte, ich hätte das alles überstanden & wäre Chawer in K.A.!! - Sonst geht es mir soweit gut. - Daß wir immer gute Nachricht von Dir haben, ist unsre größte Freude, hoffentlich dauert es nicht mehr all zu lange, bis wir zusammen sind. - Deine Nachrichten über Buchbinden & Chauffeurspielen waren ganz interessant, aber was Du von dem neuen Herrn in Tel Aviv schriebst, kann man doch auch nicht verallgemeinern; Herr Kfm hat in Haifa einen Vetter, der als Buchbinder soviel zu tun hat, daß er es nicht schaffen kann & er verdient gut dabei. Man muß eben mal abwarten. - Wegen Iwrith: leider hat man ja bei uns gar keine Möglichkeit; vorerst wollen wir etwas englisch lernen; vielleicht treiben wir im Winter selbst etwas Iwrith nach dem [..], was natürlich ohne Lehrer sehr schwer ist.
Von der l. Mutter hatte ich heute eine Kte, sie schreibt, daß beim Ausverkauf bei Kfms über Erwarten zu tun sei. Am Samstag fahre ich auch hin zum Helfen. - Dann war ich bei Lilienfeldts, die wollen uns alle am Sonntag mit Kaufms besuchen; wir hören also dann viel von K.A. - Werner & Chanah sind nicht mehr dort, sondern in Afuleh. Werner hat Arbeit - er will ja 1939 seine Eltern anfordern & Chanah näht & hat viel zu tun. - Bei Kfms hilft auch die Mutter von Chawah, die ich also auch kennen lernen werde. - Zu Pfingsten will ich mich mal bei Hübschmanns erkundigen, wann ich ihnen Bücher für Dich bringen kann; denn ich denke, daß sie im Juni fahren werden. Hast Du besondere Wünsche an meinen Bücherschrank?? Schreib bitte baldigst, was ich Dir senden soll?
Von Tante Tini hatte ich auch Brief. Schreibe ihr bitte mal wieder ein paar Zeilen! - Auch Tante Hilda schrieb; sie ist jetzt in Bayreuth in Stellung. [..] ist es sehr traurig. Onkel Josef sitzt zu hause & kann nichts verdienen & Tante Hilda arbeitet.
Hörst Du nochmal was von Grünfelders? Ihre Tochter ist doch in Migdal; in der Rundschau las ich von neuem Angriff auf Migdal.
Fritz Seligmann ist z. Z. in Krefeld & arbeitet dort mit Brennern für Gasherde. Er wollte seine Frau & Kinder über Pfingsten kommen lassen, wir habe es ihm aber ausgeredet, denn seine Mutter kann in der kleinen Wohnung nicht 4 Personen zu Besuch brauchen; Tante Clara ist gar nicht gesund, sie ist schon länger in ärztlicher Behandlung & hat das gleiche Leiden, das vor ein paar Jahren auch Deine Mutter hatte. Hoffentlich braucht sie nicht operiert zu werden. - Bei uns den alten Herrschaften gehts wie immer; Opa knatscht wie immer, er geht noch immer kaum aus dem Hause; er ist auch nicht mehr viel mit ihm los; er ist recht alt geworden; Oma ist wie immer. - Der lieben Mutter geht es gttlob gut; sie hat nur Sehnsucht nach ihrem Pipslein, wie ich auch. Denkst Du auch recht oft an Deine Mutter? Sie verdient es, und sie trägt die Trennung von Dir wirklich bewundernswert; hoffentlich sieht sie Dich bald auch mal, aber die Aussichten zu einer Reise für sie sind gleich null. - Schwer ist das! - Aber wir freuen uns jeden Tag,
daß wir es so gemacht haben, Du bist doch schon viel weiter als all Deine Freunde, die noch da sind & nicht wissen, was sie anfangen sollen. - Nun genug für heute. - Alles, alles Gute & viel Küsse [..]
Dein Vater.
Gruß an Richard.
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