Richard Loewy und Familie an Sohn Ernst, 6. Juni 1938
Krefeld, am 6. Juni 38
Mein lb. Ernst!
Deine Karte vom 28.5. haben wir Dir gestern von Godesberg aus bestätigt. Zu beantworten habe ich Dir nichts darauf, nur freue ich mich, dass es Dir recht gut geht & Du auch endlich mal ein bisschen dicker wirst. Gebrauchen kannst Du es schon. Hast Du Dich nicht mal gewogen? Als Du hier weg gingst, wogst Du genau 99 Pfd, Schneidergewicht! Lass Dich mal wieder knipsen, damit ich es auch mal sehe.
Ich bin auf 2 Tage zu Hause, übermorgen fahre ich wieder nach Gerresheim, um noch cir. 14 Tage dort zu helfen. Ich mache es gerne, weil es Geld einbringt, da alles so schwer ist; nur Ausgaben & der Verdienst wird immer kleiner. Es lässt sich dort gut arbeiten, da wir befreundet sind & ich nicht zum Personal zähle. Ich wollte, ich könnte immer mit verdienen, damit der Pips nicht alleine alles aufzubringen hat. Aber in diesen Zeiten ist es schon viel, wenn er überhaupt noch arbeiten kann. Neues kann ich Dir garnicht erzählen, ich bin nicht rausgekommen, & heute habe ich mich mal rund herum ausgeschlafen. Nun, mein lb. Kind, lass es Dir weiter recht gut gehen, ich freue mich, schon wieder auf Deinen Brief. Küken hat eine Stelle in Nahalal gefunden, bei einem Brossbauer, Max Isus. Muss ein Riesenbetrieb sein. Viel Gutes & innige Küsse Deiner
Mutter.
An Richard viel Grüsse!
Lieber Ernst
Von allen Seiten, hören wir, daß Du so dick geworden bist, und da wäre es doch sehr interessant, zu erfahren, wie schwer Du heute bist. Wie Du uns verlassen hast, wogst Du 99 Pfd, vielleicht hast Du jetzt die 100 erreicht?
Mit herzl. Gruß & Kuß Dein Großvater & Deine Großmutter.
Mein lieber Junge! Ich will Dir ein paar Zeilenn beifügen, obwohl ich nicht weiss, was ich Dir heute schreiben soll. Ich bin zuhause und wollte morgen auf Tour fahren, kann es aber nicht, da ich eine Reparatur am Wagen habe, die morgen den ganzen Tag dauert und so wird es eben Donnerstag bis ich diese Woche mal wegkomme. Es ist ohnehin nicht viel los, sodass ich auch kaum was versäume. Wir haben nun endlich mal sowas wie Sommer, heute war es ganz schön warm, wäre das doch vor ein paar Wochen gewesen, dann wäre auch ein besseres Geschäft gewesen, aber so ging Seide überhaupt nicht, es war ja viel zu kalt. - - - Ich war die ganze Woche auch mit in Düsseldorf und habe geholfen, wir hatten ganz nette Tage da. Vielleicht fahre ich Ende der nächsten Woche noch einmal auf einen Tag mit beim letzten Verkauf. Am Pfingstsonntag waren wir in Godesberg, die Karte hast Du bei Erhalt dieses Briefes ja längst. Wir haben eine sehr nette Tour hingemacht, aber auf dem Heimweg sind wir total verregnet, was aber im Auto nicht viel ausgemacht hat.
Die l. Mutter fährt morgen wieder hin und lässt mich hier mit meinem Schmerz allein, na ich fahre übermorgen ja auch auf 2 Tage weg, hoffentlich gibt das Geschäft nur noch was. Ich verspreche mir nicht mehr viel für den Sommer und mit Meister ist überhaupt nicht mehr viel los, die Leute liefern sehr langsam, überall wohin ich komme sind Rückstände, sodass die Leute ja nichts Neues kaufen können, solange die Sachen die sie im Januar/Februar bestellt haben noch nicht geliefert sind. Das ist ein Jammer, die ganze Kundschaft ist unzufrieden und wird verdorben. Miessigkeiten überall.
Dass es Dir, mein lieber Junge gut geht, ist für uns die Hauptsache. Du weisst nicht, wie wir uns immer nach Deinen Nachrichten sehnen und wie wir uns damit freuen. Hoffen wir nur, dass alles bald drüben besser wird udn auch eine endgültige Regelung kommt und damit eine grössere Schedule. Damit auch allgemeine Erleichterung und bessere Aussichten.
Tante Jettchen hatte heute Geburtstag, wir waren heute Nachmittag auf einen Sprung hin um ein Bolchen zu essen. Schade, dass man Dir keines schicken kann. Uebrigens wohnt jetzt Max Meyer auch bei Goldsteins im Haus, unten im Flügel. Baums sind nach Columbien ausgewandert.
Gestern Abend machte ich mit Mutti noch einen kleinen Spaziergang zur neuen Kaserne, hinten am Kempener Feld. Riesige Bauten, die wohl bald fertig sind. Wir bekommen dann wieder viel Leben bei uns auf der Strasse, da wohl alles hier bei uns vorbeigeht.
Ich sandte Dir heute auch als Drucksache meinen Reisebericht. Hoffentlich kommt er gut an. Ganze 10 Pfg Porto hat es gekostet. Die Post arbeitet doch billig. Ich wollte ich könnte auch mal so billig hinkommen.
Neues habe ich sonst nichts. Lass es Dir recht gut gehen, mein lieber Junge, bleib mir gesund und schreib bald wieder ausführlich.
Viel Grüsse an Richard. besonders aber an Dich und viel Küsse und Chasak!
Dein Vater.
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