Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 12. Juni 1938
Krefeld, 12. Juni 38. Sonntag-Nachm.
Mein lieber Ernst!
Der schönste Zeitvertreib heute Nachm. sind ein paar Zeilen, an Dich. - Deinen lieben Brief v. 2/6. haben wir erhalten, mit dem Bild von Richard & der Gratulation für Oma. Der Brief war frühzeitig hier - genau pünktlich kam auch Richards Glückwunschbrief an. - Du erinnerst in Deinem Brief an Dir schnell entschwundene Zeit; es ist in der Tat so: nun schon bald 1 Jahr, daß ich bei Dir war & uns zuletzt gesehen haben. Wann wird es wieder sein? - Daß nun die Havaraa-Sache in Ordnung ist, freut mich; ich hatte habe keine Schuld an der Verzögerung, sondern nur die Paltreu hatte es nicht eilig. Auch die Devisenstelle hatte alles sehr prompt erledigt. Den Vertrag hatte ich sofort unterschrieben & zurückgesandt. Du meinst, die 5 Piaster seien nun doppelt bezahlt, das stimmt nicht, denn auf meinem Vertrag war keine Marke aufgeklebt & in Deutschland kann man doch keine pal. Marke kaufen! Ein Verlangen überhaupt, daß man die Unterschrift quer durch eine pal. Marke schreiben soll, ohne daß von der Havaraa die Marke aufgeklebt wurde. Woher sollte ich diese Marke nehmen? Eventuell erst an Dich um die Marke schreiben? Ich habe das auch an die Paltreu geschrieben! Ich habe natürlich ohne Marke unterschrieben, habe auch keine Antwort mehr darauf bekommen. - Der Transfer ist bis Ende August bewilligt, Du mußt also im Juli schon (im Vormonat des Ablaufs) einen neuen Antrag bei der Havaraa stellen; vergiß das nicht, tue es sofort im Anfang Juli, damit bis Ende August alles wieder geregelt ist. Und sag denen, sie möchten auf den Vertrag
gleich eine 5 Piaster-Marke aufkleben, die sie dann ja berechnen können. - Anscheinend hat den Vertrag die Paltreu auch wer weiß wie lang liegen lassen. statt ihn sofort an die Havaraa zu senden. Nachdem Du nun unterschrieben hast, ist ja alles gut. Hoffentlich nun auch weiter so. Hoffentlich löst Herr Kaufmann das dem Gerresheimer Kfm auch sein Versprechen der Zulage ein, das wäre für Dich auch gut. Das wäre dann ein Schritt vorwärts. Hat Herr Kfm schon mal was zu Dir gesagt? - Mit dem „Für-uns-Tun” hat es noch gute Weile; obwohl ich es sehr bedauere, daß die eventuelle Anforderung noch so aussichtslos ist. Wir werden ja auch immer älter & umso schwieriger ein neuer Beginn für uns; ganz abgesehen davon, wielang ich meine Existenz hier habe. Aber wir wollen alles Gute hoffen. Ich hoffe auch darauf, daß Richard drüben bleibt & vielleicht auch mal eine Anforderung mit dessen Hilfe leichter & schneller gehen wird. Hoffentlich gelingen ihm seine Pläne & bekommt er bald sein Zertifikat. - Der bewußte Herzmann ist der Bruder von Frau Weyl, also Herbertchens Onkel. Familie Weyl sind übrigens vor ca 8 Tagen nach Amerika. (Daß Fernels & Kaddens auch nach Amerika sind, weißt Du wohl.)
Ich war heute früh bei Hübschmanns. Es sind die alten H's, ferner der Sohn & seine junge Frau, die eine Schwester Deines Freundes Berthold Bruckmann ist, die zu viert nach Erez als Kapitalisten gehen. Ein zweiter Sohn, den Du aus der ZOG kennen müßtest, geht gleichzeitig nach Amerika, er ist mit einer Zahnärztin verlobt, die nach Amerika ist. Diese Zahnärztin ist die Schwester von einem Jungen, der bei Euch im Bund ist, Mutter weiß den Namen & kann ihn gleich beschreiben; den Jungen bezeichnetest Du immer als Angeber. Er heißt: Meyerhof.
II
Also das alte & junge Paar H. kommen Ende Septbr nach Tel-Aviv. Die junge Frau ist Schneiderin, er Kaufmann; er möchte gern eine Hühnerfarm, aber sie möchte in Tel Aviv bleiben um zu schneidern. In ca 14 Tagen gehen sie hier fort, auf ein paar Wochen erst nach Paris, wo Hübschmann's (die alten) noch Kinder haben. Ich habe ihnen heute für Dich gebracht. 1.) eine Kunstgeschichte, die eigentlich Deinem Onkel Richard gehört, aber schon 10 Jahre in meinem Bücherschrank steht; Du kannst sie ihm ja mal zeigen & sie Dir schenken lassen; 2.) Otto Braun, Schriften eines Frühvollendeten, 3.) Vom Geschmack, von Richard Schaukal. Dies Buch ist ein sehr wertvolles Buch, das nur in einer kleinen, nummerierten Ausgabe erschienen ist, vom Schriftsteller handsigniert & aus der besten deutschen Druckerei: ein Drugulin-Druck. Dazu aus dem Nachlaß Deines Onkels Willi. - Du willst dies Buch in Ehren halten. Zeige es mal Herrn Kaufmann, als Buchsammler wird es ihm gefallen. 4.) ein Sporthemd. Bis Du die Sachen bekommst, wird es aber Oktober werden. Das noch gewünschte „Michelangelo-Buch” sende ich Dir bei der nächsten Gelegenheit; ich wollten den H.'s nicht zuviel mitgeben; die Leute tun das ja auch nur als Gefälligkeit.
Eben kam Onkel Alex zu Großmutters Geburtstag & bringt einen Carton mit, der Richard interessiert. Adolf Weyl (Herberts Vater) bekam vor einiger Zeit in Holland einen Carton Taschentücher; den Carton hat Errell gezeichnet. Else Levy hat sich den Carton geben lassen & Onkel Alex bringt Opa jetzt den Carton. Das Bild sieht etwa so aus: Icarus (schwarzer Kopf) Errell
Ob sich Richard noch daran erinnert, wann er das gemacht hat & für wen?
Ist das nicht ein Zufall!
Wenn Dir das Buch von Schaukal gefällt, so habe ich noch eine Reihe sehr netter Sachen aus Onkel Willis Nachlaß, auch nummerierte & signierte Sachen, die ich Dir gelegentlich senden kann. Wenn Du Buchhändler wirst, & auch in der Stadt wohnst, kann man Dir diese schönen Sachen alle eher schicken als in der Kwuzah, wo sie in der allgemeinen Bibliothek landen & von jedermann in die Hand genommen würden ohne geschont zu werden. Diese Sachen sind ja nur was für Bibliophilen, die sie mit Verständnis behandeln. Wäre das Paketporto nicht so teuer, würde ich Dir mal ein Bücherpaket senden. Ihr bekommt doch im store auch Bücher deutscher Verleger? Wie schicken diese Euch die Sendungen? - Ich würde Dir Deinen Bücherschrank schon füllen. - Das Buch über den Buchhandel konnte ich noch nicht besorgen. Ist das ein bestimmtes? Wie ist der Titel & Verfasser? Wenn ich mal nach Köln komme, kann ich mich dann bemühen. -
Nun genug. Mutti soll weiterschreiben. Von mir alles Gute. Grüße Richard, Dir viel Küsse Dein
Vater.
Mein lb. Ernst! Ich bin heute nur wieder zu Besuch zu hause, morgen geht es wieder nach Gerresheim. Meinetwegen noch lange, es bringt täglich 5.- Mk bei freier Station ein, aber ich glaube in 14 Tagen ist Schluss. Schade! Ich habe mich mit Deinem Brief sehr gefreut, besonders über Dein Wohlergehen. Nächste Woche zahlen wir auch wieder 60.- ein, die Du dann schnell bekommst. Hoffentlich können wir es Dir noch recht lange schicken. Für heute nur dies wenige, in Gedanken bin ich aber stündlich bei Dir. Viel Gutes & innige Grüsse & Küsse, auch für Richard
Deiner Dich liebenden Mutter!
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