Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 26. Juni 1938

Krefeld, 26.6.38.

Mein lieber Junge!

Zu unserm Bedauern haben wir diese Woche keine Zeile von Dir erhalten; heute ist schon Sonntag & noch nichts ist da; es tut uns dies sehr leid, denn es fehlt und was, wenn Deine Nachricht nicht da ist. Wir machen uns zwar keine Sorgen, denn es kann ja bei der weiten Entfernung immer mal eine Verzögerung eingetreten sein; nun hoffen wir also auf morgen.

Hoffentlich bist Du gesund & wohl & ist auch sonst alles in Ordnung bei Dir.

Von uns kann ich Dir nicht viel mitteilen; es geht uns gut. Die l. Mutter ist wieder zu Hause; ich habe sie gestern Abend in Düss. abgeholt & braucht sie nicht mehr hin, sie kommen jetzt ohne ihre Hilfe aus.

Ich habe Dir diese Woche auch ein Werk über den Buchhandel besorgt & zwar: „Max Paschke & Philipp Rath, Lehrbuch des deutschen Buchhandels” Erschienen 1912 beim Verlag des Börsenvereins des deutschen Buchhandels - 2 Bände.

Wenn Du sie nun nur schon dort hättest! Soll ich sie Dir als Drucksache schicken? Ich habe schon mal bei Dir angefragt, wie Ihr im Geschäft Eure Bücher aus Deutschland bekommt? Im Postpaket ist es doch zu teuer? Gib bitte darauf Antwort. - Vorerst habe ich noch keine Gelegenheit was mitzugeben, die nächsten werden wohl Kaufmannss sein, aber das dauert noch was. In einigen Monaten gehen wohl auch Monders aus Lintfort, ein junges Ehepaar mit 2 kl. Kindern, die Verwandte bereits als Siedler in Bethuvia haben. Sie wollen auch dorhin. Dann dauerts wohl nicht mehr lang, bis Schönfelds kommen. Nur wann

wir? Das ist eine für uns sehr brennende Frage. Ich sehe für uns keinerlei Möglichkeiten zu kommen & doch müssen wir daran denken, einen Weg zu finden. Ich bin aus verschiedenen Gründen zu der Überzeugung gekommen, daß wir unter allen Umständen nicht mehr warten können, es könnte zu spät sein! Ich bitte Dich, diesen Punkt nochmals mit Richard zu besprechen, er möchte sich mal erkundigen, ob es denn gar keine Möglichkeit gibt, ein Zertifikat zu erhalten. Ohne dies möchte ich es nicht tun, aber es könnte, wenn es sein müßte, auch der Fall sein, daß wir zu Besuch kämen und blieben. Es bleibt uns doch schließlich mal kaum eine andre Wahl. Für Amerika habe ich kein Affidavit, für Argentinien kein Geld, & es hätte ja auch keinen Sinn, irgendwo anders hinzugehen, wenn Du in Erez bist! - Wir haben viel Sorgen & sie werden täglich größer & mit Bangen sehen wir eine dunkle Zukunft, wenn uns nicht die Möglichkeit wird, zu Dir zu kommen. Wielange werde ich noch arbeiten können? Sollten wir hinüber kommen, werden wir unser Brot schon verdienen, darüber mache ich mir keine Sorgen; wir haben schon einige kleine Pläne. Gibt es denn gar keine Anforderungsmöglichkeit??

Besprich das bitte mal Richard; die Zeit drängt & wir wollen nicht die einzigen sein, die zurückbleiben müssen. Es wäre hart für uns, wenn wir erst nach U.S.A. oder sonstwohin müßten & dann doch noch nach Erez. - Sonst nichts Besondres. Ich bin immer auf Tour & arbeite, doch ist es schwer & wenig lohnend. - Viel Küsse für Richard, besonders aber Dich Dein Vater.

Mein lb. Junge! Auch ich bin wenig erbaut von dem postlosen Sonntag, hoffentlich kommt dann morgen Deine Nachricht. Gesundheitlich geht es.