Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 30. Juni 1938
Donnerstag, am 30.6.38.
Mein lb. Ernst!
Dein Brief vom 18. ds. kam Anfang dieser Woche, als gerade unser Schreiben weg war. Vater hat ihn Dir wahrscheinlich von unterwegs bestätigt & wollte ich, dass morgen Dein Brief pünktlich kommt. In der Rundschau stand wieder so wenig Erfreuliches, besonders aus T. A., dass man garkeine Ruhe hat & jede Zeile herbeisehnt. Nun sind wir ja durch unsere Zores besonders nervös, nicht ganz unbegreiflich. Die Bildchen sind recht nett, nur hättest Du statt den Jungen, uns ansehen sollen, wir hätten dann mehr davon gehabt. Der Junge gefällt mir sehr gut, auch sieht die Dame recht sympathisch aus. Wir lassen für die Grüsse herzlich danken & Dir für die Aufnahmen. Wir freuen uns immer riesig mit solchen Beilagen. Hast Du unser Bildchen auch erhalten? Ich sprach eben in der Stadt Frau Kober, die Inhaberin der jüd. Gaststätte. Sie bestellte mir Grüsse von Herrn Neumann, der dort gefrühstückt hat & weitergefahren ist. Vater wird es sehr bedauern, ihn nicht persönlich gesprochen zu haben, zumal er noch in Krefeld war; auch ich hätte gerne seine Bekanntschaft gemacht & mir selbst alles von Dir erzählen lassen. Ich gratuliere Dir zu der Anerkennung Deines Chefs, weiter so, mein lb. Junge, dann wird's schon werden. Da hattest Du wohl selbst Freude!
Dass Du jetzt durch Frau Strauss-Weigert in nette Gesellschaft kommst, höre ich sehr gerne, dann wirst Du auch bald wieder Freunde am Platze haben. Und wie
ist es mit einer Freundin, hat Edith noch keine Nachfolgerin bekommen? Mütter müssen, resp. wollen doch immer alles wissen. Ich habe auch schon mehrmals nach einem Küchenzettel von Dir gefragt, aber solche Dinge beantwortest Du nie. Hast Du eigentlich Deine Arbeitssachen verkauft oder behältst Du sie doch besser. Und nimmst Du keinen engl. Unterricht? Gehst Du schwimmen oder turnen, ich hätte hundert Dinge zu fragen. Es ist ein Jammer, dass ich nicht mal kommen kann & nach dem Rechten sehe, ich darf garnicht daran denken, dass es nicht sein kann. Aber der Tag wird auch kommen, wo wir uns alle wieder in den Armen halten, vielleicht ist er näher, als wir denken. Hoffentlich! Was macht Richard, ich möchte gerne mal wieder ausführlich von ihnen hören, von seinem Arbeiten & seinem persönlichen Ergehen, Pips ist imm unterwegs, aber das Geschäft ist ganz miserabel & wird auch für uns immer weniger. Wenn man nur einen Ausweg sähe, aber so tappst man im Dunkeln & weiss nicht, was wird. Nun will ich bis morgen schliessen, in der Hoffnung, bis dahin Gutes von Dir & Richard zu hören. Indessen lass Dich umarmen & küssen von Deiner Mutter.
Grüße bitte auch Richard von mir recht herzlich. - Mutter fragt, ob Du eigentlich nichts von Herbert Ballhorn hörst; ist er nicht mehr in T. Aviv? Kommst Du noch zu Max Levy? Hast Du eigentlich nochmal meinen Bekannten Lipschitz vom Schiff getroffen? (Piuskerstr. 13). Hörst Du auch mal von Grünfelders?
Nochmals von mir viel Küsse & Dank für Deinen lb. Brief,
Dein Mümmlein.
II
auch mir gut, aber unsere Sorgen wachsen täglich. Gibt es keine Möglichkeiten für uns, besprich noch einmal alles mit Richard. Wir können & dürfen nicht mehr lange warten, tut bitte für uns, was ihr könnt. Wir wollen Euch nicht zur Last fallen, arbeiten können wir beide G. s. D. noch. Ich habe gestern in Düsseldorf eine Dame gefunden, die pal. Kochkurse gibt, sie kommt auch gerade wieder aus Erez, & werde ich es in aller Kürze lernen. Dann stehe ich mit einer Elberfelder Wäschefabrik in Verbindung, die Babysachen anfertigt, vielleicht glückt mir auch das zu erlernen, zuschneiden & anfertigen aller Kindersachen. Es wäre mir aber auch sonst jede Arbeit recht, ungeschickt bin ich ja nicht. Seht zu, dass wir bald zu Euch kommen; wenn es nicht dringend wäre, würden wir nicht immer wieder quälen. Kaufmanns haben bald ausverkauft; da aber der Transfer wieder gestiegen ist, sind sie noch hart bange, ob sie ihn zusammen bekommen. Ich war fast 4 Wochen drüben & habe ganz nett dabei verdient. Es war auch nötig. Sonst gibt es hier wenig Neues, jeden Tag gehen Familien weg. Nehmt unsere Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter; vielleicht gibt es doch einen Weg für uns. Ist Herr Neumann eigentlich abgereist, wir haben noch nichts von ihm gehört & würden ihn gerne einmal sprechen. Lasst es Euch beide recht gut gehen & nehmt die herzlichsten Grüsse & Küsse Eurer
Mutter & Erna.