Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 9. Juli 1938

Samstag den 9.7.38

Mein lb. Junge! Heute erhielten wir Deinen lb. Brief vom 2. ds., den wir mit Sehnsucht erwarteten, denn die Dinge sind nicht dazu angetan, mit Ruhe abzuwarten. Ich bin immer sehr in Sorge & freue mich über jeden Federstrich von Dir. Zur Sache selbst kann ich nicht viel sagen, es ist alles mehr als traurig & wir müssen hoffen, dass alle Menschen einmal wieder Vernunft annehmen. Ich möchte Dich nur dringend bitten, in einer solchen Zeit nicht herumzureisen, sondern schön zu Hause zu bleiben. Du schreibst überhaupt nichts von Richard, kommt Ihr nicht mehr so oft zusammen & warum hüllt er sich so in Schweigen? Dass Werner nach dort kommt, freut mich sehr für Dich, aber dass Du schon wieder umziehst, höre ich weniger gerne. Du wohnst jetzt bei sehr netten Leuten & warst gut untergebracht, ich wusste Dich geborgen. Andererseits kann ich aber auch verstehen, dass Ihr zusammen wohnen wollt, wo Ihr all die Zeit zusammen gewohnt habt & Euch gut versteht. Ich kann also nicht dreinreden & nur wünschen, dass Du es richt machst. Hast Du die 60.- Mk erhalten? Dieser Tage schicken wir wieder diesen Betrag ab. Ich weiss, dass Du sehr sparsam bist, aber ich muss Dich bitten, es auch zu bleiben, denn wie lange können wir noch transferieren & bist Du dann froh, einen Notgroschen zu haben. Also, mein lb. Kind, rechne mit diesen Dingen, denn ich glaube, nicht zu schwarz zu sehen. Dieser Tage war ich in D.dorf,

um mich einmal für den Kochkursus zu interessieren. Die Dame, die gerade aus Erez zurückgekommen ist & auch Frau Stein von der [..] kennt, sagt, dass drüben eigentlich alles gekocht wird & man auch heute weniger auf dem Primus kocht. Viel sei elekt. verbreitet & das Gas, was man in Kanistern kaufen kann. Nach den grossen Ferien beginnt ein Kurs, den ich dann mitmachen will; man kann ja nie genug & lernt immer dabei. Schaden wird es auf keinen Fall. Morgen treffen wir uns mit Sterns, Kaufmanns & Lilienfeldts. Ich glaube, Sterns gehen bald nach U.S.A. & wollen sich verabschieden. Küken ist nicht mehr bei dem Siedler; er hat Tropenfieber bekommen & ist nun in Haifa, um sich zu kurieren. Wenn er gesund ist, geht er auch nicht wieder zu dem Mann zurück, er hat dort zu schwer arbeiten müssen. K. werden auch noch eine Weile warten müssen, bis sie nach dort kommen. Es streikt augenblicklich alles, auch bei der Rasko. Ich wollte, wir wären auch erst drüben, ich machte mir weniger Sorgen dort Arbeit zu finden, als sie hier zu behalten. Gibt es keine Mittel & Wege für uns?

Nun, mein guter Junge, bleib gesund & munter & lass Dich umarmen & küssen von Deiner
Mutter.

Grüsse & Küsse auch an Richard.

Mein lieber Junge! Ich habe heute gar nichts zu schreiben. Es geht wie immer. Hoffen wir nur, daß endlich bei Euch Ruhe eintritt & Ordnung. Daß Werner nach T.A. ist, ist nett für Euch beide. Wohin kommt er? In ein Hotel? Muß er erst lernen? Er kann doch noch nichts?

II

Denn soviel kann ich doch auch wie er! Es ist bestimmt nett, wenn Ihr beide zusammen wohnt, aber schade, daß Ihr nicht beide bei Frau Hake wohnen könnt! So schön bekommst Du es wohl auch so bald nicht wieder. Was hat Werner denn vor? Er hat doch noch seinen Vater in Hambg, was macht denn der? - Hätten wir doch Mittel & Wege hinüber zu kommen! Es würde sich auch schon für uns was finden! Nun ist die Konferenz in Evian. Ob viel dabei herauskommt, weiß ich nicht, aber wir können froh sein, daß sich überhaupt noch jemand in der Welt um uns annimmt. Ein kleiner Lichtblick ist es doch & eine Hoffnung, aber Leute ohne Geld haben es überall schwer. Wenn wenigstens Erez die Tore öffnen wollte, dann wäre schon vieles leichter.

Ich bin neugierig, was morgen auf der Versammlung der Kirjath Anavimianer herauskommt. Jedenfalls ein paar frohe Stunden, denn Frau Lilienfeldt bringt alle zum Lachen.

Hier ist sonst alles beim alten. Ein Wetter haben wir fast wie im Herbst; keinen einzigen warmen schönen Sommertag, seit über 8 Tagen täglich Regen.

Im Garten sind die Stachelbeeren bald reif & heute Mittag haben wir zum 1. Mal eigene Zucht gekocht; Kirschen bekommen wir auch ziemlich & 3 Äpfel! Aber wieder keine Birnen & keine Pflaumen. Die 2 Bäume von Epping haben 1 x getragen. Der Garten ist sonst gut im Schuß; Herzberger - der Bruder von dem in Kfar HaHoresh - hat ihn zurechtgemacht. Der H. in HaHoresh ist jetzt Leiter der Schafzucht, eine Stufe geklettert. Seine Schwester kommt immer zum Kassieren für die Z.O.G.

Was mach Richard? Seit Wochen schon keine Zeile! Er soll doch wenigstens mal seinen Eltern schreiben! Opa hat übrigens am 17.7. seinen 72. Geburtstag, vergiß nicht & sag's Richard.

Mutter sagt eben „Ernst vergißt einen Geburtstag! Da kennst Du Deinen Sohn schlecht!” - Stimmt das, kenne ich Dich so schlecht, mein Junge?

Nun genug! Alles, alles Gute & viel Küsse & [..]
Dein Vater.