Erna Loewy an Sohn Ernst, 15. Juli 1938

Freitag, den 15.7.38.

Mein lb. guter Ernst!

ich will Dir schon einmal das Kochbuch bestätigen, was am Montag kam. Herzlichsten Dank dafür. Natürlich haben wir uns sofort hineinvertieft & bin ich eigentlich ein bisschen enttäuscht. Es steht nämlich nicht viel drin; von allen Gerichten nur ein paar, deutlicher ausgedrückt, wenig Auswahl. Selbstverständlich für mich eine Reihe neuer Dinge, die wir hier aber nicht probieren können, weil uns die Früchte, die dort an der Tagesordnung sind, fehlen. Vater hilft mir jetzt morgens in der Küche. Er hat Ferien & möchte diese dazu ausnutzen, kochen zu lernen. Man weiss nict, wie man es einmal braucht. Er wäre ein guter Koch geworden, weil er viel Lust & Liebe dafür hat & infolgedessen auch geschickt ist. Ich wollte früher auch immer, Du solltest Koch werden, nun wird es Dein Freund Werner. Verdient er eigentlich gleich, um davon gleich in Tel. A. leben zu können? Soviel ich weiss, bekommt er doch nichts von Hause; wer hilft ihm da? Von hier weiss ich Dir wenig zu berichten. Unsere Sorgen werden immer grösser & wir sehen so garkeinen Ausweg. Dass es garkeine Möglichkeit gibt, nach dort zu kommen, es ist zum Verzweifeln. Was wird, wenn Vater nicht mehr reisen kann & der Zeitpunkt wird sehr bald da sein. Du hast uns noch nie mutlos gesehen, aber bald sind wir's. - Dieser Tage gingen wieder 60,- Mk ab, von den andern fehlt auch noch die Bestätigung. Eben geht die Post vorbei, ohne etwas von Dir zu bringen. Leider! Morgen mehr, bis dahin viel Küsse
Deiner Mutter.