Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 20. Juli 1938
Düsseldorf, den 20/7.38.
Mein lieber Junge!
Dein Brief & der vom l. Richard ist uns nach Düss.-Gerresheim, wo ich seit Montag mit der l. Mutter bin nachgesandt worden. Es macht uns Freude, daß es Euch beiden gut geht. Ich bedaure es sehr, daß der Transfer so schlecht ausfällt & Du dadurch zu kurz kommst. Der Vertrag mit der Haavara lautet doch auf 3 L = 60 Mk, da müßte es doch eigentlich voll ausgezahlt werden; aber ich kann es mir andrerseits vorstellen, daß ein Einspruch zwecklos ist & wir uns mit dem Verlust eben abfinden müssen. Es ist nur schade, daß ich leider nicht in der Lage war, Dir s. Zt. gleich den ganzen Betrag auf einmal zu transferieren & sehe schon, wie Du immer weniger bekommst & nun, wo ich zum letzten Mal (Anfang August) zahlen muß, wir der Unkostensatz für den Transfer wohl noch höher sein. - Hast Du nun schon einen neuen Antrag gestellt? Wenn
nicht, so willst Du das sofort tun & zwar wieder auf £ 3; ich muß eben dann statt 60 vielleicht 75 M zahlen; hoffentlich kann ich es nur auch; denn wie Du weißt, ist es für mich am 1. Oktober mit meiner ganzen Existenz wahrscheinlich zu Ende; ich kann dann nicht mehr arbeiten & werde keinen Pfennig verdienen, was dann wird, weiß ich durchaus noch nicht. Ich bekomme zwar noch die nächsten Monate kleine Provisionssummen von meinen Firmen für Auftragsrückstände, aber das wird nicht lange dauern & dann hört auch das auf. Irgendeine Stellung für uns zu finden, ist sehr schwer, da es ja kaum mehr Leute gibt, die für uns - besonders in unsrem Alter - Beschäftigung
haben. Ich werde auf alle Fälle das Möglichste versuchen, was getan werden kann. Hoffentlich gelingt mir das eine oder andere. -
Nun zu dem Plan des Treffens mit Richard. Ich bin mir nicht klar, ob es rein technisch möglich ist ihn in P. zu treffen. [..] würden wir es eben möglich machen müssen, obwohl wir die 100 Mark, die es kostet - die Reise ist weit & kostet allerlei - nicht über haben, aber es müßte eben gemacht werden; im Prinzip sind wir einverstanden & würde die l. Mutter hinfahren; anders ist die rein technische Frage: ob es geht. Wir fragen mal bei Tante Hedwig in [..] an, wie es dort geht; von da ists ja sonst am einfachsten, weil an den verschiedenen Orten ja Verwandte von mir wohnen, wo Mutter immer wohnen könnte, es kostete dann nicht soviel & wir müssen doch mit jedem Pfennig rechnen.
Mutter könnte sich erst Bei Tante Hedwig, dann bei den Verwandten von Alex aus Schlüchtern, dann bei der Mutter von Tante Frieda Höhn aufhalten u.s.w. Aber, wie gesagt, ob es möglich, muß ich erst bei Tante Hedwig anfragen. Die l. Mutter möchte Richard ja gern sprechen, um mal alles mit ihm durchzukauen.
Was unsre ill. E. berifft, so ist das natürlich ein Plan, der für uns als Letztes in Frage kommt; ob uns auch das möglich ist, ist ja sehr zweifelhaft, denn woher nehmen wir die notwendigen 2000 Mark? Und drüben Arbeit? Vielleicht sogar leichter als hier! Wer kann das wissen? Die l. Mutter mußte als Osereth gehen & ich als - irgendwas.
USA: Das ist für uns auch kaum möglich; denn abgesehen vom Affidavit kostet das eine Stange Geld und das fehlt. Wir stehen so hilflos da - wie der Greis auf dem Dach, der sich nicht zu helfen weiß.
Wenn Rich. schreibt, wir möchten USA, oder Südamerika oder Afrika prüfen, - das ist alles egal unmöglich: Südafrika & Südamerika läßt ja niemand hinein. Und auch hier handelt es sich ums Geld: wir haben keins & die Hilfsorganisationen helfen entweder nur Leuten, die selbst schon Kapital haben oder nur jungen Menschen & gelernten Handwerkern. - Es bleibt uns nichts andres über als eben die Karre laufen zu lassen - wie & was auch immer kommen mag.
Das Schlimmste ist uns nur der Gedanke, daß wir auch Dir demnächst nichts mehr senden können & wer Dir dann helfen soll! -
Nun Schluß. Mutter will anschreiben.
Grüße Richard & Du selbst laß Dich küssen
von Deinem Vater.
Mein lb. Junge! Mangels Zeit kann ich Dir heute nur viel gute Wünsche & Grüsse senden. Wir warten nun Rich.
Bescheid ab & überlegen & hören unterdess, was zu tun ist. Das viele Reisegeld könnten wir besser für anderes gebrauchen, aber was sein muss, muss eben sein. Fest können wir noch nicht zusagen, auch deshalb schon nicht, weil das ganze doch überhaupt noch alles fraglich ist. Ich wünschte Rich., er brauchte nicht die weite Reise machen & das Geld sparen.
Nochmals viel Gutes & tausend Küsse
Deiner Mutter.