Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 27. Juli 1938
Krefeld, Mittwoch, den 27.7.38.
Mein lieber Junge! Wir erhielten soeben Deinen KLM-Brief, v. 23.7. Rich. fährt also, resp. kommt heute schon in Athen an. Nun haben wir uns entschlossen, dass die l. Mutter fahren soll, wir schreiben gleich auch an die uns von Richard aufgegebene Adresse, wann es ihm am besten passt. Da er ja einige Zeit in P. bleiben wird, kommt es nicht so auf Eile an und soll er uns erst noch schreiben, wann er Mutter erwarten will. Die Reise ist ja weit und kostet uns allerlei, was wir einerseits gerne gespart hätten, aber wer weiss, wozu eine Rücksprache mit Richard gut ist. Vielleicht kommt doch etwas dabei heraus, auf alle Fälle wird Richard durch eine Rücksprache mit Mutter klar unsre Verhältnisse übersehen können und dann vielleicht besser raten können, ob wir kommen sollen oder nicht. Aussicht nach USA oder sonstwohin haben wir ja kaum und auch sonst sind alle Hoffnungen gleich null. Nun wollen wir erst mal abwarten.
Dass es Dir soweit gut geht freut mich sehr zu hören, auch dass Dein neuer Transfer bewilligt ist. Nun hoffe ich wohl bald das Weitere durch die Paltreu zu hören. Eine Rate kann ich ja so noch einzahlen, aber im nächsten Monat muss ich dann zur Devisenstelle um die weitere Genehmigung zu bekommen.
Du schreibst, Du beneidetest Richard um seine Reise, allmählich seien Dir die gleichen Häuser langweilig. Ja, mein Lieber, Kirjath Anavim war da wohl mehr Abwechslung, vor allem war alles Leben was freier, immer in der frischen Luft unter dem sonnigen Himmel, heute nach Jer., dann mal wieder nach Tel-Aviv und so weiter, jetzt aber bist Du immer im geschlossenen Hause und kommst nur zeitweise, wenn Du gerade was zu besorgen hast mal in die Stadt; Du hast es ja selbst gewollt und gemeint, Du müsstest unbedingt in die Stadt. - - war das Leben in KA nicht ebenso schön vielleicht nicht noch schöner als in dem Steinhaufen Tel Aviv in brütender Hitze??? - Du musst es ja nun wissen, wobei Du Dich wohler fühlst und was Dir lieber ist.
Bamaaleh hat ja nun ihren Grund und Boden bezogen und die neue Kwuzah Giwath Hachamischah gegründet. Ich wundere mich, dass Du nicht zur Einweihungsfeier hingefahren bist, denn beinahe wärest Du ja selbst Mitglied dieser Kwuzah geworden. Nun sind Deine früheren Chawerim schon Herr und König auf eigener Scholle, sie sind besonders früh zur Selbständigkeit genommen, - was bei Dir und bei all denen, die sich nicht angeschlossen haben, noch Jahre dauern wird. Sie werden ja besonders schwer arbeiten müssen auf dem felsigen Boden, aber sie sind doch selbständig, und sie werden es wohl schon ebenso schaffen, wie die Kwuzah K. Anavim es auch geschafft hat. - - Nun wollen wir hoffen, dass Du und die anderen es nicht zu bereuen brauchst, nicht mitgegangen zu sein, sondern dass Ihr Eueren Weg ebensogut auf Euere Art machen werdet.
Sonst hat sich leider wieder sehr viel Böses im Lande ereignet, jeden Tag Ueberfälle, Bombenwürfe, Mord und Raub. Nun geht die Teilungskommission nach London, um dort zu einem Resultat zu kommen. Aber wie soll da überhaupt eine Teilung möglich sein und wie soll den Frieden kommen? Das alles ist mir so schleierhaft, dass ich nicht weiss, wie hier die Lösung aussehen soll. Dass es auch dort nicht zur Ruhe kommen kann!!
Es war recht schade, dass Herr Neumann nicht bei uns gewesen ist. Er war im Gemeindehaus und hat mit der Wirtin gesprochen und Grüsse bestellen lassen. Er hätte doch wirklich mal die paar Schritte zu uns kommen können. Das kannst Du ihm mit einem schönen Gruss von mir bestellen. Ich dachte er wollte nach Holland übersiedeln, ist auch dieses Projekt wieder zu Wasser geworden? Weshalb will er denn nicht dort bleiben? Hat er so wenig zu tun?
Von uns sonst nichts Neues. Ich bin zu Hause, da jetzt die Ausverkäufe sind und sich in diesen Tagen das Reisen doch nicht lohnen würde. Bis Samstag waren wir ja in Gerresheim und haben dort bis zum Schluss ausgehalten. Es ist so ziemlich alles weggegangen und nicht viel übrig geblieben. Aber sonst was Unangenehmes von dort; Herr Kfm war doch vor einiger Zeit in Berlin beim Pal. Amt um mit dem Leiter wegen seines Zertifikates zu sprechen.
Sie hatten seiner Zeit einen Transfer beantragt, als er noch auf 15 000 für 1000 LP stand, nun dauert das aber nach seiner Nummer noch mindestens 2 Jahre und darauf konnte er doch nicht warten, also hat er ein Siedlertransfer angemeldet, als Eiltransfer, das kostet aber jetzt schon 27000. Nun war er wie gesagt neulich in Berlin, sogar mit einer Empfehlung von Georg Landauer, sonst hätte er den Leiter gar nicht selber sprechen können. Dr. Besser hat ihm nun so dreiviertel zugesagt, dass bei den nächsten Zertifikaten, die zur Bearbeitung kämen - tausend lägen vor, davon würden nur 29 bearbeitet -, also bei diesen 29 - er mit dabei sei. Nun kam vergangene Woche ein Brief, dass er nicht dabei sei. Was nun?? Wer weiss, wann wieder Siedlerzertifikate herausgegeben würden. Und wer weiss, wie hoch dann der Transfer kommt; ist er vielleicht schon auf 35 000, dann reicht sein Geld nicht mehr aus, zumal sie ja auch für Flasche (Günther) ein eigenes Transfer haben müssen, denn G. ist ja schon über 19. Dafür haben sie schon keine 27 000, sodass er so gehen müssen. Nun müssen sie bis zum 15. August auch ihre Wohnung räumen, sie werden wohl noch nach Köln ziehen, denn in Düss. sind kaum passende Wohnungen zu haben, und dabei zu teuer, sie wollen ja auch nicht mehr soviel ausgeben, denn dann wird ihr Geld ja immer weniger und dadurch der Transfer immer schwieriger. Sie sitzen also auch in einer Klemme und wissen nicht was tun. Aussicht nach irgendwoandershin haben sie auch nicht, zumal sie ja dann auch keine Transfermöglichkeiten haben. - Die Leute sind überhaupt auch nicht sehr gut dran, denn wenn sie wirklich zum Siedeln in Erez kämen: es läge die ganze Arbeit bei Küken, die beiden Alten können nicht viel schaffen, dabei ist sie krank und noch masslos verwöhnt obendrein, sie sind ja auch nicht mehr jung genug um schwer in der Landwirtschaft zu arbeiten, wovon sie beide keinen Schimmer haben. Und Günther, der obwohl Schlosser, ist auch sehr verwöhnt. Küken wird einmal mit der ganzen Gesellschaft einen schweren Stand haben. So hat jeder was andres.
Was macht nun Dein Chawer Werner? Viele Grüsse an ihn, ich freue mich, dass Ihr beide wieder zusammen seid. Wo esst Ihr denn und wie teilt Ihr Euch Eure Lebensweise überhaupt ein? Wo arbeitet Werner? Was verdient er? Ich möchte doch mal Näheres über alles was Euch angeht hören.
Gestern Abend waren wir bei Onkel Alex, haben Dir nicht die Ohren geklungen?
Am Sonntag, als wir von Gerresh. zurückfuhren, machten wir im Vorbeifahren Station bei Lilienfeldts. Das sind wirklich prachtvolle Menschen, mit denen wir uns ganz ausgezeichnet verstehen. So ganz andrer Menschenschlag wieder wie Kfms. Die beiden passen richtig nach Erez. Sie werden wohl die ersten sein, die jetzt gehen. Ihr Haus haben sie schon verkauft und wird es wohl in 2-3 Monaten soweit sein. - - Im Herbst kommt übrigens auch die alte Frau Salomon, Dr. Willis Mutter, für immer nach dort. Sie ist angefordert. Mutter hat ihr übrigens dieser Tage Deine Adresse gegeben für Willi, der wohl demnächst mal bei Dir erscheinen wird. Er käme sehr oft nach T. Aviv. - - Kommen eigentlich Speiers nie zu Dir? Auch Rich. Bruckmann? Die sind doch auch oft in Tel Aviv. Du schreibst von all diesen nie mehr was, auch von Grünfelders nichts. Hörst Du denn von keinem mehr was?
Anbei sende ich Dir einen Prospekt über das Buch von Säuberlich, das ich dieser Tage von einem Buchhändler erhalten habe. Ich schicke Dir heute mal per Drucksache die beiden Bücher, die ich neulich erworben habe. Sollten sie Dir nicht genügen, dann bin ich bereit Dir den Säuberlich auch noch zu besorgen, allerdings nicht antiquarisch, denn es handelt sich ja hier um eine Neuauflage. Oder geht es, dass Du Dir das Buch durch Euren Kommissionär selbst besorgst und er die Rechnung an mich schickt?? Du bekämst es doch dann ca 40 % billiger als ich. Gib mir bitte darüber sofort Antwort, wenn Du die Bücher bekommen und durchstudiert hast. An und für sich wird es ja dann nicht mehr eilig sein, wenn Du erst mal die beiden Bücher hast. Dann möchte ich Dir ganz gerne von Zeit zu Zeit einige Bücher schicken, wenn Du sie jetzt gebrauchen kannst. Ich möchte allmählich beginnen, meinen Bücherbestand zu verkleinern, denn wenn mal hier alles verkauft wird, bekomme ich für die Bücher doch nichts und für Dich sind sie sehr viel wert, event. und hoffentlich sehe ich sie dann ja selber auch wieder. Schreibe bitte
27.7.38. 2. Blatt.
was vor allem Du haben willst. Sollte Dir einmal der Ballast zu viel werden, so wirst Du ja immer noch Gelegenheit haben, eine Bücherkiste irgendwo unterzustellen und sei es in Kirjath Anavim. Es wäre doch schade, wenn ich so manches nette Buch hier verschleudern müsste, bloss um es wegzubekommen. Ich muss nur die Gewissheit haben, dass die Sendungen an Dich auch alle ankommen, oder ist Euch schon einmal ein Buch das Ihr aus Europa bekommen habt, auf dem Transport verloren gegangen?
Nun Schluss von mir aus, die l. Mutter hat ja wohl auch noch was auf dem Herzen. - - Also, schalom und Chasak und viel Küsse
Dein Vater.
Mein lb. Ernst! Wie Vater schon schrieb, habe ich mich entschlossen, Anfang der Woche nach Prag zu fahren. Dass ich mich riesig freue, nach so langen Jahren Rich. einmal wiederzusehen, kannst Du Dir denken. Aber wie müsste die Freude erst sein, wenn ich Dich einmal wiedersehen könnte! Das Geld können wir eigentlich kaum entbehren, aber es muss sein, es geschieht nicht nur zum Vergnügen. Hoffentlich ist es dann nur nicht so heiss, 16 Stunden Bahnfahrt ist für mich, wo ich so immer schlecht fahre, keine Freude. Aber all das spielt keine Rolle, wenn wir uns einmal wieder sprechen können. Ich schreibe jetzt sofort nach Prag & wenn es Richard recht ist, fahre ich nächste Woche. Vorher schreibe ich Dir aber noch. Heute schicke ich Dir 2 Päckchen, ein mit Seife & 1 Tube Zahnzeug. Du brauchst dann dafür kein Geld auszulegen. Alles andere hat Pips schon berichtet. Bleib mir gesund, mein Kind, nimm viele gute Wünsche & tausend Küsse
Deiner Mutter.