Erna Loewy an Sohn Ernst, 5. August 1938

Freitag, den 5. Aug. 38

Mein lb. guter Ernst!

trotz Tropenhitze, man ist kaum fähig zu schnaufen, will ich versuchen, ein wenig mit Dir zu plaudern. Vor allem, ich bin noch hier & habe von Richard noch keine Nachricht. Wenn er nicht bald schreibt, komme ich vor Mitte nächster Woche nicht weg, denn es dauert 2-3 Tage, bis ich meine Fahrkarte erhalte. An & für sich machte es ja nichts aus, da aber mein Pass Anfang Sept. abläuft & wir keinen neuen mehr erhalten, so bin ich ein wenig nervös bis Richard geschrieben hat. Die Zeit drängt ja auch, & will ich hoffen, dass alles noch klappt. Von Dir kam auch noch keine Post, dir wir auch sehnsüchtig erwarten. Heute hatte sich was Nettes zugetragen. In Deinem Zimmer wohnt doch eine Frau Winter. Diese erzählte mir heute früh, ein Frl. Winter aus Tel-Aviv hätte angefragt (bei ihren Verwandten) ob sie einen jungen Herrn Loewy kennen würden, der wohnte bei ihr im Hause. Das musst wohl Du sein & finde ich, dass die ganze Welt ein Dorf ist. Mit der Schwester von Frl. Winter, einer Frau Kohnen, war ich erst vorgestern stundenlang zusammen. Auf jeden Fall möchtest Du von unserer Frau „Paula” Winter viele Grüsse ausrichten. Sonst gibt es nicht viel zu erzählen. Alle Neuigkeiten liest Du ja in den Zeitungen & wirst verstehen, dass unsere Sorgen nicht kleiner geworden sind. Wir schrieben Dir im letzten Brief, dass 3 Päckchen an Dich abgegangen seien, u. a. auch das Buch. Letzteres haben wir nicht abgesandt, da es 1.20 Mk Porto kosten sollte.

Vielleicht nehme ich es Richard mit, sonst gebe ich es dem Nächsten mit, der kommt. Eben geht gerade die Post vorbei, ohne uns etwas zu bringen. Sehr bedauerlich!

Samstag! Gestern kamen Seligmanns & war ein Weiterschreiben nicht möglich. Unterdess kam auch Dein Brief vom 30.7. Du bist Fatalist, mein Lieber, & könnte ich Dich fast darum beneiden. „Nicht an morgen denken” ist schön gesagt, aber wir müssen leider zu oft daran denken & machen uns grosse Sorgen, wovon wir demnächst leben sollen. Jede Arbeitsmöglichkeit hört auf & wovon soll dann der Schornstein rauchen? An Wunder glaube ich nicht mehr. Irgend etwas muss geschehen & darüber zerbrechen wir uns den Kopf. Vielleicht sieht man etwas klarer, wenn ich Richard gesprochen habe, aber der lässt auch nichts von sich hören. Ich habe mir für jeden Fall heute die Fahrkarte bestellt, sodass ich sofort abhauen kann, sobald ich Nachricht habe.

Ich wollte Dich immer schonmal fragen, ob Du eigentlich Dein Arbeitszeug verkauft hast? Meine vielen andern Fragen lässt Du immer unbeantwortet, ich möchte aber gerne Antwort haben, auch wenn es Dir unwichtig erscheint. Sei lieb, mein Junge, & gehe auf solche Dinge auch einmal ein. Mir ist zu heiss zum Schreiben, ich muss alles andere dem lb. Pips überlassen. Ich habe nur noch den Wunsch, bleib gesund, mein lb. Kind, & lass Dich innig umarmen & küssen von
Deiner Mutter.

Grüsse an Werner, wenn auch unbekannt.

Inge Traub hat geheiratet & Ester Hompertz sich verlobt.