Richard Loewy an Sohn Ernst, 6. August 1938
Krefeld, Samstag, 6.8.38.
Mein lieber Junge!
Die l. Mutter meint, alles weitere mir zu überlassen, aber am Anfang m. Bogens bin ich schon fast am Ende. Wir warten auf Nachricht von Richard, damit die l. Mutter fahren kann & mit ihm alles besprechen. Es bleibt uns ja keine andre Wahl, wir werden es wie Lilienfeldts machen & ill. kommen müssen. Wir können einfach nicht warten, bis einmal sich jemand, der gar nicht existiert, uns ein Affidavit aus USA schickt; denn man braucht, auch wenn man nicht arbeitet, Geld zum Leben. Anscheinend seid Ihr alle nicht im Bilde & wißt nicht, daß es überhaupt keine Verdienstmöglichkeit mehr gibt; denn ich kann ja nicht mehr reisen. Es ist nun auch nicht so, daß ich einfach zur jüd. Gemeinde gehen kann & sagen: ich habe keinen Verdienst, helft mir! Die Gemeinden haben, durch den Verkauf aller oder fast aller Geschäfte, die Grundsteuerzahler verloren & also selbst große Sorgen um die lebensnotwendigen Dinge zu bezahlen & aufrecht zu erhalten. - Es bleibt also nur die Möglichkeit einer Auswanderung, aber wohin, wenn man kein Geld & keine Verbindungen hast!! Wir werden hier alles, was wir haben, verkaufen müssen, damit wir wenigstens das Reisegeld haben und es wird noch nicht zur Hinterlegung der 2 x 800 Mk langen. Die Sorgen bei uns sind also größer als Du Dir anscheinend denkst.
Es würde zu weit führen, wenn ich Dir alles ausführlich auseinanderlegen müßte. Es ist soviel, was Du anscheinend nicht weißt & auch kaum verstehen würdest. - Gestern ist mir von m. Garagenbesitzer nun auch zum 1.10. die Garage gekündigt worden; aber ich glaube, daß das nicht viel zu bedeuten hat, denn ich werde den Wagen ohnehin am 1.10. verkaufen, da ich ihn ja dann nicht mehr brauche. Daß ich ihn schon seit ca 1 Jahr nicht mehr bei G. hatte, verstehst Du doch. Aber bei G. war der Grund anders; er hatte den Platz selber nötig.
Wegen Deines Transfers, ich habe von der Paltreu nichts mehr gehört & wird es ja nun wohl auch bald Zeit. - Wegen einer eventuellen Nachzahlung des verlorenen ¾ Pfd. ist es wohl ein Irrtum von Dir; denn der Vertrag mit der Paltreu, bezw. Havaraa ist auf 360.- Mk abgeschlossen & glaube ich nicht, daß die Devisenstelle damit noch etwas zu tun hat. Ich kann aber auch gar nichts unternehmen, da der Vertrag zu treuen Händen in Berlin bei der Bank ist & ich ihn Ende ds. Mts. nach erfolgter Abschreibung der letzten 60 M zurückbekomme. Ich kann dann evtl. mal bei der Paltreu anfragen; glaube aber nicht an Erfolg; ganz abgesehen davon, - es wird mir auch kaum möglich sein, was nachzuzahlen, da ich ja kein Geld habe & froh bin, wenn ich die neu beantragte Summe, die wahrscheinlich monatlich 70 Mk
sein wird, zahlen kann. Ob das möglich ist, weiß ich ja heute selbst noch nicht. Wenn ich Ende Sept. aufhören muß zu arbeiten, bekomme ich noch einige kleine Reste von m. Firmen, aber wenn ich mir meine Schulden vom Halse schaffe - & das muß ich ja in allererster Linie - bleibt nicht viel übrig. - Auf alle Fälle muß ich Dich bitten, Dich so billig wie irgendmöglich einzurichten & zu sparen, damit Du möglichst lange mit Deinem Wenigen auskommst. - Gibt es, falls meine Zahlungen an Dich ganz aufhören - und das werden sie mit Ende Dezember ganz bestimmt - irgendeine Möglichkeit für Dich, durch die Jugendalijah eventuell -, die weiter für Dich sorgt? Eventuell erkundige Dich mal bei Hans Beyth & schreibe mir darüber. Aber tu das bitte auch. Mit der Beantwortung unsrer Briefe hapert es bei Dir ohnehin sehr, Du gehst auf irgendwelche Anfragen von uns sehr selten ein. Sieh bitte mal die letzten Briefe nach, auf so manche Frage fehlt noch die Antwort.
Hans Beyth hat geheiratet, stand in der Rundschau. Gratuliere ihm bitte; es kann auch was gut sein. Ich habe ihm auch eine Karte gesandt.
Was sagst Du zu Esther? Sie hat sich mit einem jungen Mann ([..]) aus Gork verlobt!
Ich mußte unten abschneiden, sonst wird der Brief zu schwer. -
Neues, Besondres, habe ich sonst nicht mehr. Uns genügt auch das Alte.
Nun genug, halte Dich tapfer, - wir wollen es auch versuchen! - Grüße Werner & alle Bekannten. Hast Du nicht mal Herrn Lipschitz, Piusker 13, getroffen? Auch Seppel Herzm. & Neumanns grüße, sowie Max Levy.
Dir [..] viel Küsse
Dein Vater.