Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 26. August 1938
Krefeld, 26/8.38. Freitag.
Mein lieber Junge!
Herzlichen Dank für Deinen l. Brief v. 20/8. Der l. Richard ist ja nun wohl schon bei Dir & wirst Du von ihm gehört haben, daß er & Mutter Dir gar keinen Brief geschrieben haben, sondern nur eine Karte; Du hast also umsonst drauf gewartet; Mutter sagte eben, sie hätten keinen Brief geschrieben, weil sie immer über das eine Thema beraten hätten & zu keinem Resultat hätten kommen können, jeden Tag standen sie vor der gleichen Überlegung: was tun? - Es ist nun also das Resultat geblieben: kommen. Es geht kein andrer Weg; an ein Hierbleiben ist nicht zu denken; denn ich bin nicht in der Lage, daß wir ohne Arbeit, also ohne Verdienst leben könnten. Es fragt sich eben nur, ob ich von den verschiedenen Seiten so unterstützt werde, daß ich die notwendigen Gelder habe. Ich hoffe, daß es glücken wird, aber gewiß ists nicht, was aber dann? Das ist auch mir ein Rätsel; wir müssen eben erstmal warten, wie das nun wird. Aber wir rechnen bestimmt, daß alles gut geht. Sind wir mal drüben, wird sich schon irgendwas finden, für Mutter vielleicht noch leichter als für mich. Aber das muß man dann eben sehen. Vielleicht, wenn auch nicht viel herauskommt, könnt Ihr schon mal die Ohren offen halten. - Hier ist jedoch alles für uns zu Ende. Von der Gemeinde ist in paar Monaten bestimmt nichts mehr zu erwarten; der Andrang ist dann bestimmt sehr groß & woher soll sie die Mittel nehmen, allen zu helfen?
Daß Erich ihren Vater verloren hat, tut uns sehr leid. Daß Chawes Vater abgereist ist, wußten wir nicht. Ilses Vater ja auch (sie darf es aber nicht wissen!!); er war mit Hildas (aus Mörs) Mann zusammen. Diese beiden sind heute auch abgereist, nach Amerika. Wir waren gestern Abd noch dort, um uns zu verabschieden. - Wie ich gestern dort gehört habe, will Ilses Mutter nach USA & zwar durch Vermittlung einer Dame, die sie vorigen Sommer auf dem Schiff kennen gelernt hat.
Was Du von Richard schreibst, ist ja sehr fein. Genau, wie ich ihn kenne!
Der Transfer für Dich macht nicht 75, sondern 85 Mk aus!! 510 M für 6 Monate (dazu die Unkosten ca 15 Mk!); also nur 30 Mk für £P.
Ich habe den Antrag gestellt, aber von der Devisenstelle noch keinen Bescheid; er kommt wohl dieser Tage. Für August habe ich nochmals 60 M bezahlt & ist die erste [..] nun erledigt. Wieviel ich nun schicken kann & darf, weiß ich noch nicht. Aber ich will tun, was ich möglich machen kann. - Von Deinen Sachen verkauf Du jetzt vorerst mal nichts mehr; auch keine Arbeitsschuhe; vielleicht kann ich sie nochmal brauchen.
Daß Du viel in Gesellschaft kommst, ist richtig; hast Du keinen besondern Freund oder Freundin? Für Dich wär es wohl nur von Nutzen, damit Du etwas aus Dir herausgehst & nicht nur hinter den Büchern hockst. -
Was ist drüben eine Markensammlung wert? Was ein Wipa-Block? Erkundige Dich mal bitte. - Ich werde sie wohl hier schon in Geld machen müssen.
Von uns nichts sonst. Ich bin gestern Abend heimgekommen & fahre nächste Woche wieder fort; es klappt noch einigermaßen. Bei vielen Kunden gibt es Abschied unter Tränen! Ich mache ja die letzten Touren. Gestern am Heimweg fuhr ich bei Lilienfeldts vorbei. Das Haus stand schon leer; sie wohnen wohl schon in der Stadt & werden nun bald rüberfahren. Morgen wollten sie noch einmal (wohl zum Abschied) zu uns kommen. Ich wollte, wir wären auch schon so weit.
Nun genug. Laß es Dir recht gut gehen, mein lieber Junge & laß Dich umarmen. Viele Küsse. Dein
Vater.
Herzlichste Grüße an und von Richard!!
Lieber guter Junge & lb. Richard! Es tut mir leid, dass Du aus Prag einen Brief erwartet hast & nur eine Karte bekamst. Richard & ich haben aber bis zur letzten Stunde beratschlagt; deshalb nur die Grüsse. Unter dessen hast Du ja auch alles viel besser erfahren. Ich erzähle noch jeden Tag von den vielen Dingen, die ich in den paar Tagen gesehen habe & bin Dir von Herzen dankbar, lb. Richard,
II
für die wirklich schönen Tage. Wie ich Dir schon schrieb, kam ich sehr gut wieder hier an, aber dann habe ich 2 Tage fast nur geschlafen. Ich konnte die Müdigkeit gar nicht wieder aus den Knochen kriegen & habe Dich bedauert, statt 16 Stunden, 36 Stunden fahren zu müssen. War es mit dem Besuch noch nett & hast Du Dr. Fuchs noch gesehen? Da alle unsere U.S.A. Bemühungen ohne Erfolg geblieben sind, haben wir uns nun zu dem grossen Schritt entschlossen, zu kommen. Wir bemühen uns um die Gelder & sobald wir etwas Genaueres wissen, fangen wir mit dem Verkauf unserer Sachen an. Schlechter als es uns hier geht, kann es uns drüben auch nicht gehen, denn hier können wir doch keinen Pf. mehr verdienen. Selbst nicht als Dienerehepaar, wie wir es wollten. Das Auto mitzubringen ist nicht möglich, erstens kostet der Transport zuviel & dann wäre es drüben ein Ballast, der von Anfang an nur Unkosten verursachen würde & drittens müsste Richard - drüben noch erst den Führerschein machen, was als Tourist ja wohl überhaupt kaum geht. Hast Du einmal in der Senffabrik in Aussig für uns nachgefragt? Es ist alles sehr schwer & zerbricht man sich Tag & Nacht den Kopf, was tun!
Frau Winter hat sich mit den Grüssen gefreut. Dass Du Dich gerne einladen lässt, wundert mich, früher warst Du doch für solche Dinge schwer zu haben. Aber ich freue mich, wenn Du viel unter Menschen gehst & so Dir Deine alte Schrullen abgewöhnt hast. Pinchas zeigt sich ja immer besser. Es war nur gut, dass die
Hose damals nicht viel gekostet hat, aber eine Gemeinheit bleibt es doch. Deine alten, schweren Schuhe kann Vater bestimmt tragen.
Bevor ich nach P. fuhr, sandte Grossmutter Dir Mk 10.- hast Du diese erhalten? Sonst gibt es von hier wenig zu berichten, von allen möglichen Leuten soll ich Dich grüssen. Augenblicklich ist Hanni aus Arnheim hier & morgen bei uns zum Essen. Nun haltet uns mal beide Daumen, dass alles klappen wird & nehmt beide die herzlichsten Grüsse & Küsse
Eurer Mutter & Erna.
Opa läßt auch grüßen. (Oma ist in der Stadt.)