Erna Loewy an Sohn Ernst, 9. September 1938

2 Ant.-Scheine anbei!

Grüße auch an Richard.

9.9.38

Mein lb. Ernst,

schönen Dank für Deinen lb. Brief vom 29-31/8, der uns nicht viel Neues brachte, vor allem aber Deine Gesundheit. Und das ist die Hauptsache. Ich war sehr erstaunt, dass Richard bis da noch nicht zurück war. Am 27. schrieb er aus Prag, das war an einem Samstag, ich fahre Montag ab, gemeint hat er dann also Montag in 8 Tagen, oder er hatte ein falsches Datum angegeben. Wahrscheinlich war er dann mit Lilienfeldts zusammen auf einem Schiff, es würde mich freuen, wenn er die beiden kennen gelernt hätte. Ich warte nun auch sehr auf seine Nachricht von dort, er wird doch keine Schwierigkeiten gehabt haben? In unserer Sache sind wir nun schon ein kleines Stück weiter gekommen. Die Gemeinde hat eine Bürgschaft zusammen, die 800.- fehlenden Mark kommen hoffentlich bald dazu. Es läuft noch eine Sache, wenn die klappt & uns die Ämter keine Schwierigkeiten machen, denken wir bis Ende Oktober hier fertig zu sein. Gestern habe ich angefangen, schon Kleinigkeiten zu verkaufen & Vater hat schon eine Menge Bücher untergebracht. Wenn wir nun dieser Tage endgültigen Bescheid haben, räume ich sofort mit unsern Möbeln. Auch mir geht es wie Dir, ich freue mich unendlich, Dich bald wieder in meine Arme halten zu können, Vater hatte es in der Hinsicht ja etwas besser als ich, aber auch ich hatte gehofft, unter andern Umständen als den heutigen. Das Geschäft ist gut, die Kundschaft treu & doch muss man

alles an den Nagel hängen. Man darf garnicht darüber nachdenken! Pips Nachf. ist Herr Maurer, den Du ja auch kennst. Er hat es fertig gebracht, ihn bei Meister unterzubringen, natürlich lieber den, als einen Fremden. Du schreibst immer, wir sollen eine Pension dort anfangen, aber womit? Du vergisst dabei, dass, wenn wir dort ankommen, nichts als 17 L.P. besitzen & damit kann man doch nichts beginnen. Ohne Einrichtung, Geschirr u.s.w. An & für sich wäre uns der Plan garnicht unsympathisch, bes. Pips würde sich sehr dazu eignen, etwas Derartiges zu führen, da er es mit Lust, Liebe & viel Geschick tun würde. Und mir ist es gleich, was ich arbeite, denn dass ich nicht spazieren gehen kann, weiss ich mehr als genau. Ich wollte nur, ich steckte schon mit beiden Ohren tief in der Arbeit, dann wäre uns wohler. Vater ist gerade mit den Briefmarken zu Jäckel, um mal zu hören, was die Sammlung wert ist. Ich glaube nicht, dass viel dabei herauskommt, mit Ausnahme des Wipablocks. Nun müssen wir weiter kämpfen, um bald fortzukommen & werden Dich natürlich auf dem Laufenden halten. Grüsse Richard vielmals & sei Du selbst herzlichst & oft geküsst von
Deiner Mutter.