Richard Loewy an Sohn Ernst, 19. März 1938

Samstag Nachmittag, den 19.9.38.

Mein lieber Junge!

Nun, nachdem ich den grössten Teil meiner geschäftlichen Arbeit hinter mir habe, kann ich in Ruhe an Dich schreiben und sollst Du auch ausführlich Nachricht haben. Du musst erst mal den Brief der l. Mutter lesen, denn der ist zuerst geschrieben und dann kommt erst der meine, denn ich muss manches was Mutter schrieb, abändern. - Vor allem habe ich mich riesig mit Deiner Nachricht gefreut, dass es Dir gut geht und auch in der Stellung alles nach Wunsch ist. Auch dass Herr Stein ein so netter Mensch ist. Nun bin ich zufrieden und hoffe, dass Du Deinen Weg gehen wirst. Ich hoffe nun auch, dass die Sache mit dem Transfer in Ordnung gebracht werden kann, damit auch der geldliche Teil klappt, und Du dort keine Not zu leiden brauchst. Ich hoffe nur, dass es uns gelingt, dass wir noch weiter verdienen können.

Wo ist Herr Stein her? Ist er gelernter Buchhändler? Gelegentlich will ich Dir auch einen kleinen Brief senden, den Du Herrn Stein übergeben willst; das soll keine grossartige Sache oder Bevormundung sein, sondern der Herr soll sehen, dass wir uns auch um Dich kümmern. Dass man dort gleich soviel Vertrauen in Dich gesetzt hat, finde ich sehr schön; Du kannst stolz darauf sein und so mag es Dir ein Ansporn sein, dass man Dir überall dort, wo Du sein wirst, dies Vertrauen erweisen soll und Du Dir dessen würdig erzeigst. Du siehst, es ist doch ein schönes Gefühl, wenn einem jemand vertraut, das macht einen innerlich stolz und froh. Ich als alter Buchhändler und Büchernarr habe ja meine eigene Freude an Deinem Beruf und hoffe, dass alles weiterhin klappen wird. Dass Du es mit Deiner Wohnung so gemacht hast, ist wohl auch richtig. Wer ist der junge Mann, mit dem Du zusammen wohnst? Schreibe bitte über alles, das was jetzt neu für Dich und auch für uns ist. Triffst Du nun in TA öfters mit Bekannten zusammen? Mit Max Levy? Falls Du zu Neumanns kommen solltest, grüsse sie und sie sollen, wenn sie mal ihr Weg über Krefeld führen sollte, auch uns besuchen. Gehen sie nach Amsterdam? Er sprach mir damals davon. Wie haben sie Dich das letzte Mal aufgenommen? Wieder so nett, wie damals?

Nun wirst Du ja wohl viel neue Menschen kennen lernen, die auch in andren Kreisen sind, als in KA, vor allem auch wieder gebildete Menschen. Ich habe ja gar nichts dagegen, wenn Du nicht verproletarisierst; es ist nicht unbenötigt nötig, dass das in einer Siedlung passiert, aber in KA lag die Gefahr doch etwas nahe. Das Leben, das Du nun führen wirst, wird ja bestimmt netter sein und angenehmer und wird Dir mehr bieten als in KA. Aber vergiss doch das eine nicht: dass das wahre Erez nicht in Tel Aviv aufgebaut wird sondern auf dem Lande und dass Ihr in der Stadt den Leuten draussen viel zu verdanken habt und zu ihnen stehen müsst. Du kennst das ja alles aus eigener Erfahrung, die zwei Jahre „freiwilliger Arbeitsdienst” haben Dir gewiss nichts geschadet, im Gegenteil, sie haben Dich gesund, kräftig und zähe gemacht, und Dich fähig gemacht, das Leben in der heissen Stadt leichter zu ertragen. Aber um eins bitte ich Dich; wenn Du Deine Probezeit herum hast, dann trete einem Sportverein - aber nicht etwa einem der zum Sport Briefmarken oder Skorpione sammelt - bei und stähle Deinen Körper. Du hast ja wohl gesehen, wie nötig das ist. Man braucht kein Weltmeister zu sein, aber etwas Sport ist für die jungen Leute unerlässlich. - - Dann eine Frage: Bist Du in der Kupat Cholim? Wie ist das nun mit dem Bund? Bist Du nun ausgetreten? Musst Du in die Histadruth?

Bist Du nun oft mit Richard zusammen? Was machst Du nun immer am Abend, was am Schabbath? Es sind nun tausend Dinge, die ich gerne wissen möchte. Was führt Ihr in dem Laden in der Hauptsache? Gute Literatur, auch Antiquariat? Holst Du Dir auch alle Deine Bücher aus KA?? Schade, dass ich Dir nun nicht unsren ganzen Bücherschrank schicken kann!

Diesmal schreiben wir noch p. Luftpost, nun wieder wie gewöhnlich, nur wenn was Besondres ist, dann per air mail. - Hast Du die 10 Mk von Deiner Grossmutter bekommen, die sie an die Alte Adresse bei Erell gesandt hat? Heute sandte ich Dir - nicht Mutter - 10 Mk.

Nun bekommen wir bald wieder Einquartierung, eine alte Dame. Schade, aber es geht nicht anders, wir müssen unbedingt sparen. Wir verziehen übrigens nicht ins Schlafzimmer, sondern behalten die beiden Zimmer, wie sie sind,

wir teilen nur das grosse Schlafzimmer durch einen Vorhang vor meinem Bett ab, sodass die Betten hinter der Gardine verschwinden und man einen Durchgang ins grosse Zimmer hat. Die alte Dame bekommt die beiden kleinen Zimmer. Wir müssen uns eben behelfen, denn besser hier wohnen bleiben als in eine kleinere und schlechtere Wohnung umziehen.

Immer wieder: lass Dir in Deinen Briefen nichts merken, denn die alten Herrschaften wissen noch nichts und brauchen es nicht, ich weiss ja nicht, wie die Sache noch wird, Herr Meister wird ja erst noch zu Ostern kommen und dann findet sich irgend eine Regelung. Ich habe heute wieder eine Anfrage von einer Berliner Firma, aber die Leute neu einführen, das ist alles schwer, und ich habe kaum mehr die nötige Energie alles und alles unter den Umständen wie der von vorne anzufangen und auch - offen gestanden - keine Lust mehr.

Nun alles Gute, mein lieber Junge, sei Du froh und wohlgemut, lass den Kopf nicht hängen, wir tun's auch nicht. Chasak! Lass Dich umarmen und vielmals küssen von
Deinem Vater.

Die Datierung ist mit Sicherheit falsch. Nicht nur, weil der 19.9.1938 kein Samstag war, sondern v.a. weil der Inhalt nicht passt. Es dürfte sich um den 19.3.1938 - einen Samstag - handeln.