Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 1. Oktober 1938
Samstag, den 1.10.38
Mein lb. Ernst!
Mit Deinem lb. Brief vom 19. & 20.9. haben wir uns ganz besonders gefreut. Wir erhielten ihn schon Dienstag, aber ich war nicht fähig, ihn früher zu beantworten. Nun, wo sich die Kriegswolke glücklich verzogen hat, atme ich wieder auf. Wir hätten doch nicht weg gekonnt, dazu standen wir dann ohne Möbel & Wohnung da. Aber G. s. D. sind wir mit einem Schrecken davon gekommen, es sah böse genug aus.
Lilienfeldts haben ja wirklich ein Riesenglück & gönne ich das diesen lieben Menschen von ganzem Herzen. Grüsse sie vielmals von mir & ich wünschte, wir ässen schon den versprochenen Käsekuchen bei ihnen. Ich wäre auch mit einem Butterbrot an ihrem Tisch reichlich zufrieden. Hoffentlich erledigen sich unsere Dinge nun schnell, es geht bis jetzt alles in einem Schneckentempo. Dazu ist Vater noch auf Tour & kommt erste heute zurück. Bis zum letzten Atemzug ist er draussen. Wir brauchen aber auch eine Stange Geld & was man noch verdienen konnte, musste mitgenommen werden. Übrigens sandten wir Dir Anfang der Woche Mk 85.- Hat Rich. die Sendung erhalten? Er hat, seit er wieder drüben ist, noch nicht einmal geschreiben. Was ich mitbringen kann, weiss ich noch nicht, auf jeden Fall habe ich vor das grosse Ess- & Kaffeeservice mitzubringen, womit man schon eine Pension beginnen könnte, denn hier bekommt man nichts dafür: Das Höchstangebot war 50.- Mk für cir. 120 Teile.
Sonst wüsste ich Dir nicht viel zu sagen, wir sind gesund, abgesehen von etwas lädierten Nerven, auch bei den alten Herrschaften ist alles soweit in Ordnung. Sie können wohnen bleiben, was uns sehr lieb ist. Da Vater nicht ausgehen kann, behält er wenigstens den schönen Garten, worin er immer den Sommer verbringt. Hätte er auf eine Etage gemusst, was Mutter gerne wollte, hätte er überhaupt keine frische Luft mehr bekommen. So ist es die beste Lösung, hierzu kommt noch, dass sie nirgends so billig untergekommen wären. Und nun haltet uns weiter alle Däumchen & auf ein Wiedersehen s. G. w. Das kann ich mir garnicht ausmalen, wenn ich daran denke, muss ich immer schlucken. Bleib gesund, viele Grüsse an Richard, Dir tausend Küsse Deiner Mutter.
Viele herzliche Grüße & Ihnen alles Gute wünschend
Ihr Maurers.
Mein lieber Junge! Ich bin gestern Abend heimgekommen & nun sind wir heute beim Fertigmachen unsrer Sachen. Es ist viel Arbeit! Aber ich wollte nur, es wäre alles schon soweit, daß wir bei Dir wären! Noch ein paar Wochen nur, auch die gehen rum. - Grüße Lilienfeldts & ich gratuliere!! Hoffentlich klappt es auch bei uns bald.
Besondres habe ich nicht zu schreiben; hat auch nicht mehr viel Sinn; wir heben uns alles auf. - Sieh Dich schon mal ein bißchen um Wohnungsmöglichkeiten um & höre mal, wie man am billigsten zu allernötigsten Einrichtung: Tisch, Stühle, Couchs, Primus etc. kommt. Wir müssen ja baldigst eine Wohnung haben. - Entschuldige die Kürze, ich bin heute nicht ganz auf der Höhe, ich bin müde & hab' viel Arbeit. - Nur noch viel Küsse Dein
Vater.
Gruß an Richard.