Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 8. Oktober 1938
Krefeld, 8/10.38.
Mein lieber Junge!
Dank für Deinen l. Brief v. 1./10., wir freuen uns, daß es Dir gut geht & daß Du an Lilienfeldts gute Freunde gefunden hast. Sie
Mein lb. Ernst! Vater hat gestern den Brief angefangen, ist aber bei dem ersten Satz schon wieder aufgehalten worden. Bei uns geht jetzt alles drunter & drüber, aber mein Wunsch, Ende des Monats abreisen zu können, wird sich kaum erfüllen. Es kommen immer wieder Dinge, die uns aufhalten, aber einmal wird es ja nun doch werden. Vielleicht klappt es auch noch & sieht augenblicklich nur so aus. Ich wünschte es, denn in diesem Wirrwarr wird man total meschugge & wir bekommen auch nicht eher Ruhe, bis wir im Zuge sitzen. Besonderes ist nichts zu berichten, Lilienfeldts meinen Dank für ihre lb. Zeilen & wir freuen uns mit ihnen. Hoffentlich sitzen wir bald alle gemütlich zusammen. Sei nicht böse, wenn ich heute nur wenig schreibe, bald erzählen wir uns alles.
Hoffentlich hast Du Deinen Schnupfen wieder vergessen & fühlst Dich wieder ganz wohl. Viel Liebes, sowie innige Grüsse & Küsse Deiner Mutter.
Mein lieber Bub!
Jeden Augenblick was andres, man hat keine Ruhe & kommt dabei zu nichts! Dabei geht unsre Sache absolut nicht weiter & es verzögert sich von Woche zu Woche. In diesem Monat gibt es bestimmt nichts mehr & bin ich froh, wenn es in der 1. November-Hälfte klappt. Es ist eben das Traurige, daß wir von andren abhängig sind & warten müssen, bis es denen [..] ist; es fehlen uns eben noch einige Kleingelder. Es ist eben wie immer & überall: wer Geld hat kann sich helfen, wer nicht - ist eben, wie immer, übel dran. Aber wir lassen
die Hoffnung nicht sinken, daß alles noch klappen wird.
Von uns sonst nichts. Was sollen wir noch groß berichten? Wir heben uns alles auf, damit wir noch ein bißchen Stoff zum Erzählen haben. Das kannst Du auch Lilienfeldts mit vielen herzlichen Grüßen von uns sagen. Wir freuen uns schon mit ihnen allen 5 wieder zusammen sein zu können. Sie sind wirklich liebe Freunde & hoffen wir, daß wir drüben unsre Freundschaft auch weiterhin hegen & pflegen können! Mit dem Backen des Käsekuchens möchte Frau L. aber noch warten, er könnte sonst sauer werden! Den Gurkensalat mache ich dann wieder!
Für Dich eine Neuigkeit: wir haben vorgestern Deinen alten Lehrer Alexander zu Grabe getragen; er war schon längere Zeit krank. Ein braver Mensch ist mit ihm dahingegangen. Außer dem Rav sprach an der Bahre Dein Lehrer Stern sehr schöne Worte.
Dein Freund Fritz ist noch immer der alte; ein Riesenkerl. Sie gehen demnächst auch fort; soweit ich weiß nach dem Elsaß. Lore sprach ich zu Jomtef. Sie wollte mal kommen, war aber noch nicht hier. Inge ist in Paris, nun verheiratet; die alten Trbs wollen nach USA; aber Lore möchte am liebsten nach Erez; es wird aber nichts draus, sie muß mit den Eltern. - Heute nachm. wollen die alten Kaufmanns zu uns kommen; ich glaube, sie wollen uns Grüße für L's auftragen; das ist aber noch reichlich verfrüht, bis dahin kommen sie noch ein paar mal schröben.
Besondres hab' ich sonst nichts. - Sei nicht böse ob der Kürze, es wird ja demnächst alles anders.
Grüße alle, Dir viel Küsse
Dein Vater.