Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 19. November 1938

Krefeld, 19./10.38

Mein lieber Junge!

Heute hatten wir schon einen Brief von Dir erwartet, aber vergebens; er kam sonst die letzte Zeit immer am Donnerstag; nun hoffentlich morgen. Ich will aber schon anfangen. - Besondres ist zwar nichts; es geht wie immer; wir warten auf die Schiffskarte; morgen soll ich nochmals zu Waldbaum, hoffentlich hat er schon was gehört.

Herr Kaufmann, Vater von Löwenstein, gab mir dieser Tage die beiliegende Karte. Der Sohn von Frau Eichelgrün - Frau E. ist eine Kusine von Hn. Kfm - befaßt sich mit Verzollung & Transporten; es wäre vielleicht gut, wenn Herr Eichelgrün bei der Ankunft dabei wäre; er würde uns in der Sperre oder Zollhalle erwarten & uns schon bei der Verzollung behilflich sein, was bei dem großen Gepäck sehr gut wäre, denn es ist kein Vergnügen, nur mit dem Gepäckträger, der vielleicht dazu kein Wort Deutsch kann, fertigzuwerden. Bei dieser Gelegenheit kämst dann vielleicht auch Du mit in die Sperre hinein & bräuchtest uns nicht erst am Ausgang erwarten. Dann könnte Herr E. auch für den Transport nach Tel-Aviv sorgen; einer muß es ja tun & dann ist es besser, jemand zu nehmen zu dem man Beziehungen hat. Schreibe bitte mal hin & wenn Du dann nach Haifa kommst, - Du bist ja doch wohl wieder einen Tag vor unsrer Ankunft dort - kannst noch mit ihm reden & alles vereinbaren, Preis, Zeit usw. - Wir werden ja wohl auch eine Nacht in Haifa sein & können evtl. dort wohnen; es muß ja nicht unten am Hafen sein, sondern am Hadar ists ja schöner & besser & man braucht Abds nicht herunterlaufen im Dunkeln. Erledige dies bitte sofort & bestmöglichst. Dann brauchen wir uns auch nicht wieder so herumzustreiten, wer

die Koffer nach dem Hotel bringt, so wie damals mit dem Abessiner. Und die Verzollung ist auch viel einfacher, wenn jemand dabei ist, als wenn ich da allein auf den Gepäckträger angewiesen bin, - & Du kommst dadurch mit hinein.

Mein lb. Ernst! Indessen kam auch Dein lb. Brief vom 15 ds. Dass Du nicht mehr viel Lust zum Schreiben hast, kann ich mir denken, mir geht es ja ebenso. Hier geht alles in einem Schneckentempo, es liegt & steht alles herum wie in einer Wildnis. Wir dürfen aber noch nicht packen, weil das Zollamt noch nicht hier war, auch hat das Reisebureau noch keine Nachricht für die Karten. Ab Montag schlafen wir bei Seligmanns, da auch das Letzte, das Schlafzimmer verkauft ist. Wenn wir nur endlich fahren könnten, wir hocken hier müssig rum & vertrödeln unsere Zeit. Vorige Woche sandten wir Dir 170.- Mk, den Rest zahlen wir auch bald ein.

Lass es Dir weiter recht gut gehen, grüsse Richard & nimm viele Küsse
Deiner Mutter.

Mein lieber Ernst, da ich weiter nichts Neues habe, nur viel Küsse
Dein Vater.

Herzl. Grüße & viele Küsse
von Deinen Großeltern.