Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 24. Oktober 1938

Kr. 24/10.38.

Mein lieber Junge!

Dank für Deinen l. Brief v. 19., der eben kam & den ich sofort beantworten will. Also, wir wollen dann bis Tel Aviv fahren, & dort aussteigen, wenn es geht. Darüber kann ich Dir nochmals genauer schreiben, sobald ich die Schiffskarten habe. Leider aber weiß ich heute noch gar nichts darüber. Heute morgen sagte mir Frl. Elias, wir sollten am 2. Nov. abfahren, lt. Angabe des Pal. Amtes. Aber wir können bis dahin unmöglich, denn wir haben ja unser Gepäck noch hier & können nicht eher packen, bis wir die Freigabe von der Devisenstelle haben & dann kommt ein Zollbeamter, in dessen Gegenwart gepackt werden darf. Ich erwarte nun jeden Tag den entsprechenden Bescheid. Ich habe Frl. Elias gesagt, sie möchte nach Berlin berichten, daß wir erst nach dem 10. Nov. fahren könnten; sie möchten uns nun eiligst die Schiffskarten schicken, damit ich mir in Köln das Visum holen kann. - Waldbaum meint, es wäre möglich, daß wir z. Z. wegen der Unruhen drüben bei Euch überhaupt kein Visum bekämen; was dann werden solle, ist mir überhaupt schleierhaft. Wir hängen dann total in der Luft. - Ich habe deshalb an Richard geschrieben, er möchte uns postwendend KLM ein ärztliches Attest über Deine schwere Erkrankung senden; solltet Ihr das noch nicht abgesandt haben, so bitte ich allerdringendst darum. Ich muß es beim Konsul vorlegen. - Waldbaum liegt überhaupt nichts dran, uns die Passage zu besorgen, er verdient zu wenig daran! Wir bekommen nun die Papiere direkt durchs Pal. Amt, aber der Verkehr mit Berlin verzögert ja alles & müssen wir eine Riesengeduld aufwenden und wir dürfen die Nerven dabei nicht verlieren.

Du darfst uns also noch weiter hierher schreiben & mußt eben auch unsre Nachricht abwarten. -

Havara: Diese muß sich wegen des Transfers aber gewaltig irren!! Du hast doch Anfang August abgeschlossen; wir haben von der Paltreu ein Bestätigungsschreiben vom 10.8. erhalten, das von der Devisenstelle

am 28.8. genehmigt worden ist; und zwar über 510.- Mk (= 18 £) darauf haben wir eingezahlt:
am 24./9. Mk. 85.-
am 10.10. Mk. 170.-
heute am 24.10. Mk. 255.-
= Mk. 510.-

Die 3 £, die Du nun erhalten hast, sind doch erst die zuerst gesandten 85.- Mk!! (Ich glaube doch nicht, daß das der Rest auf die frühere Genehmigung war!?) Gehe Du also sofort zur Havarah & sage den Leuten, daß sie sich geirrt haben; die Sache muß sich doch aufklären. - Ich habe nun alles für Dich eingezahlt, was genehmigt war & ist nun Schluß damit. Du mußt ja wissen, was Du bekommen hast & ob alles stimmt. Ich kann das ja nicht prüfen. Du weißt doch, daß Du seit März monatlich je 3 £ zu bekommen hattest; teilweise waren es ja - durch die Erhöhung der Transferkosten was weniger, - aber Du mußt nachrechnen: für März bis August - also 6 Monate lang - habe ich je 60.- Mk bezahlt, und dann die obigen Summen. Achte ja darauf, daß Du alles bekommst. -

Von heute ab schlafen wir bei Seligmanns, tagsüber sind wir hier. Fritz & Kurt sind auch hier. Fritz will mit Kurt nach Berlin fahren zur Künstlerhilfe. Das ist ja ein armer Kerl! Eben kommt er!! Nun erledigt bitte sofort, falls noch nicht geschehen, die Attest-Geschichte!! Dann schrieb ich Dir wegen der Besorgung des Gepäcks; vielleicht findest Du auch in Tel-Aviv jemand, der in der Zollstelle hilft; vielleicht macht es Herr Eichelgrün dort auch.

Nun grüße Richard & sei Du vielmals geküßt von Deinem Vater.

Mein lb. Junge! Es geht alles erschreckend langsam, alle lassen sich eine Menge Zeit & dabei eilt es uns doch sehr. Ab Montag haben wir hier in der Wohnung nichts mehr zu suchen, die Möbel sind wir auch alle los, nur können wir noch nicht packen, wegen des Zollamtes. Wohin man sieht Miesigkeiten. Hoffentlich kommen wir nun diese Woche ein Stück weiter, wir halten Dich auf dem Laufenden. Sei nicht ungeduldig; wir dürfen es auch nicht sein, obwohl es sehr schwer fällt.

Tausend Küsse Deiner Mutter.