Die hier präsentierte Chronik des „Fähnleins ‚Langemarck'" des Bundes Neudeutschland am Kölner Apostelgymnasium wurde vom 1920 geborenen Fähnleinführer Willi Strunck geführt und über die Zeit bis heute gerettet. Es wird hier neben zwei Fotoalben gezeigt, die ebenfalls von Willi Strunck gestaltet und zur Verfügung gestellt wurden.
Alle Text- und Bildquellen geben einen guten und tiefen Einblick in Leben und Selbstverständnis des Fähnleins von 1934, dem Jahr, in dem Willi Strunck es übernommen hatte, bis zu seiner Auflösung im Sommer 1939. Beeindruckend sind auch die 1946/47 angefügten Erinnerungsberichte jener Fähnleinmitglieder, die aus dem Krieg zurückgekehrt waren und über ihre Erlebnisse und Erfahrungen der Jahre zwischen 1939 und 1946 Zeugnis ablegen.
An dieser Stelle soll in absehbarer Zeit neben der ausführlichen Lebensgeschichte von Willi Strunck auch eine Dokumentation von Tagebuch-Aufzeichnungen und insbesondere der umfangreichen Kriegskorrespondenz veröffentlicht werden.
Die Materialien wurden dankenswerterweise von Willi Strunck zur Verfügung gestellt.
Westlich Langemarck brachen junge Regimenter unter dem Gesang „Deutschland, Deutschland, über alles" gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen und nahmen sie.
11. Nov. 1914. Heeresbericht.
Ein Fähnlein, das darangeht, seine Geschichte aufzuzeichnen, muß wohl ein schönes und großes Selbstbewußtsein haben. Es weiß von köstlichem Leben, davon zu berichten der Mühe wert ist. Es glaubt an die Zukunft. Denn für sie schreibt es. Ihr habt ein Recht zu solchem Selbstbewußtsein.
So soll euere Chronik erzählen vom Leben euerer Gemeinschaft, von euerem ernsten Wollen und euerem Frohsein im Herzen. Wer sich zum Bund bekennt, bekennt sich zu hohen Idealen. Ich möchte wünschen, daß aus jeder Seite verborgen der Glanz der Ideale strahlt.
Vom Schönsten wird diese Chronik schweigen müssen. Das sind die Siege, die jeder um seines Ideals willen still im Herzen durchkämpft. Die werden in einem anderen Buche aufgeschrieben. Das heißt man das Buch des Lebens. Das sind ferner die Opfer, die in einer Gemeinschaft jeder um des anderen willen bringen muß. Davon spricht man nicht, weil die Rechte nicht wissen soll, was die Linke tut. Wisset, die Treue ist immer etwas Großes, auch dann, wenn man sie still und im Kleinen übt. Und vergeßt nie:
„Einer ist euer Meister; ihr aber seid Brüder!"
Köln, am Bundesfest, dem Tag des Immaculata, 1938.
Euer
P. T.
Bei uns gibt es nicht Edelinge,
Die was gelten durch ihr Blut,
Jedes Rang ist Jedes Klinge,
Und sein Wappen ist der Mut.
Wer nur immer kuehn sein Schwert zog,
Hält den Schild von Schande rein,
Wer noch gestern unterm Heer zog,
Herzog kann er morgen sein.
Rilke
Das Sextafähnlein Ostern 1934 übernahm Paul Böhm. Vier Mann bildeten das Fähnlein: Jupp, Hebbe, Kawa und Hafei. Aber diese Namen trugen die vier damals noch nicht. Kurz nach der Gründung übernahm Wist das Fähnlein. Der legte den Kerlen nun besonders die Werbung ans Herz. So wuchs denn das Fähnlein langsam und die rechten Jungen fanden sich zusammen.
„Wann ihr werdet in eine Hand geschossen, darin ihr das Fähnlein traget, so werdet ihr es in die andere nehmen. Werdet ihr an derselben Hand auch beschädigt, so werdet ihr das Fähnlein ins Maul nehmen und fliegen lassen. Sofern ihr aber von solchem allem von den Feinden überwältigt werdet, so sollt ihr euch in das Fähnlein wickeln u. euer Leib u. Leben dabei und darinnen lassen, ehe ihr euer Fähnlein übergebet!"
Georg v. Frundsberg.
„Georg von Frundsberg" nannten sie ihr Fähnlein. Wist erzählte ihnen, wer Georg v. Frundsberg war. Der Name sollte ihnen im Kampf gegen die Feinde Christi voranleuchten. Aber das verstanden sie damals noch nicht. - - Wozu kämpfen? - - - -
Das Fähnlein wuchs zu einer echten frohen Gemeinschaft zusam-
men. Das Spiel mußte langsam dem Ernste weichen. Die Fähnleinrunden gestalteten sich immer ernster. Die Jungen begriffen bald, dass sie doch kämpfen mussten und bereiteten sich darauf vor. - Aber trotzdem verloren sie den Frohsinn nicht. Fehdebriefe flogen herum, und Keilereien waren an der Tagesordnung. Auf Tagestouren und Fahrten wuchsen die Jungen zusammen. Aber in allem sahen sie eine Vorbereitung auf den Kampf, der ihnen bevorstand.
hafei.
Sommer 1936
Das Fähnlein „Georg von Frundsberg" ruft zu einem Fähnleinlager am Anfang der grossen Ferien auf!
Der Freitag, der Tag unserer Abreise ist da. Noch stehe ich allein an der Anlegestelle Nr. 3 der „Weberschiffe". Mein Blick geht den Strom hinauf, aber ein Nebelschleier, der über dem Wasser liegt, verbirgt noch das weite Land, das sich mir in einigen Stunden öffnen wird. Wie habe ich in den letzten Tagen und Wochen diesen Freitagmorgen ersehnt, der mich im Kreise der Kameraden von der grauen Grossstadt wegbringen sollte. Allerdings wurde diese Vorfreude schon etwas gedämpft, als ich gestern von Willi, unserem Fähnleinführer, hörte, dass ausser mir nur noch Hans mitfahren würde. also deshalb das geplante Lager, an der Beteiligung scheitern würde. Aber die Fahrt sollte doch eine feine und grosse Sache werden. Hans rückt an! Der vorschriftsmässig gepackte Affe saust neben den meinen auf den Boden, und dann halten wir gemeinsam Ausschau nach unserem Führer. Willi kommt natürlich nach Führersitte fünf Minuten vor der Abfahrt des Schiffes, welches uns dann langsam aus dem Kölner Hafen hinaus, hart gegen die Strömung ankämpfend, in das herrliche Siebengebirge bringt. -
Noch den letzten Berg überwinden - - und da liegt auch schon Dattenberg, die Burg des „Heliand" vor uns. Der Burgkaplan, der uns nicht gerade
freundlich empfängt, zeigt uns eine Scheune, in der wir uns sofort häuslich niederlassen. Hierauf bestaunten wir die Gegend. Bald hatten wir eine prima Steinhalde entdeckt, wo wir zu drei Mann uns bemühten, möglichst viele der Steinbrocken in die Tiefe zu besorgen, was uns auch so ziemlich gelang. Plötzlich stellte Willi fest, dass er Hunger hätte. Nachdem wir vergeblich trockenes Holz gesucht hatten, kochten wir uns einen Tee in der Burgküche, den wir uns anschließend zu Gemüte führten. Der Abend sollte noch eine grosse Entdeckung bringen, denn unser jetzt schon amtlich anerkanntes Fähnleinspiel „Pinchenfressen" wurde erfunden. Allerdings mit dem Erfolg, dass der Stolz unseres Fähnleinführers, sein billiges Fahrtenmesser, dabei so ziemlich seine Gebrauchsfähigkeit einbüsste. Denn ein Messer ohne Spitze, ist praktisch kein Messer mehr, und so konnte denn auch dieses unbrauchbare Möbel in den Besitz des stellvertretenden Fähnleinführers übergehen. - Nachdem wir uns im Stroh so ziemlich eingerichtet hatten, begann Willi eine tolle Geschichte von Rennfahrern und Attentätern zu erzählen, die nach den einleitenden Worten für mich zu Ende ging, da ich einschlief. „Mensch, was sind hier Himbeeren", Hans, der uns dieses zurief, konnte es kaum aussprechen, da er eifrig bemüht war, ganze
Ladungen Himbeeren zu vertilgen. Also hatten wir nichts eiligeres zu tun, als ihm nachzueifern. Es stellte sich aber bei näherem Zusehen heraus, dass es unmöglich war, die vorhandenen Himbeeren alle zu vertilgen. Also musste einer sein Kochgeschirr hergeben, und „sie sammelten noch 12 Körbe voll". Diese sollten uns beim Mittagessen sehr gelegen kommen. Denn nach dem lukullischen Mahle - es gab „Schlamm" - mundete unsere neuerfundene Nationalspeise „Zwickemi" ganz phantastisch. Da uns das ewige „Pinchenfressen" und überhaupt die Gegend zu langweilig wurde, beschlossen wir noch am selben Tage auszuwandern. Das Sturmgepäck am Koppel rasten wir gegen 4 Uhr den Berg hinunter. Mit riesigen Schritten frassen wir Kilometer um Kilometer, ja liefen sogar mit Schiffen um die Wette. Bei Brohl überschritten die Trümmer des Fähnleins den Rhein und wollten nach Maria Laach trampen. Was aber sofort wieder aufgegeben wurde, da der große Fähnleinrat feststellte, dass die großen Wagen alle besetzt waren, und er das Trampen mit kleinen Opel-Wagen für unter seiner Ehre hielt, und deshalb ablehnen musste. Es war ein
Glück, dass wir zu Fuss gingen, denn wir fanden einen Waldweg, der einfach fabelhaft war. Teilweise wähnte man sich im australischen Urwald, es fehlten nur die Eingeborenen. Die Schritte wurden merklich grösser, als der See und nach einiger Zeit auch das Kloster auftauchte. Wenn wir nun meinten, unser müdes Haupt zur Ruhe legen zu dürfen, war das ein Irrtum; denn wir wurden zu einem Dorfe gewiesen, welches 3 km vom Kloster entfernt lag. - Hier trafen wir, man höre und staune, unseren geistl. Gruppenführer Kaplan Reiermann, der uns dann im Gesellenhaus unterbrachte. An diesem Abend kam uns gar nicht zu Bewusstsein, dass wir eine nette Anzahl Kilometer hinter uns hatten, denn wir pennten auf der Stelle ein. Am anderen Morgen wollten wir an einer liturgischen Messe im Kloster teilnehmen, da wir uns aber verliefen, kamen wir gerade rechtzeitig zum feierlichern Hochamt. Danach bummelten wir gemütlich, wir spürten noch unsere Knochen vom Vortage, den sogenannten BTL-Weg und später den Rheinhöhenweg nach Niederbreisig zurück. Unterwegs, wir hatten seit zwei Stunden keine lebendige Seele getroffen, befahl Willi mir, auf einem Baum zu steigen und nach dem Rhein Ausschau zu halten, denn nach unserer Feststellung auf der Karte mussten wir in unmittelbarer Nähe des Rheines sein. Ich bestieg also einen Baum, der an einer steil abfallenden Stelle stand. Vor lauter Bäume konnte ich aber keinen Rhein entdecken. Mein Abstieg war ungefähr vollendet, als ausgerechnet
in dem Moment, wo ich zur Erde springen will, mein letzter Halt abbricht, und ich mit einem Schrei auf den Lippen in die Tiefe verschwinde. Allerdings konnte ich nicht sehr tief fallen, denn überall standen mir Bäume im Wege. Als Willi nach fachmännischer Untersuchung feststellte, dass die Wirbelsäule nicht gebrochen wäre, setzten wir unseren Weg fort. Unterwegs wurde ich dann fortwährend ermahnt, das Humpeln nicht zu vergessen. Auf einigen Umwegen kamen wir gegen sieben Uhr auf der Burg an, wo wir uns nach dem Abendessen ins Gras warfen, um noch einmal über die beiden letzten Tage nachzudenken. - Der Marsch, es waren im ganzen etwa 60 km, hatte uns doch ziemlich angestrengt, war es da nicht eigentlich Unsinn, so wüst loszulegen? Ich dachte an Hans, der nichts hatte merken lassen, dass er schon am ersten Tage die Füße vollständig durchgelaufen hatte. Mir selbst war es ja auch nicht leicht geworden, durchzuhalten. Aber trotzdem! Der Marsch und die ganzen Mühen, - jetzt erkannte ich das -, hatten uns drei, die wir alle aufeinander angewiesen waren, zu einer Einheit zusammen geschmolzen, wir waren uns wirklich gegenseitig Freunde und Kameraden geworden. Wir waren durch unser gemeinsames Erlebnis in unseres Königs herrlicher Welt innerlich reicher geworden. An diesem Abend gingen wir still und ruhig zu Bett. Es war nicht nur aus Müdigkeit, sondern eine eigenartig feierliche Stimmung war in uns, die wir nicht durch be-
langloses Reden verscheuchen wollten. Feierlicher denn je klang unser Bundesave an diesem Abend.
Der letzte Tag wurde noch einmal herrlich. Das Schiff trug uns durch das schöne Rheintal nach Köln zurück. Und als wir den Dom vor uns auftauchen sahen, reckten wir uns unwillkürlich, gleich als ob wir uns auf dem Kampf freuten, der uns erwartete. Wir waren wieder stark geworden auf unserer Fahrt. Hatten uns neue Kraft geholt, und wir waren bereit, sie in dieser Grossstadt, die jetzt am Horizont emporwuchs, voll und ganz einzusetzen. Und unser Händedruck am Abend in Köln war mehr als ein blosses Verabschieden, er war für uns Verpflichtung.
Leini.
So wie die Helden von Langemarck, waren auch wir zu Kämpfern geworden. Unser Fähnlein heisst nicht mehr „Georg von Frundsberg". Wist hat uns gesagt, man würde uns vielfach vorwerfen, zu sehr am Mittelalter, überhaupt an der Vergangenheit zu hängen. Wir wären romantische Schwärmer, die nicht in der Zeit ständen, und nicht mit der Zeit fühlen würden. Wir wollen das Gegenteil beweisen. Es gibt auch Helden neuerer Zeit, die uns leuchtendes Vorbild sein können. Und so haben wir unserem Fähnlein den Namen „Langemarck" gegeben, im Gedenken der Helden, die bei Langemarck nicht zuletzt für ein christliches Deutschland ihr Leben hingaben. Wir sind stolz auf diesen Namen. - Aber immer noch standen Kerle abseits, die unbedingt zu unserer Gemeinschaft gehörten. Unser Fähnlein wuchs bis auf dreizehn Mann, und wir waren somit das stärkste Fähnlein der Gruppe. Als wegen Mangel an Führern das „Fähnlein der Normannen" aufgelöst wurde, übernahmen wir drei Kerle aus dem Fähnlein. Zwei davon aber, die keinerlei Interesse an der Fähnleinarbeit zeigten, wurden aus
[... fehlende Seite ...]
Knappenschulung
Die Knappenschulung will erreichen, dass wir uns auf die Knappenprüfung und die Knappenweihe, die jetzt bald folgen wird, vorbereiten. Die Knappenaufnahme bildet den Höhepunkt im Neudeutschen Junggruppenleben. Sie schliesst die bisherige Entwicklung ab. Der Jungknappe wird sich jetzt seiner Aufgabe bewusst und verspricht für immer seine Treue: Ernstlich danach zu streben, ein ganzer Neudeutscher Ritter zu werden. Es muß darum von jedem Pimpf, der ein Knappe werden will, mindestens eine Knappenschulung mitgemacht werden. Eine feine und bombige war die in Rösrath, die von dem Fähnlein „Langemarck" gestaltet wurde. Die Jungknappen unseres Fähnleins waren: Hafei, Pitter, Leini, Hebbe, Jupp, Mathi, und Hans.
„M-G" Landheim bei Altenrath
Das Lager in Rösrath! 8.-10.4.37.
Punkt neun Uhr trafen wir uns am Heumarkt; es war am Morgen des 8. April. Einer nach dem andern kam langsam, feldmarschmässig ausgerüstet, auf dem Heumarkt an. Schon jetzt brannte die Sonne heiss vom Him-
mel auf uns herunter, welche einen schönen, heissen Tag ankündigte. Als endlich der letzte Mann ankam, kam auch schon unsere Bahn, es war mittlerweile schon 9.10 Uhr. Alle verstauten sich schnell in die drei Wagen und auf nach Königsforst! Hier angekommen, ging es erst quer durch den Wald. Nachher, so gegen 11 Uhr, trafen wir auf eine Landstrasse. Nun ging es im Gleichschritt auf Rösrath zu. Nach über einer Stunde anstrengendem Marsch, in der glühensten Sonne, machten wir in einem dichten Tannenwald Mittagsrast. Wir mussten ungefähr noch 4 km zurücklegen, um nach Rösrath zu kommen. Nach der Rast, die ungefähr eine Stunde dauerte, schickte Willi, unser Fähnleinführer, 4 Mann unter Führung von Leini vor zum Landheim, um es in Ordnung zu bringen. Das schönste aber war, dass wir keinen Schlüssel von dem Landheim hatten. Hans hatte nun einen Dietrich mitgenommen; dieser wurde jetzt Leini mitgegeben. Weiter bekam Leini eine Karte von Rösrath und Umgebung mit, wo das Landheim eingezeichnet war. Er wusste nicht, wo das Landheim war, also musste er sich nach der Karte richten, was für ihn schon ein Teil Knappenprüfung war. Nun zog Leini mit seinen Leuten ab. Willi und wir andern blieben noch eine Stunde in der Gegend. Bei unserem Abmarsch, wir waren noch keine zehn Schritte gegangen, fanden wir etwas sehr Interessantes, es war der Dietrich, womit Leini das Landheim aufschliessen sollte. Wir hoben ihn auf, und marschierten in schnellem Tempo weiter. Nach einem tollen Marsch
auf Umwegen hatten wir das Landheim erreicht. Wir wurden nun von Willi in einzelne Gruppen eingeteilt. Die einen wurden zum Bettenbauen, die Betten bestanden nur aus einem Strohsack, die anderen zum Holzsammeln abkommandiert, so hatte jeder seine Arbeit. Nach verrichteter Arbeit zogen wir in den nächsten Wald. Es dauerte nicht lange, und die schönste „Frengelschlacht" war im Gange. Hin und her flogen die Knüppelchen und Knüppel. Als einige zu Balken übergehen wollten, brach die obere Heeresleitung den inoffiziellen Kampf ab. Nun ging es, es mochte so gegen 7 Uhr gewesen sein, ins Heim zurück. Langsam brach der Abend herein und der feuerrote Ball verschwand hinterm Horizont. Nach dem Abendessen setzten wir uns um die alte Petroleumlampe herum, wo jetzt Willi eine Geschichte vorlas, die von einem tapferen, echten Jungen handelte, der sich gegen den Schmutz und Hass seiner Klassenkameraden durchzusetzen hatte und der diesen Kampf um Reinheit und Gott siegreich besteht. Dieser Kerl sollte uns das Bild eines echten katholischen Jungen näher bringen. So gegen 9 Uhr gingen wir zu Bett, ausser dem Mann, der jetzt eine Stunde Nachtwache hielt. Nach zehn Minuten war Ruhe im Schlafsaal. Nur die Schritte der draussen auf und abgehenden Nachtwache klangen zu uns herauf. Auf einmal, mitten in der Nacht, stösst mich einer in die Seite, ich richte mich halbwach auf und frage: „Was ist denn los?" Da sehe ich, dass da Leini vor mir steht und sich bemüht, mir klarzumachen, dass ich jetzt Nachtwache zu halten hätte und
sagt mir noch, draussen sei es gemein kalt. Ich kleide mich schnell an und stampfe nach draussen. Draussen schauerte ich richtig zusammen, denn es war schwer kalt. Die Sterne funkelten hell am Firmament, und der Mond warf seinen schwachen Schein auf das Landheim. Ich war ein paar mal um das Heim gegangen, als ich plötzlich von der Wahnerheide her ein Motorengeräusch hörte, und im selben Moment strahlten mehrere Scheinwerfer auf. Kurz darauf endstand ein Luftkampf, der einfach fantastisch war. Die Flugzeuge stürzten so aufeinander los, dass man meinte, sie würden jeden Moment zusammenprallen. Es waren nur die Umrisse der Maschinen zu erkennen. Auf einmal setzte ein Motor aus, und eines der Flugzeuge stürzte in tollem Tempo in die Tiefe; aber gleich schraubte es sich wieder steil in die Höhe. Das eine Flugzeug sauste immer hinter dem anderen her, so dass ein wildes Jagen erfolgte. Die Scheinwerfer suchten die Flugzeuge wie wild. Auf einmal hatte ein Scheinwerfer ein Flugzeug erfasst; aber in demselben Moment stürzte das Flugzeug im Sturzflug in die Tiefe. Ich sehe auf meine Uhr und stelle fest, dass es Zeit ist, die nächste Wache zu wecken. Ich glaube kaum eingeschlafen zu sein, als ein wenig sanft gebrülltes Kommando, es klang so, wie: „Alles raus aus den Betten", (sprich Strohsack!), mich in die Höhe riss! Um 7 Uhr gingen wir in Altenrath in die Kirche. Der Tagesdienst bestand darin, dass immer wieder auf die Dinge, die zur Knappenprüfung und Knappenweihe gehören, hingewiesen wurde. Als nun der letzte Tag angebrochen war, packten wir unsere Sachen (sprich „Affen"
oder „Klamotten"!) und marschierten, nachdem wir das Heim „tipp-topp" gemacht hatten, auf Königsforst zu. Nun fuhren wir mit der Bahn nach Köln, wo wir gegen Abend eintrafen. So haben wir drei Tage in echter Kameradschaft erlebt.
Hännschen.
Dumpf klingen
Trommelschläge,
Hell singen
Bubenkehlen:
„Zum Kampfe!"
Kameraden, auf!
Es gilt!
Allzeit bereit
Die Sonne steht hoch am klaren, blauen Himmel und brennt auf die Landstrasse, die nur von einigen Bäumen begrenzt ist. - Von der Hitze schon stark mitgenommen marschieren acht Mann, nämlich: Willi, Leo, und wir 6 Jungknappen - hafei, leini, hebbe, jupp, mathi und hännschen, diese „endlos, lange Chaussee" entlang. Wir stehen kurz vor der Knappenprüfung, deshalb befinden sich auch sofort zwei Führer bei uns. Noch wissen wir nicht, wo wir geprüft werden, aber wir vermuten, das unser Ziel das Landheim von „M-G" ist. Es liegt hinter Rösrath. Während des Marsches werden eifrig die Knappenbücher studiert, um nur ja vorbereitet zu sein. Denn wir wollen und müssen alles daransetzen, die Knappenprüfung glänzend zu bestehen, um wirklich echte Knappen zu werden, die auf allen Gebieten ihren Mann stehen. - Mittlerweile sind wir durch Rösrath marschiert und nun geht es rechts ab auf das Landheim zu. Also hat sich unsere Vermutung bestätigt. Die Prüfung wird im Landheim von „M-G" oder doch in nächster Nähe steigen.
Für die nächsten zwei Stunden waren wir „ungeniessbar". „Was war auf Normannstein? ... Wann war Hirschberg? ... Wieviel Burgen hat der Bund? ... Was besagt das Bundesprogramm? ..." So prasseln die Fragen über jeden einzelnen. Leo hat es sich
an einem schattigen Plätzchen gemütlich gemacht und prüft uns in Bundesgeschichte und solchen Dingen. (Ob er seine Fragen selbst beantworten konnte ist fraglich, da er sich hinter Knappenbuch und „Neudeutschland, sein Werden und Wachsen" verschanzte!!!!???) - An einer anderen Stelle lag unser „Hochwohllöblicher" Fähnleinführer im Gras und versuchte, uns krampfhaft mit blöden Fragen, betreffs Lieder, zelten, kochen, und so weiter, hereinzulegen. Dies scheint ihm aber nicht gelungen zu sein. „P. T. in Sicht!" Hebbe brüllt es in die Gegend. Alles rennet, rettet, flüchtet, denn hier naht der „Schrecken" der ganzen Prüfung. Denn P. T., unser geistlicher Gruppenführer, sollte über die „zehn Punkte" prüfen. Wir wunderten uns allerdings sehr, denn er hörte nicht im geringsten die von uns so mühsam gepaukten „zehn Punkte" ab, sondern stellte teilweise ganz verzwickte Fragen, die uns auch in der Schule oder auf der Strasse gestellt werden. „Warum bist Du katholisch? ... Weshalb bist Du als einziger der Klasse noch im Bunde? ..." Aber auch dieser Kelch, in Gestalt von P. T. war
nicht so bitter, wie es schien. Und als zum Schluss noch eine wüste Keilerei entbrannte, da spielte keiner mehr mit dem Gedanken: „Hast du nun bestanden oder nicht?" Allerdings wurde die Stimmung merklich ruhiger auf dem Rückmarsch zur Bahn. (Natürlich vor Müdigkeit!!!!) Der Eine oder Andere dachte vielleicht auch mit leisem Bangen an den kommenden Freitag, wo das Ergebnis der Prüfung bekannt gegeben werden sollte.
Der Freitag brachte die Bestätigung unserer Leistungen, denn wir hatten ja Wochen hindurch ganz wüst geschuftet. „Alle haben bestanden!" Und ein Stein rollte uns vom Herzen....
Hännschen.
Zum Schluß noch eine Keilerei...
Die Knappen
Willi Viehoerer m. Gruppenbanner, das mit ihm nach einem tödl. Unfall im Jahre 1940 begraben wurde.
dahinter: Pitter Pehl
Hans Fein + in Stalingrad 1943
Karl Heinz Einsfelder
Heribert Schnippenkötter
Jupp Schleck
Hans Strunck + b. Kiew 1943
Mathias Schäfer
Ich gelobe
„Die Jungknappen des Fähnleins „Langemarck" angetreten, marsch, marsch!" Laut schallt das Kommando unseres Fähnleinführers am Samstagabend durch den Flur der G-Strasse. Kaum sind ein paar Sekunden vergangen, und schon stehen sieben Jungen, die Jungknappen der Gruppe „St. Aposteln", in kerzengerader Haltung vor ihrem Fähnleinführer. Kurz darauf schallt das Kommando: „Zum Bundesave in die Kapelle weggetreten!" Im Halbkreis stehen wir in der nur von zwei Kerzen erhellten Kapelle vor dem Bilde unserer Bundes-Königin. Laut und fest klingt unser Ave durch den Raum. Fünf Minuten danach stürmen wir in den Schlafsaal und verkriechen uns in die Betten. Langsam bricht der Morgen an, und die Sonne wirft ihre ersten Strahlen in unseren Schlafsaal. Langsam wird es hier lebendig und einer nach dem anderen wird wach, ausser Willi, der ruhig, mangels eines Bettes, auf der Erde weiterpennt. Aber schon kommt ein Kissen von dem oberen Bett auf ihn heruntergesaust. Kurz darauf ist denn die schönste Keilerei mit allem möglichem und unmöglichem
Bettzeug im Gange. Aber lange dauert dieses Vergnügen nicht, denn schon wird es Zeit zum Aufstehen. Um halb sieben Uhr gehen wir hinunter zur liturgischen Messe, die wir jetzt im Kreise der ganzen Gruppe feiern. Beim Kaffee verkündet unser Gruppenführer den Tagesplan: „Um neun Uhr gehen wir der Tradition gemäss in der Pfarre St. Aposteln mit der Pfarrprozession. Punkt halb vier heute mittag treffen wir uns wieder hier zum gemeinsamen Kaffee, den unsere Eltern gestiftet haben, - nicht endenwollende Heilrufe unterbrechen ihn -, und um sechs Uhr ist zusammen mit den Eltern Knappenweihe, anschliessend im großen Saal Elternabend der Gruppe!" Langsam füllt sich der Platz vor der Kirche. Punkt neun Uhr setzen alle Glocken von St. Aposteln ein, und die Prozession setzt sich in Bewegung. Wir schreiten sofort hinter dem Allerheiligsten. Das Gruppenbanner an der Spitze, marschiert die Gruppe in einem Block. Unser Gruppentag sollte zugleich ein Bekenntnistag sein. Nun geht es immer mehr der Stunde entgegen, wo wir Christus und dem Bunde das Treuversprechen geben werden. Es sind vier Uhr und wir sitzen im Heim vor den festlich gedeckten Tischen, die unter der süssen Last, die unsere Eltern besorgten, einzubrechen drohten. Und alle wurden gesättigt... Langsam füllt sich die Kapelle mit unseren Eltern u. Verwandten. Der festlich geschmückte Altar steht in hellem Kerzenglanze vor uns. - Nun schlägt es sechs. Ausgerichtet wie an einer Schnur, ziehen wir, an der Spitze das Banner, in die übervolle Kapelle ein. In unserer Feierkluft stehen wir in strammer Haltung vor dem Altar als der
Raum widerdröhnt von unserem Bekenntnislied.
„Uns rufet die Stunde
uns dränget die Zeit,
zu Wächtern zu Rittern
hat Gott uns geweiht,
zum Trotzen u. Tragen
zum Ringen u. Wagen
so stehn unsre Scharen bereit."
Ein Kaplan des Kardinals spricht zu uns markige Worte über Treue und Opferbereitschaft, die das Mark der Ehre sind. Dann verliest der Gruppenführer unsre Namen, und wir sprechen im Chore:
„Grosses wagen, Schweres tragen, Mutig ringen, Trotzig zwingen,
Nimmer verzagen wenn Schwache erlahmen,
Fordernde Fahnen, wo andere klagen,
Klirrende Waffen, wenn andere erschlaffen, viele verzagen,
Wir stehn zu Dir, König, im Sturm!"
Dann senkt sich das Gruppenbanner vor uns und wir fassen in das alte Fahnentuch und geben mit frischer Stimme unser Treuwort. Noch ein jubelnder Dank an Maria, unsere Königin, und dann stehen wir in der Gemeinschaft der Knappen und Ritter der Gruppe, bereit unser Leben für unseren König Jesus Christus einzusetzen. Wir, die wir Waffenträger unseres Königs geworden sind, werden stark und tapfer sein, und bis zum letzten Mann standhalten. Das geloben wir...
Hännschen.
Tom, der erst seit Anfang des Jahres 1938 zu unserer Gemeinschaft gehört, schreibt:
„Ein prächtiger Herbsttag neigte sich seinem Ende zu. Graue Nebelschwaden vermischten sich mit dem roten Schein der untergehenden Sonne zu einem bunten Schleier. Über einen schmalen Feldweg, der sich durch die reifen Felder zog, schritten zwei Jungen. Mittags hatten sie, nach einer arbeitsreichen Woche, die Stadt verlassen und waren aus der russigen Fabrik hinausgezogen in die freiatmende Natur Gottes. Ein Drang und ein Sehnen war in ihnen erwacht, das sie durstig machte nach einem Etwas, das sie nicht erkannten, das aber doch hell und rein vor ihren Augen stand u. sich schroff gegen ihr alltägliches Leben abhob. Es war dämmerig geworden. Vor ihren Augen zog noch einmal die graue Woche der Stadt vorbei mit ihren Freuden und Leiden mit ihrem Schmutz und ihrer Schönheit. Weiter wanderten sie, keiner sprach ein Wort; nur ihre harten Schritte dröhnten trotzig gegen den Himmel. Es wurde immer dunkler und der
nächtliche Sternenhimmel mit seinen millionen Lichtern breitete sich zum Ruhme des Schöpfers über die ganze Erde. Die Jungen waren an einen Wald gekommen, der sie bald verschlungen hatte. Fern durch das dichte Blattwerk des Waldes leuchtete matt zu ihnen herüber ein Licht. Sie wanderten darauf zu. Bald waren sie auf einer Lichtung angelangt. Ein mächtiges Bauwerk erhob sich mitten aus dem Dunkel, und seine schwarzen Schatten überragten die höchsten Wipfel der Bäume. Durch eine offene Tür traten beide in eine weite Halle, in der sie das Licht in einer grossen Schale brennen sahen. Es umlohte eine mächtige Gestalt, die ernst auf beide herabschaute. Lange standen sie vor dem Bild ihres Meisters und seine stummen Mahnungen wurden von ihren Herzen aufgenommen. Ihre Herzen spürten es und sagten es ihnen: Am Ziel. Durch die weitgeöffnete Tür schlich sich der erste Morgenstrahl in die Halle und bald hatte die aufgehende Sonne alles in einen rötlich fahlen Schein getaucht. Langsam schritten die Jungen durch die Halle zurück u. traten hinaus in die Welt. Vor ihnen lag eine neue Erde in einem goldenen Kleid, durch die hell und klar ihr Ziel leuchtete. Über einen schmalen Waldweg marschierten zwei Jungen in den Morgen ihres Lebens."
„Wie? Was? Wir fahren morgen nicht?" schreit hebbe. „So eine Unverschämtheit! Ich habe meinen Affen schon gepackt!" ruft Leini in den allgemeinen Tumult, der in eine allgemeine Revolution auszuarten drohte. - Unser Fähnlein wollte an und für sich morgen, am ersten Tag der Osterferien 1938, auf Fahrt gehen. Da lässt sich nun leicht denken, dass alle von Staunen ergriffen waren, als Willi erklärte, die Fahrt könnte nicht steigen. „Diese Hunde (...........) versauen uns die ganze Fahrt, das soll gerächt werden!" „Rache ist Blutwurst!" dröhnt Pitters Männerbass aus einer Ecke. „Aber trotzdem schmeissen wir in den fünf Tagen eine ganz tolle Sache", kommt unser Führer nun endlich zu Wort, und als sich die Gemüter beruhigt haben, entwickelt Willi seinen Kriegsplan: „Morgen, Samstag, eine ganz große Seeschlacht (sprich: Äppelkahnplätscherei!) auf dem Stadtwaldweiher; Sonntag liefern wir eine Vernichtungsschlacht (sprich: Kuchen vertilgen) in der G-Strasse; Montag, Vorstoss ins Grüne; Dienstag sind Spione am Werk (sprich: Schnitzeljagd!) und am Mittwoch wird von der ganzen Armee eine letzte und abschließende Operation im Grünen durchgeführt werden!" - - - Dieser tolle Plan wird dann vom hohen Generalstab des Fähnleins einstimmig angenommen. - - - „Los, Dixi! in den Kahn", ruft hebbe, und schon geht der erste Kahn in „See". Ihm folgen die weiteren vier Boote, von denen
ein jedes mit 3 treuen Mannen besetzt ist. Und nun beginnt eine „Seeschlacht", wie sie dieses Gewässer noch nicht gesehn hat. Ein jeder versucht krampfhaft mit seinem Kahn zuerst im Kanal zu sein, um dort den anderen einen nassen Empfang zu bereiten. Natürlich hatte sich Willi, der Fähnleinführer, mit seinen Leuten an die Spitze geschoben, aber er wird dicht verfolgt von den andern Kähnen. Gegen ihn ist nicht anzukommen. Bald sind wir aber doch etwas näher an ihn herangerückt, sodaß wir ihm einen feuchtkalten Gruss verabreichen können. Aber im selben Augenblick fühlen wir auch schon die sehr feuchte Antwort im Gesicht; denn Willi, der im Kahn stand, hatte ein Ruder losgemacht und damit so auf das Wasser geschlagen, daß es nur so spritzte. Aber lange konnte er nicht mehr den Verfolgern trotzen und er zog vor, sich in stillere Gewässer zurückzuziehen. Wir aber, durch den scheinbaren Erfolg angespornt, liessen nicht locker und folgten ihm so schnell wie möglich.
„Ja wir sind die Herren der Welt,
Die Könige auf dem Meer ..."
„Hei, ihm nach!" brüllt Leini, der schon nicht mehr nass werden kann, da er keinen trockenen Faden mehr an sich spürt.
„Und so steuern wir unsern morschen Kahn
in die Hölle frank und fei..."
So hörte man die kühnen „Seefahrer" aus vollem Halse singen.... (sprich: brüllen!). Der Kampf dauerte solange, bis die hohe
„Admiralität" zum Abzug blasen ließ. Schade, wir waren gerade richtig nass; aber morgen war ja auch noch ein Tag, und der sollte ebenso zackig werden! ...---...--- G-Strasse, nachmittags vier Uhr! Drei Kannen mit dem köstlichen Kakao stehen im Heim auf dem Boden. Ein langer, weissgedeckter Tisch, der „unter der Last der süssen Sachen zusammenzubrechen droht", füllt den Raum aus. Das ganze Fähnlein ist (ja nur wegen dem Kuchen) zur Stelle. Kaum hat Willi das Kommando zum Anfang der Schlacht gegeben, als auch schon eine wohltuende, ungewohnte Ruhe eintritt; denn alle essen und essen, was ja ziemlich anstrengend ist. Leini mußte den Fähnleinrekord im Kuchenessen, den er an Willis Namenstag aufgestellt hatte, an Tom abtreten, der anscheinend einen noch größeren Magen hat, als er. Frater Rausch, der ja auch immer dabei ist, wenn es Kuchen zu essen gibt, sitzt auch unter uns. Ohne was zu sagen und mit dem trockensten Gesicht, vertilgt er hier ein Stück nach dem andern. Wir versuchen ihm klar zu machen, dass es eine Unverschääämtheit wäre, hier, wo er doch Gast sei und nur geduldet würde, so viel zu (fr)essen! Aber er stört sich gar nicht daran, sondern isst und isst mit einer Ruhe weiter, die einfach aufreizend ist. Aber jeder Mensch ist einmal gesättigt. Und so auch Frater Rausch. Darauf haben wir nur gewartet. Schnell wird er von einigen „Starken Männern" verhaftet und nach einer kurzen
Pause dem Gericht vorgeführt. Wir treten mit unserem Angeklagten in den dunklen „Gerichtsraum" ein, welcher nur von Kerzen erhellt wird, die auf dem Gerichtstisch stehen. Der Richter, die Schreiber, Verteidiger, Zeugen u. s. w. nehmen ihre Plätze ein. Zuerst herrscht eisige Stille im Raum. Die Versammlung wird durch den „Vorsitzenden" Wist eröffnet. Dann ergreift hebbe, der „Staatsanwalt" das Wort mit der Anklage gegen Frater Rausch. Ein langes Streitgespräch ist die Folge. Immer wieder müssen die „Starken Männer" eingreifen; denn die Menge will den Angeklagten lynchen. Aber vergeblich versuchen der Angeklagte und sein Verteidiger Hafei das Urteil abzuwenden. Das hohe Gericht besteht auf seinen Forderungen und der Angeklagte sieht sich schließlich gezwungen, als Strafe für sein unverschämtes Verhalten, - noch einige Stücke Kuchen zu essen. Der Gerichtssaal tobt!!! Mit Krach und Radau, wovon die Wände beben, und mit dem Vertilgen der übrig gebliebenen Kuchenstücke, endet die großartig tragische Gerichtsverhandlung! - Montag, im Wald. Willi hat gerade die Regeln des Kriegsspieles erörtert. Schon um 3 Uhr sollte der Kampf beginnen. Es herrscht Totenstille, die Ruhe vor d. Sturm. Da, ein Geschrei, und schon stürmen von allen Seiten die Mannen heran. Der Kampf tobt. Dixi, der Schweratleth, hat viel zu tun. Fast die ganze „schwarze Armee" ist zugegen, und durch Dixi ist der Kampf bald beendet. Die Reste der „weissen Armee" flüchten. - Neuer Lärm! Dixis
geheimes Lager in Gefahr! Schnell! ehe die „goldene Münze" in d. Hand d. Feindes fällt. Tom, der mit Mathi das Lager bewacht ist mit d. Münze ausgerückt. - Dienstag, 11 Uhr. Die „Füchse" sind weg. Bald auch d. „Meute". Alles scheint gut zu gehen. Die Schnitzel zeigen einen deutlichen Weg. Aber dann ist die Spur zu Ende. Also schnell wieder zurück, denn wahrscheinlich haben d. „Füchse" eine Sackgasse gestreut. Dann wieder eine neue Spur, welche ungefähr die ganze Luxemburgerstrasse hinaufführt. Aber dann ist auch hier ein Ende. Überall werden Schnitzel gefunden, nur keine zusammenhängende Spur. Die Füchse sind zu raffiniert. Schon ist die Zeit ungefähr herum. Die „Meute" hat sich in die Nähe der G-Strasse verzogen, um hier noch das „edle Wild" zu erlegen. Aber auch diese Mühe ist vergebens; denn schon kommt der „Oberjäger" Wist hoch zu Rad und bläst die Jagd ab, da die „Füchse" schon den sicheren Bau erreicht haben. Schade für die „Meute"! Oh - wartet ihr Hunde von „Füchsen". Morgen ist auch noch ein Tag, und dann fahren wir raus! Dann gibts Saures! Alle sitzten im Heim u. singen. Mittwoch. Nachmittags 4 Uhr. - - Wir sitzten im dichten Tannenwald und - - treiben allerlei Unsinn. Etwa 5 Meter von uns entfernt rauscht ein kleiner Bach vorüber. Uns gegenüber, auf der anderen Seite des Baches, steht, von uns leider nicht sofort bemerkt, ein junger Mann, der eifrig in einem Notizbuch kritzelt, und zwischendurch zu uns herüber schaut.
Als wir ihn bemerkten, ziehen wir uns vorläufig mal in den Wald zurück; denn es kann ja immerhin ....... sein. - - Kurzer Kriegsrat! Dann geht Willi mit Tom und mir los. Wir drei wollen diesen verdächtigen Mann doch mal näher beschuppern. Quer durch das dichteste Gestrüpp geht der Lauf. Dann langsam an die Stelle heran, wo eben noch „derjenige welcher" gestanden hat. Aber öd und leer ist die Stätte, und von dem „Spion" nichts mehr zu sehen. Wir folgen nun dem Bach, und plötzlich entdecken wir zwischen hohem Gestrüpp ein kleines Haus. „Mensch, ich habe einen Gedanken", sagt Willi, „wir sind jetzt ganz „brav" und tun so, als ob wir harmlose Naturschwärmer seien." „Tolle Sache", gibt Tom seinen Senf dazu. „Willi, pass auf! da steht der Schurke", flüstert plötzlich Hänschen, der etwas vorausgegangen ist. Kaum hat er das festgestellt, als auch der junge Mann schon in dem Häuschen verschwunden isst. „Tom, du gehst jetzt hin und erkundigst dich, ob er nicht einige Pimpfe hier gesehen hat!" Der junge Mann schien aber ein ziemlich feiger Bursche zu sein, denn kaum hatte der „Detektiv" Tom ihn gestellt, als er auch schon wieder im Walde verschwunden war. „Wir schlagen jetzt einen Bogen, und überfallen ihn dann von der anderen Seite", entwarf Willi einen neuen Plan. Gesagt, getan! - Da! Was war das denn? Richtig, da stand dasselbe Unikum von vorher hinter einem Baum, und spähte eifrig nach unserem vorigen Standplatz hinüber. Als er uns aber in
seinem Rücken sieht, steppt er schleunigst davon. Wir ihm natürlich nach! „Ist das ein feiger Bursche", stellt Tom fest, als der sich wieder in sein Häuschen zurückgezogen hat. „Jetzt haben wir ihn!" Schon hat Willi einen neuen Plan: „Ihr zwei nehmt euch eine Feldflasche und geht zu dem Häuschen, um Wasser zu holen." Kaum haben wir ein Holzgitter überwunden, als vor uns ein Schild steht, mit der Aufschrift: „Achtung Selbstschüsse!" „Das ist ja heiter", dachte Tom ziemlich laut. Da war eben nichts mehr zu machen, und wir liessen den „Mann" in Ruhe! Damit war die Sache aber noch nicht erledigt! Kaum haben wir mit der ganzen Bande einen neuen Lagerplatz entdeckt, als auch schon wieder verdächtige Kerle auftauchen. Diesmal steht sogar ein kleiner, grauer DKW (das Kennzeichen der .....!) in einer Waldschneise. Jetzt ist die Sache klar! Jetzt kann uns nur noch Frechheit helfen! Schnell ist das ganze Fähnlein in kleinere Gruppen aufgeteilt. Willi bespricht sich ein letztes Mal mit den schnell ernannten Unterführern, und dann schleicht eine Gruppe nach der anderen in den verschiedensten Richtungen durch das dichte Unterholz. - - 6 Uhr abends! Alle Kerle haben die gefährliche Sperre auf listige Art u. Weise durchbrochen. Jetzt, wo wir dieses aufregende Ereignis hinter uns haben, werden wir wieder frech und brüllen unsere Lieder in die Gegend. Noch eine Vorhut zur Haltestelle der Vorortbahn. Alles in Ordnung! Dann fahren wir froh u. stark nach Hause. Wir haben gezeigt, dass wir auch Schwierigkeiten überwinden können!
Hännschen.
Es war Pfingstdienstag. Die Uhr der Minoritenkirche schlug zweimal. Es war ½ 8 Uhr. Die Pfingsttage waren vorüber und auf den Strassen der Stadt herrschte wieder der Lärm des Alltags. Vor dem Denkmal des Gesellenvaters Adolf Kolping standen 8 Jungen des Fähnlein Langemarck. Das Pfingstlager sollte vom Stapel laufen. Ziel war das Exerzitienhaus in Altenberg (aber nicht wegen der Exerzitien). Mit lachenden Gesichtern stiegen sie in die Bahn, die sie nach allerhand Irrfahrten und mit viel Gekreische nach Dünnwald brachte. Kaum waren sie ausgestiegen so zückte Willi, der Führer det ganzen Salates, auch schon seine Ia Landkarte und schnüffelte darin herum. Er fand allerlei, nur nicht den Weg. Aber ein gütiger Wegweiser erbarmte sich ihrer und brachte sie schließlich doch nach Nittum, einem weltverlassenem Bierdorf hinter Dünnwald. Es war halb zehn. Die erste Frühstückspause wurde eingelegt und bald war ein allgemeines Geschmatze im Gange. Nach diesem lukullischen Mahle, ging auf den herrlichen Waldwegen mit einem Tennisball ein noch herrlicheres „Fußballspiel" vonstatten. Am Schluß dieser enormen Schlacht war kein Ball mehr da, dafür aber umsomehr abgerissene Blätter. Dixi, der ewige Frühling des Fähnleins, verzog sich mit Pitter, der der Held dieser Tage werden sollte, Paul, dem Greenhorn
Geplätscher in der Dünn
des Fähnleins, und Tom, einem noch größeren Grünschnabel, in das Innere von Nittum, um sich an echtem Nittumer Kranenbrunnenwasser zu laben. Nachher war Willi mit seiner Korona, die aus Hubert, Hännschen und Häbä bestand, in alle Winde verschött gegangen und Dixi machte sich daher mit seiner Schar auf, nach Osenau zu flitzen, wo sie um 15 Uhr mitteleuropäischer Zeit Mathi und Leini, die das Gepäck im Koffer und per Omnibus nach Altenberg brachten, treffen sollten. Also wie gesagt die Säufertruppe marschierte los und kaum 500 m eroberten sie das nächste Restaurant. Nachdem ihren durstigen Seelen gelabt worden und ihre Kassen um einige Groschen ärmer geworden waren, ging es weiter. An einem Stauwerk wurde Pitter schnell noch unter die Verletzten geschickt und der nächste Gasthof war um einige Gäste reicher. Um ½ 12 langte die Schar der Getreuen an der vermeintlichen Kreuzung an. Hier liess sie sich häuslich nieder und harrte der Dinge, die kommen sollten, aber nicht kamen. Gegen ½ 12 Uhr langte Willi mit den Seinigen nach mannigfaltigen Umwegen an der Kreuzung an. Dann wurde es still und 8 Mann döösten in der Sonne. Bald hatte jeder einen Sonnenstich weg. Einer brüllt: „Halb drei!!". Man bricht auf, um die anderen zwei zu treffen. Aber man findet nichts. Um ½ 4 Uhr entschließt man sich, Altenberg zu stürmen. Unterwegs wird auch noch der Vortrupp gesichtet und um 6 Uhr marschiert man in Altenberg ein, wo Willi der Kleinere mit seinen
Bälgen schon vorhanden ist. Nach einem Empfang mit mehr oder minder gut gemeinten Ermahnungen von Seiten des Rektors, und nach Überwindung ziemlich hoch hinaus wollender Treppen gelangten sie auf einen Schlafsaal, der mit Höhenluft ausgestattet war. Jeder hatte nach einigen Burgfehden seine eigene Falle. Man wäscht sich und verfügt sich dann mit freudiger Erwartung geladen in den Speisesaal. (alles hochfeudal; bei uns sagt man [Fr]esszimmer) Mit hochanständigen Sitten setzen sie sich an die fürstliche Tafel und betätigen sich nutzbringend. Nach dem Essen steigt im großen Hörsaal eine Feierstunde, in der sie noch einige andere Jungen kennenlernen, die unter Leitung eines ziemlich verkalkten Misters einen Kursus haben. Danach gehen sie alle in den Dom und halten eine kurze Abendkomplet. Mit Trara geht es auf den Schlafsaal, wo nach Abzug der beiden Willis, eine grosse Abendoper steigt. Dixi poltert mit einem Schlafsack, einer grünen Taschenlampe und mit einer Dose Schuhcreme, bewaffnet als Geist, durch den Schlafsaal. Auf einmal ein Brüllen: „Wat han ich mich erschreck, ich dach, do wör einer gewäse", und Pitter war unter den Federn verschwunden. Pitter fällt dann am Kopfende zum Bett heraus. Man frage aber nicht wie. Dann talpsen die Willis in den Saal und der Größere fängt mächtig an zu
Pitter sieht Gespenster...
brummen. Er wollte Dixi am anderen Morgen nach Hause schicken, aber es bleibt beim Wollen. Allmählich tritt Ruhe ein und ein bald darauf einsetzendes Schnarchen der Helden des Alltags zeigt, dass sie sich schon in einer anderen Welt befinden. - - Mittwoch, 6 Uhr 30. Allgemeines Gähnen und Recken. Man springt reichlich langsam aus den Federn, wäscht sich und geht zur Messe. Beim Frühstück wird dafür gesorgt, dass keine Reste verderben. Nach einer Feierstunde, wieder von dem Herr Kalkmann gehalten, steigt in den Wäldern von Altenberg ein religiöses Geländespiel. Dieses verursachte mächtigen Hunger, der durch das Mittagsmahl in etwa gestillt wurde. Mittags allgemeines Geplätscher in der Dünn mit einigen Stürzen und kostenlosen Waschungen der Kleider. Dann Kaffee und - - Frater Rausch erscheint. Im großen Hörsaal wird dann unter Leitung von Frater Rausch ein Christuskreis abgehalten, der den Jungen noch einmal ihre Aufgabe vor Augen stellt und ihnen die tiefere Erklärung ihres Hierseins gibt. Der Gong ertönt. Es ist 7 Uhr und wieder Essen. Dann ist bis ½ 9 Uhr Freizeit. Es werden Pläne für die Nacht geschmiedet. Um 8 Uhr zieht Fr. Rausch ab, der vorher noch einen Sonnenstich hatte, ab nach Köln. Um neun Uhr fand im Dom mit ziemlicher Verspätung eine Lichterfeier zu Ehren Mariens statt. Es schlug zehn Uhr. 19 Mann kletterten mit schweren Schritten auf
den Schlafsaal. Bald war alles in den Mottenkisten verstaut und - - - lauschte einer billigen Geschichte, die Willi der Größere von sich gab. Aber die Hauptattraktion war nicht die Geschichte, sondern Pitter, der wie ein Dämon durch den Schlafsaal schwebte. Einer schmiss ein Handtuch in seinen Unterstand. Er erhob ein mächtiges Gebrüll und schrie: „Do is einer!" Um ein Uhr erschien ein Geist. Pitter leuchtete diesen mit seiner 80 m Taschenlampe so heim, daß dieser sofort eine Rutschpartie die Treppe herunter veranstaltete. Pitter trieb noch allerlei Unfug in dieser Nacht. Unter anderem rannte er im Schlaf 2 mal um sein Bett herum und legte sich dann wieder hinein. Es wurde aber immer stiller im Schlafsaal und Pitter war schließlich der Einzige, der noch in Aktion war. Donnerstag, der Regen klatschte nur so. Um 7 Uhr ist hl. Messe. Willi dem Größeren wird es schlecht. Dann Frühstück und ein langweiliger Morgen mit viel Krach. Willis Zustand verschlimmert sich, er hat zuviel Altenberger Kost genossen. Mittags fährt er mit dem Auto nach Köln. Nach dem Mittagessen ziehen die anderen ab und tippeln nach Dünnwald. Bald sassen sie in der Bahn und gondelten nach Köln. Es ist 5 Uhr. Der Schaffner brüllt: „Endstation!" und sieben frohe Jungen steigen aus dem Kasten. - - -
Unsere Eltern in Altenberg
Für Sonntag, den 17. Juli 1938 ist ein Gruppentag in Altenberg angesetzt. Diesmal sollen auch unsere Eltern dabei sein. Es wird eine Bombensache werden, die ihren Höhepunkt finden wird. Am Sonntagmorgen, nach der Schulmesse und dem Kaffe beim Fähnleinführer, dampfen zwei Radkolonnen los. Die erste unter der weisen Leitung von Tom und die zweite unter Willi Angermann, der, in ganz schwarzer Montur, die Klampfe geschultert, auf seinem Drahtesel hängt. - Reichlich abgekämpft saust nach der ersten auch die zweite Staffel durch das Hoftor des Hauses in Altenberg. Herr Rektor Reiermann begrüsst uns, und kurz darauf sind wir wieder allein, was uns auch lieber ist. Wir durchschnüffeln das ganze Haus von oben bis unten, untersuchen jedes Zimmer, und als wir von Ferne die Küche riechen, stellen wir fest, daß wir Hunger haben. Mittlerweile ist Wist mit dem anderen Teil der Gruppe angekommen, und „wir tun uns gütlich am reichlichen Mahle". Kurz nach dem Essen, so gegen zwei Uhr kommen unsere Eltern in rauhen Mengen an und bevölkern das Gebäude. Im Feierraum des Hauses beginnt dann der ganz „officielle" Teil des Tages. Hebbe isst unbedingt der Held
„Kreis der Bewunderer"
der Begrüssung. Nach einem ernstgemeinten und anständigem Hofknix singt er, von uns (Kreis der Bewunderer) umstanden: „Schlipsians Weltreise". Dann bekommen die Anwesenden einige Gedichte von „Christian Morgenstern" zu hören, die ihnen anscheinend sehr gefallen haben. Hier eine kleine Kostprobe:
Die Trichter.
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht,
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fliesst weißes Mondlicht
still und heiter
auf ihren Waldweg
u. s. w.
Chr. Morgenstern.
Während Pater Esch, unser Bundesführer, zu den Eltern spricht, hält Frater Rausch einen Kreis, in dem er zu uns vom echten Neudeutschen spricht, dem es etwas hohes ist, Knappe zu werden, und der sich in seiner Knappenzeit zu einem echten Ritter erziehen soll. Leider wurde dann Frater Rausch durch ein Telephongespräch sofort nach Köln gerufen, so dass die Feier, die im Dom stattfinden sollte, ausfallen mußte. Damit fiel dann auch die Knappenweihe ins Wasser. Nach den einzelnen Kreisen nahmen wir den Kaffee mit unseren Eltern gemeinsam ein. Alles war reichlich und alles wurde nachgeliefert, nur keine Butter. Es waren doch noch mehr
Eltern gekommen als wir erwartet hatten, und infolge dessen war zu wenig Kaffee bestellt. Aber die Ritter, die dafür ausscheiden sollten, hatten ausser Sitzplätzen alles, was ihr Herz begehrte. Man durfte sich nicht einmal umdrehen, schon hatten sie einem die Tasse ausgetrunken, oder das geschmierte Butterbrot geklaut. Nach dem Kaffee war dann in der Hauskapelle eine kurze Andacht, in der wir die deutsche Komplet sangen, die als machtvolles Dankgebet den Abschluß des Tages bilden sollte. Nun musste es wieder heimwärts gehen. Die erste Staffel startete; aber uns wollte Wifi über einen prima Bergfahrt nach Hause führen. Er führte uns hinter dem Hause den Berg hinauf, und dann sausten wir in einem tollen Tempo herunter, wobei Wifi selbst bald im Sumpf landete. Dann wieder eine endlos lange Zeit die Räder raufgeschoben bis zur Spitze und endlich durch Matsch und über Wurzeln ins Tal. So haben wir uns in Spiel, Freude und Gebet Kraft geholt, um den Kampf in der Grossstadt wieder aufzunehmen. Denn wir leben ja in einer Zeit, wo gerade wir Jungen Kraft nötig haben, in einer Zeit, von der wir später mit Stolz sagen können: „Es war die Kampfzeit!"
hafei.
Knappenweihe
28. Okt. 38. .... Heute soll die Knappenweihe der Gruppe Aposteln steigen. Es ist 6 Uhr abends. Die Gruppe ist im Heim versammelt. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen. Kurz vor 7 Uhr hauen die Fußgänger nach der Georgskirche ab. Hier in der Krypta soll die Weihe stattfinden. Bald danach folgen die Radfahrer. Mit großem Gebrüll und Geklingel werden die abendlichen Straßen unsicher gemacht. ½ 8 Uhr. Eine Doppelreihe von 40 Jungen zieht durch das Hauptschiff der Kirche hinab in die Krypta. Vorne das Banner, dann die 6 Jungknappen, die heute Christus ihr Treuwort geben werden. Jetzt ist der Zug in der Krypta angelangt. In einem Halbkreis stellt sich die Gruppe auf. - Sie steht um den Altar. Vor dem Altar steht das Banner und die sechs Jungknappen. Eine feuchte Kühle durchflutet die alte Krypta. Von den Lampen herab fließt gleissendes Licht durch den stillen Raum. Alt ist die Krypta. In ihr haben schon Jahrhunderte gekniet und gebetet. Heute steht eine neue Generation um den Altar, um sich Christus ganz zu verschreiben. Leise stimmt eine Klampfe ein Lied an. Vierzig kräftige Jungenstimmen fal-
len ein, und wuchtig klingt ein Lied zur Ehre Gottes in die feierliche Stille hinein. Dann ertönt die Stimme eines Sprechers. Klar und hell dröhnen die Antworten der Jungen durch die Krypta und das weite Schiff der Kirche. Das Banner senkt sich vor dem Altar. Der Augenblick der Knappenweihe ist gekommen. Der Jungknappe Paul Fischer tritt vor. Er legt seine linke Hand auf den Bannerschaft und gelobt auf die Frage des Priesters mit den Worten: „Ich gelobe Treue!" Christus die Nachfolge. Der Priester steckt ihm dann das Knappenabzeichen an und reicht ihm die Hand. Jetzt ist er ein neudeutscher Knappe. Dann folgen die andern. Jeder von ihnen gelobt Christus mit den gleichen Worten Treue. Die letzten Töne eines Michaelsliedes verklingen. „Sankt Michael salva nos." Der Priester ruft noch einmal Gottes Segen auf die Knappen herab. „Du aber wirst strahlen noch lang nach der Zeit in himmlischer Glorie in all Ewigkeit." Mit diesem Liede stellen sich alle unter den besonderen Schutz Mariens. Maria ist die Bundeskönigin. Auch über die neu geweihten Knappen soll sie ihren Mantel breiten. Das Banner neigt sich vor dem Altar. Langsam verlässt die Schar die Krypta. Die Weihe ist aus. Die Lichter verlöschen. Einer nach dem andern verlässt die Kirche. Unter ihnen sind auch 6 neue Knappen, die heute zu Streitern und Soldaten des ewigen Reiches Christi geweiht wurden. Draussen aber tobt der Lärm einer anderen Welt.
Tom.
Langemarck
„Westlich Langemarck"... Alle in Feierkluft, so sitzen wir im Viereck, welches nach dem Kreuz hin offen ist. Unter dem Kreuz steht unsere Trommel und daneben zwei dicke Kerzen, die das ganze Heim in ein feierliches Licht tauchen. Wir hören von den Helden des grossen Krieges, die uns Vorbild sein sollen. - Willi spricht von der Einheit <Gott und Reich>: „Auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten stand und steht <Gott mit uns>! Dieses <Gott mit uns> sollte nicht nur eine leere Phrase sein, und das war es im Kriege auch nicht. Der deutsche Soldat, der da mit dem Kreuz in der Hand und dem Wort <Deutschland> auf den Lippen sein junges Leben vollendete, der muss uns Vorbild sein. - - - „Skaggerackschlacht! Die Aufbauten des Kreuzers sind fast alle beschädigt, aber noch immer spei-
en einige Geschütze ihre todbringenden Granaten gegen den Engländer. - Da plötzlich dringt Rauch aus den Kojen, die in der Nähe der Munitionsbunker liegen. Einen Augenblick lang stehen die Offiziere und Mannschaften in lähmenden Entsetzen. - Jetzt, wo der Engländer zurückweicht, soll sie das Schicksal noch erreichen!? - Noch eine Rettung! Jetzt die Schleusen in den Kohlenbunkern öffnen! - Unmöglich! - - - Der Weg dorthin führt ja durch die brennenden Kojen. - Da plötzlich geschieht das Unglaubliche! - Ein Matrose springt in ein Fass mit Wasser, und völlig durchnässt stürzt er schon die Treppe hinunter zu den Kojen. Dichter Rauch schlägt ihm entgegen und raubt ihm den Atem. Aber es geht um das Leben aller Kameraden. Die eisernen Treppenstufen glühen und versengen ihm die Fußsohlen. Aber nur weiter! Schon hat er einen Schleusendeckel in der Hand und reisst mit Leibeskräften an dem Hebel. Es gelingt! Die Schleusen sind offen! Jetzt noch zurück. Er taumelt durch die Gänge. Brennende Sparren fallen auf ihn nieder. Seine durch die Hitze ausgedörrten Kleider fangen schon Feuer. Da hat er die Mannschaftskojen erreicht. Mit letzter Kraft kriecht er die Treppe hinauf. Auf Deck angekommen, reisst er sich noch einmal zusammen. Die Hand zum Gruss erhoben, so tritt er vor seinen Kommandanten und meldet mit lauter Stimme: „Befehl ausgeführt! Schleusen geöff-
net!" - - Dann bricht er tot zusammen." Frater Rausch spricht von der Bedeutung dieser Begebenheit für uns: „Deutschland, unser Vaterland, ist das Schiff, das in Brand gerät. Das Christentum ist der Mittelpunkt des Schiffes, und wenn der einmal in Flammen steht, dann bricht das Schiff nach kurzer Zeit auseinander, wenn es nicht gelingt, das Feuer zu löschen! Dann ist Deutschland verloren. Wir Jungen sind die Freiwilligen, die die 1000jährige Geschichte des Reiches erhalten müssen. Wir Jungen müssen den Brand, der überall im Schiff auflodert, im Keime ersticken. Wir müssen gleich dem Matrosen den Kampf mit den Gewalten aufnehmen, auch wenn der Kampf von uns Alles fordert. Wir wissen: Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben!
wist.
Frohbotschaft der Weihnacht
Am 21. Dezember kam die Gruppe zu einer Weihnachtsfeier zusammen. Es lag eine feierliche Stimmung über uns, und liess uns kein lautes Wort sprechen. Unser Heim war dunkel. In einer Ecke stand die Krippe, von innen her matt beleuchtet. Auf dem Tisch lagen die Geschenke, die wir selber gebastelt, gezeichnet oder sonst irgendwie hergestellt hatten, und mitten darin standen drei Kerzen. Wist sprach zu uns vom echten Schenken: Heute schenkt man meistens in einer falschen Gesinnung. Man sieht darauf, dass man praktisch schenkt. Wir wollen anders geben. Jede Gabe soll ein Stück von uns selbst sein, wir wollen uns mit dieser Gabe selbst dem Bruder schenken. Darum haben wir uns ja auch mit eigenen Händen an den Geschenken abgemüht. - Nach dem Wist gesprochen hatte, war tiefe Stille. Jetzt auf einmal bekam unser Schenken einen Sinn. Wir hatten früher nie darüber nachgedacht. Ein frohes Gefühl zog in unsere Herzen ein. Wir selbst schenken uns dem Bruder - wir wissen nicht wem - wir schenken uns Allen! - Dann sprach unser geistlicher Gruppenführer vom Weihnachtsgeheimnis. Nicht das Schen-
ken und Empfangen ist die Hauptsache, sondern das große Weihnachtsgeheimnis: Christus wird für uns arme Menschen selbst ein Mensch! Uns fällt die Aufgabe zu, diesen Weihnachtsgedanken ins deutsche Volk zu tragen. - Dann erhielt jeder von uns ein kleines Päckchen, das Geschenk eines Bruders. Jeder merkt aus einem inneren Trieb heraus, dass er das Päckchen jetzt nicht öffnen darf. - Gross war die Freude, als wir zu Hause das Geschenk unseren Eltern zeigten und erzählten, dass wir nicht wüßten, von wem das Geschenk wäre. Aber das war gerade das Schöne, dass wir nicht wußten, wer uns beschenkt hatte. Irgend einer aus der Gruppe hatte dieses Geschenk gebastelt, und darum wurde es für uns zum Ausdruck unserer großen Gemeinschaft, die uns alle zu Brüdern macht.
hafei.
Die ihr Soldaten seid unter dieser Fahne,
schlaft nicht, schlaft nicht,
denn es gibt keinen Frieden auf Erden.
Christus selber wollte sterben wie ein
starker Hauptmann.
Lasst uns ihm folgen,
denn wir sind an seinem Tode schuld.
Welches Glück, in diesem Kriege zu stehen,
schlaft nicht, schlaft nicht.
Gott bedarf der Erde,
kein Feigling sei unter euch;
wagen wir das Leben,
denn der wird es sich am besten bewahren,
der es verloren gibt.
Christus ist unser Fuehrer
und der Lohn dieses Krieges.
Schlaft nicht, schlaft nicht,
denn es gibt keinen Frieden auf Erden!
[hl. Theresa]
Vor meinem Fenster liegt die dunkle Welt. Meine Blicke gehen hinaus in die werdende Nacht. Heute sind keine Sterne am Himmel zur Wache aufgezogen. Die Welt hat ihr dunkelstes Kleid angezogen. Das machen die Schneewolken, die schon lange am Himmel stehen. Nur schwach erkenne ich im Abenddunkel die Umrisse der kleinen Dorfkirche, die vor mir liegt. Jetzt schicken die Glocken des Kirchleins ihre Botschaft über das abendliche Land. Im Dorf unten hört die Arbeit auf, und der Feierabend zieht ein in die kleinen Dorfstuben. Die Natur bereitet sich zur Nacht vor. Immer ruhiger wird es im Tier- und Pflanzenreich. Stille ist es geworden auf der Welt; aber es scheint nur so. Denn hinten, hinter den letzten Ufergräsern trägt der Strom seine Wellen Tag und Nacht dem fernen Meere zu. Für ihn gibt es keine Ruhe. Jetzt tanzen auf seinem breiten Rücken kleine und große Eisschollen hin und her. Es ist kalt, denn in den letzten Tagen hat es stark gefroren. Wie lange wohl mag der Strom schon durch unsere Heimat rauschen? Wo wird sein Wasser, das er jetzt stolz durch unser Land trägt, einmal aufhören? Das fällt mir jetzt ein, und ich weiß keine Antwort. Ich glaube, es gibt keinen, der es weiß. Oder doch? Doch, einer ist da, der all der Dinge weiß, die auf der Welt geschehen. Das ist der Schöpfer, der schon seit Ewigkeiten über dieser Welt thront. Er war, ehe der Strom hier sein Bett
hatte. In seiner Hand ruhen wir und die Welt. Zieht er sie weg, so versinken wir in ein unendliches Nichts. Am jenseitigen Ufer leuchten jetzt die Lichter einer Fabrik auf. Die Glocken sind stille geworden. Langsam legt sich völliges Schweigen über das Land. Die Welt schläft. Nur hinten in der Fabrik geht die Arbeit weiter. Draußen ist es stille geworden und in mir auch. Ich schaue hinaus in die große Nacht an deren Rand immer mehr Lichter aufglimmen. Dann blicke ich zurück in die Ferne meines Jungenlebens, und ich sehe jetzt eine andere Welt. Sie gehört mir. Ich blicke zurück und sehe viele Schatten; aber hier und da glitzern Lichter auf, gerade wie am anderen Ufer des Stromes. Sie machen mich, mich den Jungen sehr froh. Jetzt höre ich in mir Glocken und die Stimme eines großen Flußes. Sie erzählen mir ein Leben, das ich gut kenne. Ich erblicke in der Ferne eine lichte Gestalt, die immer näher kommt. Licht trägt sie in sich, das alles andere Licht weit überstrahlt. Sie blickt mich an, u. ich kenne die Gestalt. Oft habe ich sie gesehen. Es ist der Herr, den ich immer sehe. Er erzählt mir von seinem Kreuzestod, durch den er die ganze Welt erlöste. Auch mich hat er erlöst. - - Langsam geht der Herr wieder. Ich habe Befehl. In mir hat sich eine große Ruhe ausgebreitet. Morgen will ich zur Beichte gehen. Das hat er mir gesagt. Draußen aber rauscht der Strom und die Lichter glänzen immer noch in der Nacht. In mir aber ist ein großes Firnlicht. Es ruft. Ich will ihm folgen!
„Allzeit bereit!"
Tom.
Fähnleinfahrt
Dienstag. Abitur. Schulfrei. Prima. Tolle Sache. Rausfahren!!! „Janz jroß." Ziel: Rehlsiefen. Um 4 Uhr Start, Markthalle, Heumarkt. So geschah es denn auch. Am Montagnachmittag um 4 Uhr traf sich unser Fähnlein am Heumarkt. Es liefen ein: Paul, Ernst, Hafei, Pitter, Helmuth, Schlips, Jupp, Leini, Willi und Tom. Unser Ritt ging durch die Stadt über die Hohenzollernbrücke, und bald waren wir schon in Kalk, und damit auf dem besten Wege aus dem Großstadtgedränge herauszukommen, da klappte es plötzlich mit der Luft im Hinterrad von Leini nicht mehr, und wir mußten flicken. Willi flickte, aber wie?!
mit der Luft im Hinterrad von Leini klappte es nicht mehr...
Kaum war Leini 200 m gefahren, so war im Hinterradschlauch nichts mehr als luftleerer Raum. Also das Schauspiel von neuem. Bis auf Hafei, Leini, Willi und Tom sollte alles vorfahren. Das wurde denn auch so gemacht. Die edlen Vier, die zurückgeblieben waren, bemühten sich nun, die Öffnung im Hinterradschlauch wieder zu schließen, was auch wahrhaftig ge-
lang. Dann strampelten auch diese Richtung Rehlsiefen weiter. Hinter Königsforst, in der Siedlung Klein Eichen stellte Tom noch seine Pfadfindereigenschaften unter Beweis. Wie er das machte? na, Schwamm drüber! Willi hatte dann auf einmal Hunger. Soll in den besten Familien vorkommen. Auf stillen Waldwegen wurde dieses unangenehme Gefühl beseitigt, verbunden mit Flaschenzielwerfen. Um ½ 8 Uhr gondelten wir dann in das weltbekannte „Kaff" Rehlsiefen ein. Die vorhandenen Öfen wurden nach einigen vergeblichen Bemühungen in Brand gesetzt, und dann dampfte bald der Tee, und die Butterbrote lagen griffbereit auf dem Tisch. Alles stürzte sich auf dieses phantastische Mahl. Um 11 Uhr verschwanden wir, nachdem wir uns unter Gottes weitem Himmel bei Christus und seiner Mutter gemeldet hatten, in die oberen Gemächer und wollten anfangen zu pennen. Es blieb aber vorläufig nur beim Wollen, denn Pitter trat jetzt in Aktion. Er führte verschiedene Tragödien und Komödien in altbekannter Frische auf. Am Ende jeder Vorstellung war dann mehr Staub als Luft da, und so waren wir dem Ersticken mehrmals sehr nahe. Schließlich beruhigen sich ja auch die heißesten Gemüter, und Pitter wurde nach einigen Karnevalsschlagern und Volksreden auch ruhiger, und endlich hörte man ihn nur noch stöhnen. Er fragte wohl ein paarmal noch,
wie spät es sei, hielt aber dann völlig seinen hochweisen Schnabel. Die Voraussetzung zum Schlafen war also gegeben, wenn nicht der Boden und die Kälte gewesen wären. Einige schliefen andere nicht! Müde aber waren alle, als es morgens um 6 Uhr hiess: Raus aus den nicht vorhandenen Federn! Allmählich wurde sich dann angezogen, und um ¼ 7 Uhr waren wir startbereit, um in Scheiderhöhe die hl. Messe zu besuchen. Nach einem schönen Weg durch das erwachende Land, über das sich ein prächtiger Morgenhimmel wölbte, kamen wir in Scheiderhöhe an und wohnten einem Dorfschulgottesdienst bei. Wie's war? O! wir wollten schweigen wie das Grab. Es ist besser. Als wir um halb neun Uhr ankamen, und zwar in Rehlsiefen, erwartete uns ein fabelhafter Kaffee, von dem Streichholzmann und Schlips, den beiden treusorgenden Hausgeistern, zubereitet. Heute war Dienstag. Also Liturgische Messe. Nichts erinnerte uns daran, als nur das kornkaffeebraune Gesöff. Aber es schmeckte trotzdem. Dann gings auf zur Agger. Hier wurde Zielwerfen u. Floßschwimmen veranstaltet. Zwei hopsten sogar für kurze Zeit im Wasser herum.
Tom wagt den Sprung ins kühle Nass...
Dann war Mittag, und es gab wieder was
zu essen. Zement nebst Kieselsteinen, hiess dieser Frass. Leini, der Oberkoch und Hafei, sein Gehilfe, zeichneten dafür verantwortlich. Mut haben die Kerle, das muß man ihnen lassen. Nachspeise: stehengebliebener und von uns gefundener Pudding. Nach diesem hervorragenden Diner begann der „Nachmittagssport" auf dem „Sportplatz vor dem Hause". Es steig ein Ringhandballspiel, bei dem jede Partei einmal Sieger blieb. Es waren 2, sportlich hochstehende Kämpfe!! Nur Willi, der Strunckige, fiel wie immer aus dem Bilderrahmen. Er mußte sich wieder raufen. Hätten wir das Vorhandensein eines Schiedsrichters bemerkt, so wäre er bestimmt vom Platz geflogen. (Wer wäre vom Platz geflogen? Frage der Schriftleitung!) Nach dieser körperlichen Betätigung, bei der das ganze Mittagessen verdaut wurde, wurde die Bude aufgeräumt und dreimal gekehrt. Und um 4 Uhr war alles zum Abmarsch fertig. In Richtung Köln ging es dann los. Im Königsforst wurden die letzten Butterbrote zugunsten der notleidenden Fähnleinkasse versteigert, und der Einmarsch in Köln begann. Kurz vor 6 Uhr kamen wir am Dom an. Dann flogen wir in alle Winde auseinander, und jeder trug seine müden Knochen heim. Die einen hatten im Abitur geschwitzt, wir dagegen hatten vor den Toren Kölns geschwitzt bezw. gefroren!!! Was war wohl schöner? Wer dabei war, der weiss es. Ich auch!!
Tom.
1. Juli 1939.
Rollt eure Fahnen um den Schaft
Und geht wie stumme Boten.
Die Macht ist über unsre Kraft,
Die Macht hat es geboten.
Die Strasse frei, der Lärm vergeht,
Wir ziehen in die Stille,
Und wenn auch keine Fahne weht,
Es bleibt uns doch der Wille...
Aus einem Tagebuch:
1. Juli 1939.
Es war ein großer Trauermarsch. Diesen 1. Juli werde ich nicht mehr vergessen können. Der Bund ist aufgelöst! - Nach dem Mittagessen kam „Ernst" mit Leini zu mir und brachten mir diese Nachricht, die ich im ersten Augenblick ganz gefaßt entgegennahm. Doch jetzt, wo ich schon im Bett liege, und dies aufschreiben will, kommt mir erst so richtig zu Bewußtsein, daß der Bund aufgelöst ist, daß er offiziell erschlagen ist. Nun kommen auch mir die Tränen, und ich glaube, daß es so in Ordnung ist. - Aber nun will ich der Reihe nach berichten: Ein großer Trauermarsch durch den glorreichen „von Hartmann-Gau" begann. Vater gab mir den Wagen, und, nach dem ich „Ernst" und Leini bei „Eisenmenger" abgeholt hatte, kloppten wir so der Reihe nach einzelne „Persönlichkeiten" ab. Es war für mich das Erlebnis des Bundes. Frau F. weinte, und da stand meine Führersendung und die Idee ganz groß vor mir. Und weiter ging die Fahrt, und überall, wo wir hinkamen, floß manche Träne in echtem, deutschem, katholischem Jungen. Nicht, daß sie das Taschentuch gezogen hätten. Nein, da spürte man, diese Tränen der Jungen wurden im Herzen und in der Seele geweint. Es war erschütternd, wenn ich an diese Gesichter zurückdenke und auch erhebend zugleich; denn der Bund war wirklich ein Stück von den Kerlen selbst. Der letzte Händedruck war dann auch mehr als ein Abschied, und der unter Tränen lachende Blick gelobte Treue. Treue! Jetzt besondere Treue. Der Bund lebt! Er lebt in unseren Herzen, und da kann ihn keiner verbieten und auflösen. Wir werden weiterhin Zeugen der Idee und Kämpfer für diese Idee sein, die da ist: Neu-Deutschland.
Am 7. Juli sollte die Nachfeier von Hafei's Namenstag steigen. Um 4 Uhr marschierten in die weiten Hallen am Morsdorfer Hof folgende Kanonen ein: Willi, Leini, Feddi, Werner, Helmuth, Kawa, Schlips, und Tom. Fr. R erschien auch bald und da war der ganze aufgelöste Verein um den Kaffeetisch versammelt. Bombig!! Feierlicher Friede sank auf die Kaffeetafel, denn Kaffee und Kuchen nahm alle in Anspruch. Der Fähnleinrekord wurde nicht gebrochen vonwegen „grauem DKW". Mann kann nie wissen. Später walzte auch noch Jupp seine Knochen heran. Nach dieser körperlichen Stärkung hielt Fr. R. ein Fähnlein. Er sprach zu uns von unserer Aufgabe, die wir als neudeutsche Knappen haben. Auch wenn die Organisation des Bundes beseitigt ist. Der Geist des Bundes muß immer leben. Wir aber sind die Träger dieses Geistes. Wir wollen diesen Geist hineintragen in das Herz unseres Vaterlandes. Treue und Mut werden von uns gefordert. „Laßt den Geist uns nicht verlöschen", so heißt die Losung des Bundes im Jahre seiner
äußeren Auflösung. „Laßt den Geist uns nicht verlöschen, so heißt die Losung des Bundes im Jahre seiner inneren Erneuerung. Und die die Besten waren, die ließen die Treue nicht. Wir wollen die Besten und Treuesten sein. Mögen auch noch so viele feige kneifen. Kein Spießer und Ofenheiliger wird das Banner unseres Bundes tragen können. Mag man uns auch die Banner geklaut haben, wir marschieren dennoch unserem Ziel entgegen, da da ist: Christus im Herzen aller Deutschen. „Nun sind Gesichter unsere Fahnen und Leiber unser Schaft." Wir wollen hintreten zum Opfer unseres Herrn und uns hier die Kraft zu echtem neudeutschem Knappen- und Rittertum holen. Denn wir wollen alle Ritter des Neudeutschen Bundes werden. - Auch wenn wir nicht mehr öffentlich das Ritterwort geben können. Tief in unseren Herzen werden wir vor Christus das Ritterwort sprechen. Unser Ritterabzeichen aber soll die Liebe zu Kirche und Volk sein. Als wir am Schluße dieses Fähnleins ein dreifaches Bundesave für unser Volk, für den Bund und für uns beteten, da wußte jeder von uns: Wir alle sind Brüder, einer ist unser Meister: Jesus Christus, des Deutschen Landes König.
Tom.
„Eine Postkarte aus Alpenwald angekommen. Wir werden mit Freuden erwartet!" Ungefähr mit diesen Worten betrat Willi unser Heim. Unsere Antwort war ein Freudengeheul, daß jedem Negerstamme alle Ehre gemacht hätte. Nun wurde die Fahrt eifrig besprochen. Atlanten wurden gewälzt, Globen gedreht, um den winzigen Ort Alpenwald im Österreichischen Allgäu zu finden. Nebenbei wurde noch viel Papier bekritzelt. Endlich waren wir uns einig: Am Donnerstag, den 27. Juli schieben wir los. Um ¼ vor 6 Uhr trafen wir uns bei Wist. Alle waren pünktlich zur Stelle. Doch Willi hatte seinen Affen noch nicht gepackt. Wir aber gingen noch mit anderen Kameraden in der Elendskirche zur Kommunion. Nachher trank jeder von uns eine Portion Spülwasser (Kaffee) und dann gingen wir zurück zum Wist. Dieser packte nun auch seinen Affen und um 8 Uhr gings dann los. Wir fuhren über Siegburg - Altenkirchen - Hahn nach Limburg. Unterwegs überholte
uns Familie Fein, die im Wagen nach Meudt fuhr. Auch ein Studienrat war dabei. Als er mich sah, zog er das Gesicht verächtlich in Falten und sagte: „Kommste auch noch mit, Kleiner?" Leider fuhr er bald wieder weiter. So hatte ich keine Zeit, ihm eine gebührende Antwort zu geben. Auf der Strecke machten uns einige „Erhebungen" das Leben recht sauer. Doch alles war wieder vergessen, als wir um 6 ½ Uhr die Türme des Domes von Limburg erblickten. Nun suchten wir das Gesellenhaus auf, in dem wir auch Quartier fanden. Wir mußten zwar teilweise zu zweien in einem Bette schlafen, aber trotzdem lagen wir bald in tiefen Schlaf, aus dem wir Wist mit den Worten herausrissen: „Aufstehen zum Kirchgang!" Schnell waren wir aus den Federn und angezogen. Nach dem „Kaffee-Trinken" schwangen wir uns auf das Stahlroß, ich auf meinen Drahtesel. Heute wollten wir nach Dieburg im Odenwald. In Frankfurt besichtigten wir den Römer unter anderem. In Dieburg gab es keine Unterkunftsmöglichkeiten, vielmehr, wir bemühten uns erst gar nicht darum, sondern beschlossen in Anbetracht des fabelhaften Wetters zu zelten. Hier trat zum ersten Male das Kochkommando Leini - Jojo in Kraft. Es gab Haferflockensuppe beim ersten Gang. Der zweite Gang bestand aus Butterbroten mit Tee, der dritte aus „geernteten" Aepfeln. Der Gang zu „Mama-Grün" war der vierte. Danach wurden Wachen eingeteilt. Doch fiel nichts besonderes vor. Am Samstag wollten wir dann durch den Odenwald bis
Neckarsulm. Wir gelangten aber dann, weil Ernst u. Leini unterwegs es vorzogen, die ersten Pannen zu bekommen, nur bis Eberbach am Neckar. Zehn Kilometer vor Eberbach machte sich das Zahnrad von Ernst's Tretlager selbstständig, und so konnte er nicht mehr weiter fahren. Doch Leini kam auf die gute Idee, das Rad ins Schlepptau zu nehmen. Ich als der Leichteste schwang mich auf Ernst's Rad und dann fuhren wir los. Glücklicherweise ging es meist bergab. So erreichten wir ohne Zwischenfall Eberbach und brachten das Rad zur Reparatur. Willi und Hafei gingen unterdessen zum Pfarrer und fragten nach Schlafgelegenheit. Dieser war nach einigen „diplomatischen" Verhandlungen sehr freundlich und sagte, vier Mann könnten bei ihm schlafen. Die übrigen drei wollte er privat unterbringen. Außerdem lud er uns zum Abendessen ein. Zuerst gingen wir nun zu einem kleinen Bach und nahmen ein zünftiges Stahlbad. Um 7 ½ Uhr gingen wir dann, äußerlich ein ganz anderer Mensch, zum Herrn Pfarrer. Nach einem feudalen Essen wurden wir zu unseren Schlafstellen geführt. Ich kam mit Leini zu einer Familie Fleck, bei der wir prima aufgenommen wurden. Am Morgen nach d. hl. Messe erlebten wir noch einen tollen Kaffee und fuhren dann los nach Stuttgart. Die Sonne brannte vom Himmel und Helmuth holte sich einen zackigen Sonnenstich. Bis Heilbronn, wo wir Post abholten, fuhren wir Rekordzeit. Sonst verlief die Fahrt ohne Zwi-
schenfall. In Stuttgart erwartete uns aber noch eine besondere Überraschung, denn alles war von KdF überfüllt. Wir liefen von Haus zu Haus, um unterzukommen. Endlich fanden wir in einem Jugend-Vereinshaus ein Nachtlager. Von Stuttgart fuhren wir am nächsten Tage nach Ulm per Eisenbahn, um unserem Ziele schneller näher zu kommen. Um 12 ½ Uhr waren wir in Ulm, wo wir in einem klotzigen Gesellenhaus abstiegen. Wir erhielten prima Unterkunft und Essen, was die Hauptsache war. Keiner fiel aus der Rolle, keiner rollte aus der Falle. Am Nachmittag gingen wir an die Donau, um zu schwimmen. Bei dieser Gelegenheit machte sich Leinis Brille unverschämterweise selbstständig und schwamm donauabwärts zum Schwarzen Meer. Um 6 Uhr holten wir Hännschen vom Bahnhof ab. Er war uns mit der Eisenbahn nachgefahren. Am Dienstag ging dann die Fahrt über Memmingen nach Kempten. Hinter Memmingen kochten wir ab. Wir wollten Nudeln mit Rosinen kochen, hatten aber nur ½ Pfund Nudeln und 2 Pfund Rosinen. Deshalb mußte ich, weil ich, wie schon erwähnt, der Leichtgewichtler der Bande war und deshalb nach Willis grauer Theorie wohl den wenigsten Luftwiderstand zu überwinden hatte, fünf Km zurück-
fahren, um noch welche zu holen. Danach kochten wir, dass uns die Tränen vor Freude über das schöne Holzfeuer die Backen herunterliefen. Dann fuhren wir weiter nach Kempten, wo Wist sein entartetes Stahlroß „bändigen" liess. Wir wollten hier zelten. Ein Lagerplatz war sofort gefunden mit fabelhaftem Blick auf die Alpen. Schnell wurde das Zelt aufgeschlagen und Tee gekocht. Nach dem Abendessen krochen wir ins Zelt und waren bald eingeschlafen. Am nächsten Morgen waren wir schon früh unterwegs, denn das Ziel unserer Fahrt, Alpenwald, lockte. Vor Immenstadt wurden wir auseinandergerissen. Leini, Helmuth u. ich hatten nämlich einen Lastwagen erwischt. Doch nacheinander ließen Leini und dann Helmuth los. Zuletzt wurde mir die Fahrt auch zu toll und ich ließ den Wagen sausen. Vor Sonthofen holte mich Helmuth, an einem Laster hängend, ein. Bis Sonthofen ließ ich mich auch ziehen. Dann fuhren wir beide bis Oberstdorf durch. Hier warteten wir eineinhalb Stunden lang vergebens auf die Übrigen. Als sie da noch nicht kamen, fuhren wir weiter bis nach Mittelberg. Hier fragten wir schon mal nach unserem Bestimmungsort und erfuhren ihn endlich auf dem „Verkehrsamt", einem alten, ausgedienten Selterswasserbüdchen. Nach zwei Stunden kamen auch die anderen an, und dann gingen wir gemeinsam zu unseren Gastgebern, Familie Hilbrandt, bei der wir sehr freundlich aufgenommen wurden.
Jojo.
Mittwoch nachmittag. Es ist jetzt ½ 4 Uhr. Soeben sind wir in Alpenwald angekommen. Nach sieben Tagen Fahrt sind wir hier also wohlbehalten eingetroffen. Es ist sogar schon ein Paket erschienen. Es waren aber leider nur Seidenhemden für Helmuth drin. Nach dem wir unsere bombige Bude genug bestaunt und berochen haben, verschwinden wir in die Breitach und nehmen ein Stahlbad. Danach war es Zeit. Wir assen und verschwanden dann ins Heu. Hier sank alles in einen wohligen Schlaf, der bis zum anderen Morgen anhielt. Um 7 Uhr musste alles raus. Nachdem Kaffee machte eine Abteilung die umliegenden Wildbäche unsicher, während der andere Verein versuchte ein Mittagessen herzustellen. Es klappte sogar. Nach dem Essen setzte allgemeiner Regen ein. Man vertrieb sich also die Zeit, in dem man seinem Nachbarn, einem Hochwohlgeborenen Schwein, einen Besuch abstattete und sich die Stinkerei energisch verbat. Abends gab es dann wieder was zu essen und danach wurde ein saublöder Abend gestartet. Blöd in allen Tonlagen. Helmuth und Leini stöhnten sich auch noch die Alm hinauf, um Milch zu holen. Ersterer vor allen Dingen. Dann gings mit viel Radau in die Klappe. Am Freitagmorgen mussten wir morgens früh aus den Federn kriechen, denn wir wollten um 7 Uhr in Mittelberg in die hl. Messe gehen. Nach der Messe bekamen wir 2 RM für die Fahrtenkasse gestiftet von einem unbekannten Spender. Der Staat verleihe ihm einen Orden. Im Regen talpsten wir dann zu unserer Hütte
zurück, hielten hier den ganzen Tag das Heu warm und genossen die Ia Stalluft. Leini kochte prima Haferflocken. Schade, dass er Salz mit Zucker verwechselte. Es hätte sonst bestimmt gut geschmeckt. Bei Regen gings dann in die Falle. Allgeeemeine Schmetterei. Angefangen vom „Ollen Platoff" bis zum „Haut euch schwer". Samstagmorgen veranstalteten wir in Mittelberg eine tolle Einkauferei, und hinter den letzten Häusern von Baad wurde nach Pilzen und Waldbeeren gesucht. Erfolg: teils, teils. Nach dem Essen setzten wir uns zu einem Kreis zusammen. Willi sprach zu uns über unsere Sendung, die wir als echte Neudeutsche haben an unserer Schule, in unserer Stadt und in unserem Vaterland. Danach in der Breitach ein tolles Bootsrennen. Am Abend statteten wir Mittelberg noch einen Besuch ab, mit dem Erfolg, dass wir noch zwei Pakete bekamen. Der Abend wurde dann mit Kuchenschmatzerei herumgebracht. Am anderen Tag war Sonntag. Wir mussten schon um fünfe raus, denn um 6 ¼ Uhr war Messe. Ja ja, in Österreich sind die Leute fortgeschritten. Den ganzen Morgen gabs dann
wieder Regen. Leini und Tom rannten in Navajotracht nochmals nach Mittelberg in der Hoffnung auf ein Paket. Es blieb aber bei der Hoffnung. Mittags wurde das Wetter schwer besser. Weil Sonntag war, gab es einen Nachmittagskaffee und dieser war wahrhaftig mit Kuchen ausgestattet. Helmuth hatte ja auch Geburtstag. Ich glaube er wurde drei Jahre alt. Montags bestiegen wir den Bärenkopf. Nachdem wir die Messe besucht hatten, begann der Sturm zu den Höhen. Der ganze Verein war mit, ausser Ernst, dem die Schuhe zu klein waren, und Helmuth, der Plattfüße hatte und dem während der Regenzeit das Gehirn ausgelaufen war. Ich kann bestimmt nichts dafür. Um 12 Uhr hatten wir nach einem mühevollen Aufstieg den Gipfel erreicht. Unter dem Gipfelkreuz beteten wir das Bundesave. Vor uns lag ein prächtiges Land. Weit ging unser Blick über die fernen Bergketten der Alpen. Unser Abstieg ging zum grössten Teil auf der Sitzgelegenheit vonstatten. Wir wollten auch noch einen Gletscher zertrümmern, aber nicht immer wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Als wir abends unten ankamen, waren wir alle froh als wir unter der Zeltbahn lagen und schliefen. Am anderen Morgen wurde der hohe Beschluß gefasst, eine Fähnleinringtennismeisterschaft auszuführen. Also spielte man den ganzen Tag Ringtennis. Nachts aber begann eine große Attraktion. Helmuth sollte schwarz gemacht werden. Jojo fing gegen 10 Uhr an: „Helmuth, willste en Kamell?" Als Jojo ihn zum dritten Mal fragte, wurde Helmuth wach. Da sass d. Kleine,
der „nicht mehr mitkommt", schön in der Tinte. Aber Eberhard, nicht dumm, ist war nicht weggelaufen aber hat gefragt: „Ränt et durch?" Darauf gab Helmuth ein Stöhnen von sich und schlief weiter. Nach weiteren 15 Minuten wurde Hafei geweckt, und nun sollte der grosse Tanz beginnen. Ausser Leini und Helmuth war alles wach. Allgemeines Gegrinse und Gelächter. Hafei führte Regie. Durch eine Falschmeldung wurde die ganze Prozedur nicht genügend ausgeführt u. Helmuth blieb auf einer Backe verschont. Um elf Uhr war alles wieder am schlafen. Mitten in der Nacht weckt Hänschen Tom und lispelt: „Do de Leini". Tom stiert Leini an und der brüllt: „Plaat, wie is et, de Helmuth schwaz mache." Darauf Tom: „Do Rindvieh, dä is als längs fädig." Am anderen Morgen, es war ein Mittwoch, erwachen mit dem ortsüblichen Gegrinse. Helmuth wäscht sich wie üblich nicht. So geht auch das gute Schuhfett nicht verloren. Wohl werden morgens die Ringtennismeisterschaften fortgesetzt, aber mittags müssen sie auf Befehl Frau Hilbrandts abgebrochen werden. Wir setzen uns nochmals zu einem Kreis zusammen und sprechen über unsere praktische Arbeit, die wir in junger Kirche leisten müssen. Um 4 Uhr werden in der Breitach Bootsrennen und Stahlbäder veranstaltet. Am Donnerstag besteigen wir den Widderstein. (2500 m) Nach der Messe gehts los. Wir trotteln treu dem Weg nach. Vor uns K.d.F. - hinter uns K.d.F. Unterwegs wird uns noch gesagt, dass Köln ein schwarzes Nest ist, und um 12 Uhr ha-
ben wir die grosse Freude, auf dem Gipfel goldige Menschen zu treffen. Wie gesagt, alles Kummer der Familie. Wir waren diesmal zu sieben oben. Helmuth war, wie vorauszusehen zu Tode krank. Bruder Leo würde sagen: „In Gottes Namen!" Ich sage es auch. Unser Rückmarsch ging über den Hochalppass durchs Baergunttal und über Baad zur Hütte zurück. Abends, als wir ankamen, war Helmuth wieder gesund. Freitags brieten wir den ganzen Morgen in der Sonne. Für den Nachmittag war Schwimmerei vorgesehen. Auf dem Weg zum „Schwimmbad" watschelte uns Andreas entgegen. Das Schwimmbad war eine einzige Dynamitfehlzündung. Wenig Wasser, wenig Platz, viel Geld und viele Menschen. Abends bekamen wir Besuch von der Piefen (nicht Fleuten) Wilhelm Mohren und Karl Heinrichs. Der angehende Schwarze war sogar krank. Er hatte Durchmarsch, eine beliebte Fahrtenkrankheit. Beide wollten eine Nacht bei uns pennen. Die Nacht von Freitag auf Samstag war Willis und Helmuths Abschiedsnacht. Willi hatte Sehnsucht (?) nach der Musterung und Helmuth Sehnsucht nach dem Hotel und weichen Betten. Mit dem Schwärzen Helmuths gab es nichts, da er vor Aufregung d. ganze Nacht nicht schlief. Jojo gelang es nur, die Uhr eine Stunde
vorzusetzen. So kam er nicht zu spät bei Mama an. Als Helmuth um 4 Uhr nachts abhaute und reichlich mit „Heil euch, heil euch" um sich schmiss, grinsten wir uns alle eins ins Heu. Von uns aus konnte er noch lange brüllen. Da wir aber doch wach waren, wurden für den Rest der Nacht unsere lieben Gäste geärgert. Anderen Morgens hielten wir auf die Aufforderung des Mittelberger Pfarrers hin eine „Gemeinschaftsmesse". Die Liturgie haben die guten Leutchen in Österreich auch nicht mit dem Schaumlöffel gegessen. Der Morgen wurde mit Vorbereitungen für Willis Abmarsch vertröttelt. Nachdem Mittags um drei Uhr Willi und die anderen zwei abgehauen waren, verfügten wir uns an eine andere Stelle an der Breitach und trieben hier allerlei Unfug. Als wir am Sonntag morgen um 5 Uhr aufstanden, hatte auch für uns die letzte Woche begonnen. Um ein viertel nach sechs Uhr gingen wir in die Messe und dann regnete es wieder den lieben laaangen Sonntag. Ein ganz fauler Tag nur von einem bombigen Nachmittagskaffee unterbrochen. Montags morgens allgemeines Pilzesuchen. Pilze in Massen. Das wird morgen einen Frass geben. Mittags krachselten wir im Nebel auf das Walmendingerhorn. Auf dem Gipfel viel Nebel und K.d.F. Beides dasselbe: Nicht viel wert!! Besonders auf Berggipfeln. Auf dem Rückmarsch erkundeten wir schon einen günstigen Platz für unser morgiges Feuer. Der 15.8. war unser vorletzter
Tag. Morgens rannten wir noch einmal wüst durch die Gegend und nachmittags Vorbereitung zum Feuer. Aber in letzter Minute fiel das Feuer ins Wasser. Von wegen Freiwillige Feuerwehr. Also verschwand der Mensch in sein Bett und träumte vom Bergfeuer. Der Mittwoch, der letzte Tag, war als allgemeiner Packtag angesetzt. Das Pack fing dann auch an, seine sieben Sachen zu packen. Bis jeder seine Klamotten zusammen hatte, war es Mittag geworden. Am Nachmittag wurde in der Breitach das letzte Stahlbad genommen. Leini bekam mit der allerletzten Post noch ein prima Paket. Dieses wurde dann am Abend feierlich geleert. Nach dieser körperlichen Stärkung, aus Hundekuchen, Karamellen und echtem Kuchen bestehend, verschwanden wir zum letzten mal im Heu und pennten in den ersten Fahrtag hinein.
Tom.
Um ½ 7 Uhr schwingen sich sieben Jungen auf ihre Räder und sausen über den schmalen Fussweg ins Tal. Die Berge der Allgäuer Alpen werfen noch ihre Schatten lang in das Tal. Bis vor das Pfarrhaus geht die wilde Jagd. Dort werden die Räder untergestellt. Dann gehen wir in die hl. Messe, um uns den Schutz Christi und seiner hl. Mutter für unsere Fahrt zu erbitten. Nach einem kurzen Kaffee bei den Schwestern, denn lang ging es nicht, da zu wenig Kaffee da war, konnte es losgehen. Trotzdem kostete es 1.80 M. Um 8 Uhr konnten wir starten. „Auf Wiedersehen Kawa! Tschüsssss Willi (Vieh)!" Dann rollen unsere Räder zu Tal. Nach einer halben Stunde Fahrt meint Ernst, in seinem Vorderreifen wäre keine Luft mehr. Das stimmte denn auch. Also erster Reifenwechsel. Andreas flickt (packt Werkzeug aus und ein), das andere macht Ernst selbst. „Fertig? - Weiter!" In weiten Abständen rast einer nach dem anderen in Oberstdorf hinein. Am Bahnhof treffen wir Kawa, den ein Auto bis hier mitgenommen hat. Andreas gibt Willis Rad auf; dann folgt ein neuer Abschied. Unsere kleine Schar bricht auf: Richtung Bodensee. Es wird ein tolles Tempo gefahren, bis sich einer nach dem anderen, oder über den anderen beschwert, und Hafei die Puste ausgeht. Man fährt etwas langsamer. Trotzdem halten wir schon um 4 Uhr unseren Einzug in Lindau. Im Gesellenhaus gibt man uns ein Zimmer. Der
Hausmeister ist noch nicht zu Hause. Nach einem Bummel... durch die Stadt, können wir den Hausmeister selbst besichtigen. Er ist sehr erbost darüber, dass wir uns, wie er meint, einfach auf das Zimmer gesetzt hätten. Im übrigen aber roch man ihm an, wo er herkam. Er wollte uns also rausschmeißen. Aber wir zogen zum Präfekten des Hauses und baten ihn um die Erlaubnis, im Gesellenhaus zu übernachten. Mit seiner Bescheinigung zogen wir wieder zum Hausmeister. Wir überreichten den Wisch, und aus Angst, er könnte nicht lesen, sagte der sehr vorlaute Tom: „Die Bescheinigung ist vom Präfekten." Da war der Hausmeister die Freundlichkeit selber, und weil wir es waren, bekamen wir die Betten zu dreißig Pfennig. - - „Loos raus!" schreit Tom, „et is schon ¼ vor 7!" Also raus. ¼ nach 7 ist die hl. Messe. Nach der Messe aber so schnell wie möglich aus diesem Gesellenhaus raus. Hinter Lindau essen wir einige Butterbrote und saure Äpfel. Dann fahren wir weiter und warten auf ein Zusammentreffen mit dem Bodensee; aber erst ab Mersburg bekommen wir ihn zu sehen. Kurz vor Ludwigshafen hatten wir uns gerade ehrlich einige Äpfel genommen, als ein Bauer kam und uns wegen Obstdiebstahls anzeigen wollte. Er fragte nach unseren Papieren. Papiere hatten wir keine, nur Ausweise, und die sind von Pappdeckel. Wir sollten mit nach Ludwigshafen fahren; aber damit ihm kei-
ner fortfuhr, liess er alle vorfahren. Wir waren das schnelle Fahren so gewohnt, dass der Bauer nicht mitkam, und als er vor Ludwigshafen „Spitze halt!!" schrie, flitzten wir schon hinter Ludwigshafen den Berg hinauf. Das lange Gesicht hätten wir gerne gesehen, aber keiner wollte nochmals umfahren. In Geisigen müht Tom sich vergebens um eine Unterkunft. Also weiter. In einem Wald zelten wir. „Du Leini, hol' doch mal deine Taschenlampe." Leini sucht. Es wird immer dunkler. „Mensch ich hab' meine Lampe verloren!" Nun aber los. Abkochen, Zelt bauen, sonst sehen wir nichts mehr. Nach dem Essen suchen zwei Mann das Zelt. Ein Glück war es, dass Jojo über ein Fahrrad stolperte, sonst hätten wir das Zelt in dieser Nacht nicht mehr gefunden. Einer hält das Vorderrad in die Höhe und der andere dreht. Ruckweise leuchtet die Radlampe auf. Jedesmal, wenn sie aufleuchtet, muss man feststellen, dass man nur noch einen cm vor einem Baum steht. Allmählich findet man sich am Zelt zusammen. Nach einer weiteren dramatischen Viertelstunde liegt denn alles in der Klappe. - 8 Uhr .... Start. Es ist noch gemein kalt
und alles liegt in dichtem Nebel. Erst langsam ringt sich die Sonne durch diesen Waschküchenqualm. Tapfer und treu schieben wir einen Berg nach dem anderen hinauf; aber wir sind ja allerhand gewöhnt und auf noch mehr gefaßt. Plötzlich taucht vor uns das Schild „Höllsteig" auf. „Eigentlich - - - - müßten wir jetzt oben sein", meint Hafei. Aber wir haben..... ganz bestimmt oben. Hinter Höllsteig essen wir mit bengalischer Beleuchtung zu Mittag. Rundherum sind Gewitter aufgezogen, und die Blitze zucken. Wir kriegen nur ein paar Tropfen mit. Dann sausen wir das Höllental hinunter und um 3 Uhr halten wir unseren Einzug in Freiburg. Wist erwartet uns in der Herrenstraße, die wir auch nach einigen Umwegen finden. „Los!" sagt er „macht voran, wir können das Münster umsonst besichtigen." Gewaschen und gekämmt erscheinen wir vor dem Münster. Ein Freiburger Kamerad nimmt uns auf seiner Führung mit und schickt uns auch auf den Turm. Gerade als wir oben sind, bricht ein Platzregen aus, und wir müssen den Turm fluchtartig verlassen. Nach der Besichtigung gehen wir in der Volksküche gut essen. Danach sucht Wist auf dem ganzen Bahnhof sein Rad, es ist noch nicht da. In der Zeit laufen Leini und Ernst, die nicht satt geworden sind, nochmals zur Volksküche. Nachher finden wir sie zu Hause mit so dicken Bäuchen, dass sie sich kaum regen können.
Allmählich kriechen wir in die Klappe. - - - Heute ist Sonntag. In frischem, ausnahmsweise sauberen Zustand gehen wir zum Dom und feiern die hl. Messe. Dann holt Wist sein Rad. Es ist wirklich da. Also können wir starten. Heute abend wollen wir bei „Bläck", dem ehemaligen Fähnleinführer von Wist, der jetzt als Kaplan hier in der Gegen wirkt, übernachten. Der Pastor in Achern soll seine Adresse wissen. Er weiss sie auch - - anscheinend. Jedenfalls gibt er uns eine an. Wir trampeln also 10 km weiter. Aber in dem Nest, wo wir auskommen, hat es nie einen Bläck gegeben. Wir zurück nach Achern. Unterwegs bleiben 3 Mann zurück. „Achtung Hafei, do kütt ne Buer!" Hafei bückt sich und sucht unter dem Baum nach Zwetschgen. „He is fott." Hafei pflückt jetzt die Zwetschgen vom Baum; einen ganzen Brotbeutel voll. Wir übernachten im Gesellenhaus zu Achern. - „Das Gesellenhaus ist soeben aufgelöst worden", sagt Willi am anderen Morgen, „wir haben hier zuletzt übernachtet." Wir sind ganz stolz. Nur schade, dass man das Haus nicht mehr empfehlen kann, denn das Übernachten kostete nichts. Nach der hl. Messe fahren wir los. Es ist heiß und es scheint sich etwas zusammenzubrauen.
Dicht gedrängt stehen wir Jungen in der Kaisergruft des Domes. Um uns kritisierende Menschen, die den Raum betrachten und den Stein, aber kein Auge erfasst die Grösse und Macht des Augenblicks. Wir aber stehen still und stramm; denn vor uns und unter uns ruhen Kaiser und Könige, die am Reich bauten. Hier unten, unter diesen gewaltigen Steinquadern liegen die zum letzten Schlaf gebettet, die das Fundament zu unserem gewaltigen Deutschland legten. Wir Jungen stehen still und stumm und achten nicht auf die auswendig gelernten Redensarten des Domführers. Wir wollen gar nicht das Alter und den Todestag dieser Edlen kennen, sondern, als deutsche Jungen in diesem Heiligtum der Deutschen, die Grossen des Reiches schweigend ehren. Hier spürt man die Macht und Kraft des Reiches. Hier liegen die Zeugen von Generationen, und wir, die junge Generation, erneuern in dieser Kaisergruft im Dome zu Speyer unsern Schwur:
Alles für Deutschland!
Wist.
Jetzt müssen wir aber unsere Fahrt etwas beschleunigen, wenn wir heute noch Bingen erreichen wollen. Also Tempo! Nach einem fabelhaften Start geht es denn nach Worms. Die Gegend ist ziemlich flach, sodass wir ganz in Fahrt kommen. Einige Leute behaupteten zwar nachher, man wäre verdammt schnell gefahren, aber es war ja nicht zu ändern. In Worms hatten wir dann eine feine, kurze Führung durch den gewaltigen Nibelungendom. Anschliessend war man sich dann sehr im Unklaren, ob man über Alzey und damit über Berge, oder ob man über Mainz am Rhein entlang fahren sollte. Die Entscheidung fällte eine schwarze Wolkenwand, die von Mainz aus immer näher rückte, sodass wir schleunigst vorzogen, über Alzey zu fahren. Allerdings wurden wir doch noch nass, aber das konnte uns nicht mehr erschüttern. Jetzt ging es durch eine zackige Gegend, die zwar restlos kultiviert, aber doch nicht langweilig war. Man konnte sich schon vorstellen, dass hier einmal, als diese Berge noch bewaldet waren, die Nibelungen mit ihren Recken gehaust hatten. In schneller Fahrt wären wir rechtzeitig in Bingen eingetroffen, wenn nicht etwa 16 km vor unserem Ziel ein Auto gelegen hätte, an dem sich drei „Schwarze" vergeblich bemühten, eine Panne am Hinterrad zu beheben. Willi aber sah darin eine Gelegenheit, seine überschüssige Kraft nützlich anzuwenden, und schon waren alle irgendwie beschäftigt. Man bemühte sich eine halbe Stun-
de lang vergeblich, die fünfte Schraube festzudrehen. Dann gab man es auf, und um eine Reichsmark bereichert, setzen wir die Fahrt fort. Es dunkelte schon, als wir in Bingen uns vergeblich nach einem Gesellenhaus oder ähnlichen Instituten umsahen. Alles war mit KdF überfüllt. Wir ergriffen verständlicherweise nach einem Kriegsrat die Flucht. Vor uns huscht der Lichtkegel unserer Lampen über die Strasse. Rechts von uns rauscht der Rhein und zur Linken brausen in Abständen die grossen Fernlaster, die Ungeheuer der Landstrasse vorbei. Nach 10 km Nachtfahrt meldet sich unser Magen. Also Rast!! Links liegt ein fabelhafter Weinberg. Wir stellen die Räder zusammen und verziehen uns auf einen kleinen Abhang sofort an der Strasse. Eine wilde Futterei beginnt. Es gibt zwar nur einige Schnitten Brot, aber es schmeckt dennoch. Willi macht den Vorschlag, bis 2 Uhr hier liegenzubleiben und - ja, und dann weiterzufahren. Gesagt, getan! Bald liegen alle in die Zeltbahn geknöpft und versuchen zu pennen. Eine ganz fabelhafte Nacht, und man könnte romantisch werden, wenn man nicht so müde wäre. - Dass wir uns natürlich verschliefen und bis 5 Uhr durchpennten, versteht sich am Rande.
Nach einer Morgenwäsche im Rhein, trudelten wir ganz gemütlich auf Koblenz zu. In Rhens am Rhein schlugen wir uns den Bauch voll Mineralwasser für wenig Geld und erreichten dann gegen Mittag Koblenz. Nach einigen Stunden Aufenthalt, die Hafei und Ernst dazu benutzten, sich etwas zu kultivieren...., ging die Fahrt in den Westerwald. Hier war auf der Strecke nach Montabaur noch ein ganz gemeiner Berg zu bezwingen. Am Spätnachmittag hielten wir dann endlich unseren so lang ersehnten Einzug in das weltbekannte Nest Meudt. Hier waren Hafei und Ernst am Ziel. Zuerst wieder große Wäsche und dann grosses Essen. Aber darüber schweigt der Chronist. Nachdem wir dann noch im Freien die ganz fabelhaften Reisefilme des Hausherrn genügend beurgrunzt hatten, sanken „die Helden der Landstrasse" paarweise in die Betten. Mit diesem Akt war praktisch die Fahrt zu Ende. Am nächsten Tage starteten nach einem tollen Kaffee mit allen Schikanen nur noch fünf Mann zu letzten Etappe, die auch ohne Zwischenfall verlief. Gegen 17 Uhr rasten diese fünf vollständig unkultivierten Gestalten verflossener Herrlichkeit durch die Hansestadt Köln, und nachdem sie traditionsgemäss sich den Bauch voll Eis geschlagen und die ganze Fahrtenkasse verfressen hatten, wälzte ein jeder seine müden Knochen den heimatlichen Gefilden zu.
Hafei.
Lieber Kamerad! -
Ich will Dir heute einmal von unserer Fahrt erzählen. Das wird Dich sicher interessieren. Du warst ja auch oft draussen. - Der Dom ist hinter den Bäumen der Landstrasse verschwunden. In der Freude über die plötzlich erlangte Freiheit schlugen wir ein Tempo an, das wir bald nicht mehr durchhalten konnten. Und dann kam Overath. Ich zockelte wie üblich kreuz und quer über die Straße - bis ein Schupo kam. Er hielt mir eine lange Rede, und so erfuhr ich noch nebenbei, dass ich eine schlechte Kinderstube hatte. Naja, der musste es wissen; er war ja schon letzten Endes 15 Jahre im Dienst. „15 Jahre im Dienst und immer noch nur Wachtmeister" knurrte Willi. Leini und ich wagten nicht zu widersprechen. Um eine Mark leichter fuhren wir weiter. - Oh je, was sind wir anspruchslos geworden: an diesem Protokoll haben wir auf der ganzen Fahrt unsere helle Freude gehabt.
Am ersten Abend steht unser Zelt in einem Steinbruch. Unsere Lieder werden durch Regen unterbrochen. Fluchtartig verschwinden wir im Zelt. Leini dröppelt es auf den Kopf, aber sonst geht alles gut. - Am Morgen krieche ich aus dem Zelt und sehe mein Spiegelbild in einer Wasserpfütze. Diese Pfütze besteht aus meinem rechten Schuh und reichlich viel Wasser. Wir starten; ich auf Turnschuhen. - Und dann haben wir uns plötzlich entschlossen, nach Kassel zu
fahren, zu Frau Rausch natürlich, und eines Abends sind wir da. Zum Abendessen sind wir bei Frau Rausch. Der Führer spricht im Reichstag und beim Zuhören vergisst Willi anscheinend, dass er schon satt ist und ißt zuviel. Am anderen Tag ist er nicht zu gebrauchen. Hinter dem Standbild des Herkules vergaß er für eine Stunde seinen Kummer und schlief. Ich auch. - - - Zwei Tage darauf trudeln wir in Willebadessen ein. In einer geräumigen Bude, die für uns hergerichtet ist, lassen wir uns behaglich nieder. Und dann beginnt es ohne Unterbrechung zu regnen. Jeden Tag kommen wir klatschnass von unseren Streifzügen heim. Und als der erste schöne Tag kam, da brachten wir Willi an die Bahn. Er fuhr nach Köln, um sich auf sein Abitur vorzubereiten.
Tom besuchte uns auf der Durchreise. Wie wir um 10 Uhr im Bett liegen, fängt das Totenglöckchen an zu bimmeln. „Da scheint schon wieder einer gestorben zu sein" meint Leini. „Was, so spät noch?!?! Kommt es ehrlich aus Toms Bett.
Mittlerweile waren Hänschen Strunck und Wilhelm Jungherz nachgekommen. Da kam auch der Tag, wo ich abfahren musste. Vier Wochen des schönsten Kameradschaftslebens waren vorbei.
Frohe Grüsse
Dein Hafei.
Der Krieg war vorbei. Einige von uns sind nicht heimgekehrt. Diejenigen, die das neue Leben aufbauen mußten, trafen sich im Sommer 1946 bei Willi Strunck in Bergisch Gladbach.
Es sind gefallen: Hans Fein (in Rußland)
Hans Strunck (in Rußland)
Es werden vermißt: Heinz Josten (im Westen)
Karl Walter Lempfried (in Rußland)
Es sind heimgekehrt: Willi Strunck
Thomas Pontzen
Karl Heinz Einsfelder
Werner Beutler
Ernst Fein
Josef Schlack
Paul Grud
Karl Heinz Franzen
Heribert Schnippenkötter
Die Letzten schrieben uns: ...
„Hafei" ...
Hafei schrieb mir am 9.1.41: „Stolz wie ein Spanier" schritt ich zum WBK I zur Untersuchung und geknickt wie ein altes Männlein schlich ich wieder nach Hause. Ich habe jetzt einen Wehrpaß, aber ich schäme mich, ihn zu zeigen. Tauglichkeitsgrad: ‚Arbeitsverwendungsfähig Heimat. Zurückgestellt auf ein Jahr'. Vielleicht verstehst Du, was das für mich heißt. Bei der nächsten Musterung will ich dafür sorgen, daß ein anderer Entscheid in meinen Wehrpaß kommt.... Abgesehen davon bin ich einer der besten Turner, kann auf Großfahrt gehen und täglich 100 km fahren. Und dann soll ich später irgendein Schreiberling werden und nicht das leisten können, was ... - Diese letzte Seite habe ich in zwei Minuten geschrieben, so eine Wut habe ich ...!"
Und dann ging zu Ende des Jahres 1941 doch sein Wunsch in Erfüllung. Hafei war kein Hurrapatriot oder einer, den die Uniform gelockt hätte. Für ihn gab es keinen anderen Gedanken: Wo meine Brüder und Freunde sind, da muß auch ich sein.
Am 2.1.1942 rückte er zur Heeresflak nach Mannheim. Am 11.1.1942 schreibt er: „... Jetzt bin ich, wie es mein Wunsch war, auf mich selber gestellt und will und werde mich durchsetzen. Das gibt Kraft und Mut. Nur schade, daß ich keinen Kameraden
getroffen habe, der ungefähr gleichen Sinnes mit mir ist...! - Die Ausbildungszeit in Deutschland wurde ihm schon bald zu lang. Nach einem KOB-Lehrgang in Koblenz und einigen Wochen in Dänemark kam er im August 1942 als KOB zu einem Truppenteil westlich Stalingrad. Die Nachrichten wurden etwas seltener. Sein Tagebuch berichtet allerdings von all den großen und kleinen Dingen des Krieges, von Kämpfen, Not und Gefahr, von Freunden und frohen Stunden. Helle Begeisterung an edlen Dingen spricht aus seinen Zeilen und viele Kameraden schließen sich in ihrer Not an ihn. Der Tod muß manchmal hart neben ihm gestanden haben, aber unbeirrbar schreibt er: „... ich steh' in Gottes Hand..."
Im Oktober wurde er leicht verwundet, drängte aber nach kurzem Lazarettaufenthalt wieder freiwillig zur Truppe. In den heftigen Gefechten um Stalingrad wurde er am 6. Dezember auf einem Meldegang wiederum verwundet, kam mit Mühe und Not aus der Front heraus, erlebte eine mehr oder weniger traurige Weihnacht in einem Feldlazarett und schreibt nur von der einen Sorge, daß seine Kameraden im Dreck liegen, während er nutzlos in einer Protzenstellung sein Leben fristet.
Mitte Januar 1943 wurde er einem Urlauberbataillon zugeteilt und in die Schlacht um Stalingrad hineingeworfen. Am 18.1.1942 vollendet er „bei einem Gegentroß seinen Kameraden voranstürmend" sein junges Leben. Auf einem Soldatenfriedhof bei Kamensk erwartet er die Auferstehung. +
Willi Strunck
Hans ...
Ende April 1942 erreichte mich hoch oben überm Polarkreis die Nachricht meines Bruders Hans: „... nun bin auch ich dabei!" Seine ganze jugendliche Begeisterung klang aus diesen kurzen Zeilen. Frohe und ernste Briefe erreichten mich in kurzen Abständen, in denen er mir von seinem Leben im Arbeitsdienst in Groß-Hettingen (Lothringen) berichtete. Schon nach kurzer Zeit wurde seine Abteilung zum Balkan verlegt. Der Sommer war mit Schanzarbeit und mehr oder weniger ernsten Zwischenfällen im wilden Bergland an der ehemals jugoslawischen Grenze ausgefüllt. Im November erfolgte seine Entlassung aus dem Arbeitsdienst und nach wenigen Tagen die Einberufung zu einer MG-Kompanie nach Mülheim/Ruhr. Nach kurzer Ausbildung ging es über Holland, Belgien nach Frankreich, wo er bis Ende August 1943 blieb. Sehr wohl hat er sich dort in Brest nicht gefühlt, wie ich seinen Briefen entnehmen konnte, da er dort zu einer zusammengewürfelten Einheit abgestellt wurde, in der anscheinend keinerlei Schwung mehr war. Infolge der zunehmenden Bombenangriffe auf Köln konnte er im Laufe des Sommers noch einige Male wenige Urlaubsstunden zu Hause verbringen. Dann war auch diese Zeit zu Ende, und, nachdem Hans noch zum Gefreiten befördert worden war, ging er im September 1943 zum Osten. Eine winzige, einzige Feldpostkarte
erreichte uns noch am 23. September aus Kiew, auf der er vom bevorstehenden Einsatz schreibt: „... Macht Euch keine Sorge um mich, denn mein Leben steht in Gottes Hand ... - Meinen Brüdern will ich in Bereitschaft und Treue nicht nachstehen...!" - Dann bricht die lange Ungewißheit über uns herein. Keine Nachricht mehr. Briefe an die Einheit kommen als unzustellbar zurück. Nach langen Monaten konnte endlich ein Kompaniekamerad in einem Lazarett ausfindig gemacht werden, der berichtete, daß ihm von anderen Kameraden wiederum Ende September 1943 erzählt worden wäre, daß Hans im ersten Gefecht bereits am 27. September durch Kopfschuß gefallen sei. - Die Ungewißheit über das Schicksal meines Bruders bleibt. Nur Eines ist gewiß: Hans hat sein Leben so gelebt und gestaltet, daß er dereinst vor seinem König bestehen kann. „Und die die Besten waren, die ließen die Treue nicht", so steht es auf der ersten Seite seines Tagebuches. Zu diesem Wahlspruch hat er im Leben und im Tode treu gestanden. +
Willi Strunck.
„Jojo" ...
Jojos Vater berichtet am 4: Oktober 1946 über Jojos Schicksal: ... „Über das Schicksal unseres immer so frohsinnig gewesenen Heinz sind wir bis heute noch immer im Ungewissen. Nach der Mitteilung seiner Einheit startete Heinz am 26.12.1944 gegen 21.30 h vom Flugplatz Brodejetal bei Aurich zu einem Nachteinsatz in das Operationsgebiet West, von dem er nicht zurückgekehrt ist... Da mittlerweile fast 2 Jahre ohne weitere Nachricht vergangen sind, müssen wir wohl annehmen, daß der Lenker aller Geschichte unseren lb. Heinz zu sich in die Ewigkeit berufen hat. ...
... Nicht allzu schweren Herzens verließ Heinz uns am 16. April 1942, um in die Reihen derer einzutreten, die für die Heimat stritten. Mit jugendlicher Begeisterung und in Erwartung der Dinge, die da für ihn kommen sollten, nahm er Abschied vom Elternhaus. Ging doch sein sehnlichster Wunsch, zu den Fliegern zu kommen, endlich in Erfüllung. Aufgrund einer Freiwilligenmeldung zur Luftwaffe erfolgte seine Einberufung zum Luftwaffen-Nachrichten-Rekrutendepot nach Gremmendorf bei Münster, von wo er nach infanteristischer Ausbildung zum Fliegerhorst nach Düsseldorf-Unterrath kam. Von hier aus erfolgte im Oktober 1942 seine Versetzung zur Ausbildung im Flugdienst. Juni 1943 bereits erfolgte seine Beförderung zum Unteroffizier, die ihm telegraphisch nach Hause, wo er in Urlaub weilte, mitgeteilt wurde.
August 1943 siedelte er zur Ausbildung im Flugdienst zur Blindflugschule Wesendorf bei Hannover über. Zur weiteren Ausbildung im Flugdienst war er dann vom September 1943-November 1943 im Flughorst Ingolstadt, von November-Dezember 1943 in Leibfeld bei Augsburg und von Dezember 1943 bis Februar 1944 in Pandorf bei Wien am Neusiedler-See. Zur weiteren Ausbildung als Nachtjäger wurde Heinz dann im Februar 1944 zum Fliegerhorst München-Bieser und im Mai 1944 zum Fliegerhorst Schleswig kommandiert. Im Juni 1944 erfolgte nunmehr sein Einsatz als Bordfunker bei den Nachtjägern; er kam zum Fliegerhorst Köln-Butzweilerhof und von hier gingen, je nach Anforderung, die nächtlichen Einflüge in das Operationsgebiet West. September 1944 erfolgte seine Versetzung nach Wittersund und im Oktober 1944 zum Fliegerhorst Brodezetal bei Aurich. Dies war seine letzte Station. September oder Oktober 1944 erhielt Heinz das EK II. ...
Wie sehr Jojo noch an seinem Fähnlein gehangen hat, ich glaube, das brauche ich Ihnen nicht besonders zu schildern. War er in Urlaub oder während seines Aufenthaltes in Butzweilerhof tagsüber daheim, wie oft ist er dann nicht hinausgezogen, um den einen oder anderen vom Fähnlein, der auch gerade in Urlaub weilte, aufzusuchen. Und mochte er gerade an den Samstagen noch so in Anspruch genommen sein, von der Beteiligung an der Deutschen Komplet in St. Maria im Capitol konnte ihn nichts abhalten. Er war ein Mann der Treue, und die wird ihm der Herr sicher lohnen. Soll es uns auch nicht mehr möglich sein, ihn hienieden noch einmal zu sehen, so dürfen wir umso mehr dem Wiedersehen dort oben im besseren Jenseits entgegensehen...
Ihr Conrad Josten."
„Kawa" ...
Kawa hatte während seiner Soldatenzeit das Mißgeschick, nie einen festen Kameradenkreis zu finden, in dem er sich so recht heimisch fühlen konnte. Einmal war er als Angehöriger einer M.G.K. die meiste Zeit anderen Kompanien zugeteilt und dann, nach jeder Verwundung oder jedem Ausbildungskommando in der Heimat wurde er einer neuen Division zugeteilt. Die Umstände mögen einen Teil Schuld daran tragen, daß bis heute jegliche Nachricht von ihm fehlt.
Im Oktober 1942 wurde er nach Königsberg eingezogen und nach einer Ausbildungszeit von wenigen Wochen zur Küstenbewachung nach Frankreich abgestellt. Sommer 1943 kam er mit seiner Division in den Südabschnitt der Ostfront. Sein Einsatz mag 3-4 Monate gedauert haben, dann brachte ihn eine Halsverwundung in ein Heimatlazarett nach St. Huolt.
Sein erster Urlaub fiel in den beginnenden Herbst. Die ganzen Tage seines Heimataufenthaltes über hing die Uniform im Schrank und keiner, der ihm in seiner täglichen Kluft, der kurzen Lederhose sah, hielt ihn ob seines jungenhaften Äußeren für einen Soldaten, der schon bald ein Jahr den grauen Rock trug.
Als er wieder an der Ostfront war, diesmal unweit des Schwarzen Meeres, schickte ihm seine erste Einheit das EK und den Gefreiten-Winkel nach. Diese Beförderung, die ihm zu den verschiedensten Dienststellen nachgeschickt wurde, erreichte ihn nie, und so wurde er bei seiner neuen Kompanie in-
zwischen das zweite Mal zum Gefreiten befördert.
Gegen Ende des Winters 43/44 kam er mit einer Erfrierung der Füße wiederum in ein Heimatlazarett, und ein gütiges Schicksal gönnte ihm eine lange Zeit der Ruhe. Sommer 1944 war er noch zweimal daheim, Genesungs- und Jahresurlaub. In diese Tage fiel der Beginn der Invasion und des 20. Juli. Damals wurde jedem klar, wie es um die Sache Deutschlands bestellt war, und so ist es verständlich, daß der Abschied von daheim schwer fiel. denn Kawa verspürte, wie er offen zugab, wenig Lust bei einem Zusammenbruch dem Russen in die Hände zu fallen.
Mehrere Wochen blieb er bei seiner Ersatztruppe in Sensburg (Masuren), bis er zu Anfang des Winters wieder zur Ostfront abgestellt wurde, dieses Mal zum Mittelabschnitt. Im Januar 1945, wenige Tage bevor die russische Offensive unsere Front aufrollte, kam er zu einem Kursus nach Döberitz. Seine Hoffnung, noch einmal Urlaub zu erhalten, zerschlug sich, und am 29. Januar ging es mit einer schnell zusammengestellten Einheit zur Ostfront zurück.
Ortsangaben hat er bis zuletzt nicht gemacht, aus seinen Andeutungen vermuten seine Eltern, daß er bei Frankfurt a/Oder gelegen hat. Was die eigene Lage anbelangt, so waren seine Briefe zuversichtlich. Seine letzte Nachricht ist vom 13. März 1945.
Sein Bruder
„Wist"
Wenn ich jetzt nach dem Ende dieses furchtbaren Krieges diese letzten Jahre noch einmal im Geiste an mir vorüberziehen lasse, so ist es, als ob ich ein Riesenbilderbuch aufgeschlagen hätte, in dem Schreckliches neben Heiterem verzeichnet ist, dunkel und licht sind die Bilder in schneller Folge. - Verlorene kostbare Zeit? - Ja und nein, denn auf dem Wege zu meiner materiellen Existenzgründung habe ich Zeit verloren, aber für mich persönlich habe ich sehr viel aus diesen Jahren mitgebracht, fragt sich nur, wie es sich in den kommenden Jahren einordnen läßt.
Hier nun kurz der Inhalt des großen Bilderbuches: Nach heiß umkämpfter Reifeprüfung am Schillergymnasium holten mich die Preußen im September 1940 zur Infanterie nach Rathenow und machten mich in fünf Wochen zu einem perfekten Sandhasen. Im November schwammen wir bereits durchs Skagerak nach Oslo, um in dem herrlichen mittelnorwegischen Städtchen Lillehammer die Rekrutenzeit abzuschließen. Der lange ersehnte Urlaub wurde immer wieder verschoben und im Juni 1941 fuhr unser ganzer Verein durch Schweden nach Finnland, wo ich persönlich immer schon hin wollte, heute allerdings keine zehn Pferde mich mehr hinbringen könnten, wenigstens nicht in dieses vielgepriesene Lappland, in dem ich von Juni 1941 bis August 1942 wirklich furchtbaren Busch- und Urwaldkrieg erleben mußte. Schlimm setzte uns allen das Klima mit seinen tropischen Sommertemperaturen (+50° Celsius) und dem plötzlichen Kälteeinbruch (Heiligabend -56° Celsius) zu. Gott Lob waren meine Tage dort oben am nördlichen Polarkreis gezählt. Im August 1942 wurde ich als Unteroffizier zur Kriegsschule Potsdam abgestellt u. im Dezember zum Leutnant befördert. Nach verschiedenen Stationen
in Deutschland zog es mich im August 1943 zum Südosten, nachdem vorher allerdings in meiner Anwesenheit meine Vaterstadt Köln langsam aber sicher in Trümmer fiel. Von Agram aus wurde ich zu einer kroatischen Legionsdivision nach Mittelbosnien versetzt, wo ich einen Infanteriereiterzug übernahm, mit dem allerdings keine Lorbeeren zu ernten waren. Als Ordonnanz-Offizier eines Inf.-Regiments erlebte ich einen farbenprächtigen Balkansommer, einen milden Winter und dann einen in jeder Beziehung heißen Sommer 1944, in dem es drunter und drüber ging. Zweimal verwundet, mit Orden und Ehrenzeichen „überlastet" konnte ich am 9. September 1944 in Bergisch Gladbach meine Hochzeit feiern, gelangte Anfang November auf Riesenumwegen wieder zu meinem Haufen zurück und lag einige Tage später bereits mit einer Kniegelenkverletzung in einem Sanitätsflugzeug Richtung Heimat. Über verschiedene Lazarette gelangte ich dann gerade richtig vor Weihnachten mit Gipsbein nach Bergisch Gladbach, von wo mich ein unbelehrbarer Stabsarzt Ende Februar 1945, wo der Ami schon vor den Toren Kölns stand, als „av" zum Ersatztruppenteil nach Stockerau bei Wien schickte. Als Adjutant einer aus Ungarn, Kroaten und Spaniern bestehenden Krüppelbrigade durfte ich den mörderischen Putsch der österreichischen „K.u.K.-Offiziere" in Wien mit allen seinen Schrecken erleben, bevor ich auf Umwegen über die Tschechei bei Steyr an der Demarkationslinie in - russische Gefangenschaft geriet und zwar am 8. Mai 1945. Weder ich noch meine Kameraden waren hiervon begeistert, was uns veranlaßte, nach fünf Tagen den „Iwans" den Rücken zu kehren und mit letzter Kraft durch die Enns hindurch den Amis in die Arme zu laufen. Am 17. Juni traf ich als „freier Mann" in Bergisch Gladbach ein, ange-
füllt mit Idealismus und vielen Plänen, um mir aus den Trümmern eine neue-alte Welt zu bauen, dankbar dem Herrgott, der mich sicher durch alle Fährnisse hindurchgeleitet hatte, um mir Zeit zu lassen, mein Werk auf dieser Welt zu vollenden, was mir hoffentlich gelingen möge.
Willi Strunck
„Tom"
Köln, Anfang Juli 1946
Meine lieben, alten Freunde!
Nun sind es schon drei Monate her, daß mich die Kriegsgefangenschaft ausgespuckt hat auf die Straßen der Trümmerstadt Köln.
Zuvor Euch Allen aber meinen herzlichen Gruß. Und daran will ich noch ein besonderes Wort schließen, ehe ich von meinen Schicksalen seit dem Abitur berichte, ein Wort, das Euch sagen soll, daß ich bis jetzt noch nicht heimgekehrt bin und irgendwie immer noch Vagabund und Tippelbruder bin wie in den vergangenen vier Jahren, daß ich immer noch kriegsgefangen hinter einem Stacheldraht hocke, leer gepumpt und doch frei geworden, nicht überrascht von dem Ende, das mir immer so sicher war, wie das Amen in der Kirche. Darum auch fand ich bisher kaum zu einem von Euch hin, um mich einmal sehen zu lassen. Doch sobald es geht, soll das abgeändert werden.
Nach dem Abitur an der Kreuzgasse verschwand ich in das Gewand der grauen Flak (Heereseinheit). Über ein Jahr „genoß" ich Ausbildung in Deutschland und Besatzungsleben in Frankreich. Eine Zeit, die mir damals alle Ideale von Vaterland und nationalem Empfinden und den Wert des Soldatentums restlos zerschlagen hat - und dies dauert bis in diese Stunde hinein an. Mitte 1943 kam ich dann an die Südfront, deren „treuer", gezwungener Sohn ich bis zu ihrem Ende, der Glorie am 2.5.45 war. Ich habe Sizilien und Italien in die Kreuz und Quer durchzogen, im Wintersturm der Abruzzen, in der tropischen Sonnenglut der Hochebene
Apuliens, im wild-würgenden Kampf um Cassino und Rimini und im rasenden Rückzug von Rom bis an den Arno, im steten, langsam weichenden Absetzen von der grünen Linie (südlich Bologna) bis in die schneebedeckten Berge der Alpen, wo wir im April 1945 nicht den Sprung über die Grenze nach Deutschland schafften, da deutsche Banditen der Waffen-SS uns Waffenlosen den Übertritt wehrten. So wurden wir Gefangene kommunistischer Garibaldi-Partisanen und später Gefangene des Amerikaners und Engländers. Dazwischen lagen Grauen, Morden, Tod und Plünderung. Dazwischen lagen Mut und Einsatz, Ehre und Reinheit (das aber so selten), dazwischen lagen aber auch, und das tausendmal mehr, Schmutz und Gemeinheit, Feigheit und Flucht, daß man, einmal hinter den Stacheldraht geführt nach Kriegsende, ohne ein Milligramm Glauben an den Menschen und seine Würde dastand. Hier in Ketten verdichtete sich dann das im Krieg neu aufgebrochene religiöse Erleben zu einem lebenstragenden Fundament. Daher war nach der Heimkehr alles zum Nebensächlichen geworden. Das allein Wichtige ist diese dauernde Begegnung mit Christus. Darum wohl ist in dieser Stunde so vieles für mich unverständlich in dieser Welt, die so fremd und kalt, so Christus-leer ist. Daher gibt es keine endgültige Heimkehr, daher bin ich immer noch draußen als Vagabund. Ob ich es je schaffen werde, mich einmal wieder den bürgerlichen Formen fügen zu können? Was soll ich Euch sagen? Nichts weiß ich, nichts über den Weg der Jugend in die Zukunft, nichts über Deutschlands politisches und kulturelles Leben, nichts über Aufgaben und Fragen der Kirche. Nur eins weiß ich, was mir wichtig dünkt, wo man das wahre Fundament findet
zu leben in diesem Babel Europas und der Welt. Ihr seht: ich bin am Ende. Ihr werdet enttäuscht sein. Aber es ist so. Vielleicht ist vieles verschroben, vielleicht nur ein Übergangszustand. Wer weiß es? -
Im Moment richte ich mir eine Wohnung her und bin auf dem Weg, ein Volksschullehrer zu werden (vielleicht zum Grauen von manchem von Euch). Aber so ist es. Seht, wie wenig ich sagen kann über vier lange Jahre, die noch so ereignisreich dünkten. Nein, sie waren es nicht, bis auf ein Ereignis, und davon sprach ich ja. Von einem Ereignis aus der Vergangenheit der letzten 4 Jahre kommend, gültig für die Gegenwart und tragfähig für die Zukunft eines Menschenlebens. So wißt Ihr das Bewegende meines Schicksals aus den letzten vier Jahren. Zu wenig? Zu viel? Wer vermag es abzuschätzen?
Ich grüße Euch, Ihr alten Freunde herzlich und zugetan in frohem Erinnern an früher. In alter Treue
Euer Tom
„Leini"
Karl-Heinz Einsfelder, mein Bräutigam, kann seinen Kriegsbericht nicht selbst schreiben, weil er noch in Gefangenschaft ist. Ich will es deshalb für ihn tun.
Das Abitur Ostern 1942 bedeutete für Karl-Heinz zugleich Abschied von Schule und Freunden und schritt in ein neues, noch unbekanntes Leben. Nur wenige Tage konnte er sich über den errungenen Erfolg freuen, dann rief der R.A.D. Karl-Heinz kam nach Diedenhofen, wo er eine sehr harte Ausbildungszeit über sich ergehen lassen mußte, bis sie im Sommer nach Bosnien verlegt wurden. Dort mußten sie gegen Partisanen kämpfen und wurden zwischendurch zum Holzen eingesetzt. Ich kann mich noch erinnern, daß Karl-Heinz damals oft verzweifelt war, da die Lebensbedingungen äußerst primitiv waren und auch die Menschen um ihn allmählich zu diesem Tiefstand heruntersanken. Kein Wunsch war so groß wie der: wann werden wir endlich von diesem Dasein erlöst? Der Herbst brachte dann die Entlassung, ein paar frohe Urlaubstage und die Einberufung zum Militär. Als Rekrut kam Karl-Heinz nach Namur. Aber diese Zeit konnte ihm nichts anhaben, da sie vom RAD vollkommen in den Schatten gestellt wurde! Nach der Ausbildung kam er als Ausbilder nach Frankreich, wo er fast das ganze Jahr 1943 blieb. Das satte Leben dort behagte Karl-Heinz nicht, und er wünschte, endlich an die Front zu kommen. Dieser Wunsch wurde zwar nicht erfüllt, aber er kam bald zu einem R.O.B.-Lehrgang nach Wahn. Das war ihm in zweierlei Hinsicht sehr recht: 1. wurde er einmal
wieder richtig geistig arbeiten können und auch vorwärtskommen und 2. zog die Nähe von Köln. Nach Ende des Lehrgangs ging's wieder nach Frankreich zurück. Während im Sommer 1944 die Invasion begann, lag Karl-Heinz direkt an der Küste und mußte die ungeheuren Vorbereitungen aus der Luft über sich ergehen lassen. Das war die erste passive Berührung mit der Front. Sein Glück war, daß er in diesen Tagen den Abmarschbefehl zur Kriegsschule bekam. Heil aus diesem Hexenkessel herausgekommen, begann er nun die Kriegsschule in Dresden. Dresden war damals noch eine der wenigen Städte voll Schönheit und Frieden, und die Zeit dort war für Karl-Heinz sehr befriedigend und glücklich. Am 9. November 1944 wurde er Leutnant und bekam anschließend Bombenurlaub, in dem wir uns am 12. November verlobten. In aller Freude, die uns in der kurzen Zeit des Beisammenseins geschenkt wurde, sahen wir klar, daß uns noch Schweres bevorstehen würde: ungewiß war das Schicksal an der Front und auch ungewiß in der Heimat. Doch so konnten wir viel Kraft mit in diese schwere Zeit hineinnehmen.
Der erste Einsatz führte Karl-Heinz ins Elsaß, wo er schon nach wenigen Stunden am Bein leicht verwundet wurde. Nach Wiederherstellung kam er nach Holland. Dort wurde er als Kompanieführer mehrfach eingesetzt. Und am 13. April 1945 geriet er im Verlauf von Straßenkämpfen in englische Gefangenschaft. Nun ist er schon 15 Monate in England hinter Stacheldraht und sehnt sich nach Hause. Er füllt die Wochen, Monate und Jahre mit Studium aus - bis er einmal für immer heimkehren wird.
Anna Jungherz
Werner
Ich will berichten; es mag heute vielleicht merkwürdig anmuten, von Kriegserlebnissen zu berichten als von etwas Wertvollem und Schönem. In vielem hat sich auch meine Schau der vergangenen Dinge stark verändert - aber ich will hier so erzählen, wie ich in der Zeit empfand, von der ich berichte. Und da kann ich nur sagen, daß ich gern Soldat wurde und es die ganzen Jahre hindurch war. Die Konflikte vieler Älteren von uns kannte ich nicht, die Zerrissenheit im Innern, für einen Staat kämpfen zu müssen, der unser Feind war, dazu manchmal noch das Gefühl, in einem verlorenen Krieg sein Leben einsetzen zu müssen. Ich glaubte an den Sieg und kämpfte mit Begeisterung für mein Volk, für das ich alle Bedenken opfern zu müssen glaubte. Diese Einstellung erklärt mein Denken und Wollen als Soldat, und sie zu erklären erschien mir wichtiger als die Aufzählung von Daten. So sind in meinem Leben die drei Jahre als Soldat keine folgerichtige Weiterentwicklung der Jahre im Bund, wenigstens im Vordergrund nicht. Im Tiefsten aber - und davon kann ich hier nicht sprechen - bin ich auf dem Wege fortgeschritten, den ich als Neudeutscher begonnen hatte.
Die äußeren Erlebnisse kann ich nun noch kurz darstellen. Im Oktober 1942 zog ich nach Tilsit zum Inf.-Ers.-Btl., wo ich die allerseits bekannte Ausbildung genoß. Zu meiner großen Freude stieß ich mit vielen Rekruten im Dezember zu meinem Feldtruppenteil, der in der Bretagne, in der Gegend von St. Malo lag, später in den Raum Boulogna verlegt wurde. Frankreich erlebte ich dadurch in der schönsten Weise, gleichsam von innen heraus, denn wir lagen bei Bauern im Quartier, und unser Tageslauf war ähnlich dem ihrigen. Paris und Lille waren die Städte, die ich besuchte und nie vergessen werde.
Im März 1943 ging die Fahrt nach Rußland, das die ganze Zeit über als Hintergrund Frankreichs zu spüren war. Am Donez bei Charkow wurden wir in die Front eingefügt und sollten es von da an bis zum Herbst bleiben. Aus dem erwarteten Vormarsch wurde nichts, sondern nach drei Monaten Stellungskrieg, der keiner war außer kleinen Spähtrupps, ging es rückwärts in harten, verlustreichen Kämpfen. In dieser Zeit erst erfuhr ich den Inhalt der leider zum Schlagwort gewordenen Frontkameradschaft, die in unserer Kompanie wahrhaft verschworen war. Nach dem Übersetzen über den Dnjepr erwartete uns der Ivan schon am westlichen Ufer, und das Kämpfen nahm also kein Ende. Am 29. Sept. wurde ich zum 5. Mal, diesmal schwer am Bein, verwundet. Über die Lazarette Tarnopol, Riesenburg (Westpreußen) und Siegburg näherte ich mich der Heimat und dem Genesungsurlaub. Im April 1944 saß ich wieder in Tilut[=?] beim Ersatzhaufen mit dem einzigen Unterschied gegen früher im Dienstgrad, der sich bis zum Uffz. entwickelt hatte, und in der Dekoration, die in der Hauptsache aus dem EK I bestand. Im Juli endete die qualvolle Ausbilderzeit mit der Reise zur Kriegsschule Thorn, die ich im Oktober als Leutnant zu verlassen hoffte. Daraus wurde aber wiederum nichts, sondern man behielt mich da als Abteilungsführer von 35 Fahnenjunkern. Es war meine schwerste Zeit beim Kommiß, denn ich war der Aufgabe im Anfang innerlich nicht gewachsen. Sie dauerte aber nicht lange, denn im Januar 1945 schloß der Ivan die Festung ein und der Krieg begann für mich von neuem, nur ungleich härter als zwei Jahre vorher. Am 25.1.45 wurde ich schon im Graben durch eine Handgranate, die mir auf den Rücken fiel, außer Gefecht gesetzt. Ich ahnte nicht, daß ich mit dieser Verwundung beim Durchbruch aus Thorn 30 km zur deutschen HKtr marschieren mußte, wobei ich zum 7.-10. Mal verwundet wurde und zum guten Ende noch die Zehen mir erfror. Der Rest des Krieges war mit „Lazarett" überschrieben, aus dem heraus ich ohne Gefangenenlager entlassen wurde. Das war vor genau einem Jahr. Was danach geschah, vor allem an innerer Umstellung, haben wir wohl alle in gleicher Weise erlebt.
Köln, den 8.8.46
Werner Beutler
Ernst
Ich wurde im Mai 1943 zum Arbeitsdienst eingezogen mit der Bescheinigung, daß ich, falls ich Soldat spielen würde, „reif" wäre. Diese 3 Monate im Rock des Arbeitsheeres gingen ziemlich abwechslungsreich herum und 10 Tage später trudelte der Einberufungsbefehl ein, und zwar zu einem Inf. Nachr. Rgt. nach Kempten im Allgäu. Praktisch durfte ich das schöne Städtchen zweimal bewundern und zwar bei meiner Ankunft dort und dann nach 3 Wochen bei meiner Abfahrt nach Rußlands gelobten Gefilden. In Rußland fuhr man uns abermals 3 Wochen herum, bis wir, nachdem wir unseren eigentlichen Bestimmungsort bei Kiew infolge regster Partisanentätigkeit wieder verlassen mußten, in der Süd-Ukraine bis Cherson landeten, wo die eigentliche Ausbildung beginnen sollte. Kaum aber hatten wir uns einigermaßen eingenistet, als die über die freie Steppe heraneilenden Ivanpanzer uns über den Dnjepr zurückjagten und wir somit als Rekruten zum erstenmal die Freuden und Leiden eines Rückmarsches in Rußland erlebten. Anfang November 1943 hatten wir diese erste Kostprobe bis zur Neige genossen und fanden nun gastliche Aufnahme in einem volksdeutschen Dorf zwischen Nikolajew und Odessa, wo wir eine viermonatige Mastkur mitmachten, die uns später gut zustatten kam. Gegen unvorteilhaften Fettansatz war die Ausbildung ein probates Mittel. Wir fühlten uns schon sehr heimisch bei der dortigen Bevölkerung, als plötzlich der Einsatzbefehl kam. Es war Anfang März, als wir mit ziemlich gemischten Gefühlen an die nur noch 30 km entfernte Front zogen. Niemand von uns konnte sich eine bestimmte Vorstellung von all dem machen, was nun kommen sollte. Nachts bezogen wir unsere Stellung am Bug und Ivan schickte uns seine Visitenkarte gleich mit Luftpost herüber. Schon nach einigen Tagen mußten wir uns wohl oder übel infolge von Menschen- und Materialmangel „planmässig absetzen", wobei einem aber oft ganz unplanmässig die Puste ausging. Ununterbrochen ging die gesamte Front bis zum Dnjepr zurück
auf dessen Westufer wir uns wieder festsetzen konnten. Dort begann für uns ein märchenhaft geruhsames Leben. Nur ab und zu wurde unsere Ferienruhe von einigen Stahlgrüssen hinüber und herüber unterbrochen. Nachdem das einige Wochen gedauert hatte, sah die Heeresführung ein, daß wir uns von dieser Ruhe unbedingt ausruhen mußten und legte uns abermals in Ruhe ungefähr 100 km hinter die Front. Dort bestand unsere Haupttätigkeit im Handeln und Feilschen mit den Bessarabiern, die die größten Halunken sind, die ich je erlebt habe. Aber Übung macht den Meister und bald waren wir genau so gerissen wie diese Burschen. Von Juni bis August suchten wir uns dort auf jede erdenkliche Weise die Zeit zu vertreiben und arrangierten einen Rummel nach dem anderen. Aber auch manche besinnliche Stunde am Abend wird allen Beteiligten im Gedächtnis bleiben. Ein kleiner Kreis, zusammengefunden durch die Bewährung untereinander an der Front wie auch später in all den hundert Kleinigkeiten des Alltags, tauschte sich aus in allen Fragen, die den Einzelnen bewegten, und der eine beschenkte den anderen durch sein Vertrauen. Im August jedoch wurde diesem Leben ein Ende gesetzt und ich wurde zu einem benachbarten Regiment als Funker abgestellt, gerade zu der Zeit, als der Rumäne umschwenkte und der Russe diesen Vorteil zu einem Großangriff ausnutzte. Nun ging es wieder zurück, und es gab kein Halten mehr. In Gewaltmärschen überschritten wir zunächst den Pruth bei Kahul und danach den Sereth, aber die russischen Panzer waren schneller und im Raume von Buzau am Fuße der Süd-Karpaten waren wir dann auch schließlich vollständig eingeschlossen. Wie durch ein Wunder gelang es mir mit einigen Kameraden, durch die feindlichen MG's mit heiler Haut durchzukommen, und nun setzte ein Wettlauf mit der Vorhut der Russen durch die Karpaten ein. Da Iwan natürlicherweise die Täler benutzte, waren wir gezwungen, unsere Route über die Höhen zu nehmen. Mit der Zeit sammelten sich 90 Mann und 3 Offiziere, sodaß wir schon einigermaßen auftreten konnten. Nach acht Tagen hatten wir es dann geschafft und überschritten die damalige ungarische Grenze in der Nähe von St. Gheorghe, wo uns infolge unseres nicht mehr allzu frischen Zustandes das 72. A.K. als Sicherungskompanie des Korps übernahm und wir die Absetzbewegungen nun vollmotorisiert in einer ansehnlichen Entfernung von der Front mitmachten. So erlebten wir das herrliche siebenbürgische Land wie auf einer Erholungsreise, aber leider zerstörten
die an die Burentrecks erinnernden Wagenkolonnen der flüchtenden Volksdeutschen immer wieder dieses Friedensbild. Dann erneuter Fronteinsatz in der Gegend von Neumarkt am Maros. Es gab nun kein Halten mehr und die Infanterie konnte die Strecken nicht mehr zu Fuß bewältigen und wurde schubweise mit LKW's geholt, während einige Hetzer den Rückzug deckten. In Klausenburg, das ich als einer der Letzten als Funker der Nachhut auf einem Hetzer verließ, erlebte ich den tollsten Feuerzauber aus allen Rohren der russischen Artillerie, die sich auf die einzige Rückmarschstrasse eingeschossen hatten. Aber ich hatte Glück und die Hetzjagd, der wir dank der wahrhaft lukullischen Verpflegung noch in etwa gewachsen waren, ging weiter. Endlich brachte mir dann eine einzelne verirrte Granate in der Nähe von Tokay meine Verwundung, einen an und für sich harmlosen Oberschenkelsteckschuß, der aber später durch auftretenden Gasbrand schließlich zur Amputation im Lazarett in Friedenshütte bei Gleiwitz führte. Als im Januar 1945 Iwan in Oberschlesien einbrach, wurde ich in den Schwarzwald verfrachtet. Zuerst nach Freudenstadt und später auf einigen Umwegen über Donaueschingen nach Schramberg, wo am 20. April der Franzose seinen Einmarsch hielt. Im Juni gelang es mir dann, mit dem französischen Kommandanten der Stadt Konnex zu bekommen, demzufolge ich mit einer Schwester, die mich noch bis nach Hause begleitete, entlassen wurde.
Der Krieg lehrte uns den Menschen kennen, jegliche Tünche des allgemeinen Lebens verwischte und übrig blieb ohne Unterschied auf Rang und Nahmen nur der wirkliche Mensch oder die Kreatur. Und um die in dieser Zeit gesammelten Erfahrungen möchte ich mich nicht ärmer wissen. Fast fremd stehen wir Heimkehrer in dem Wirrwarr der heutigen Zeit und wissen uns nur schlecht mit den gegebenen Tatsachen abzufinden. Jeder sucht nach einer Lebensmöglichkeit und muß manche Enttäuschung hinnehmen. Zukunftspläne von früher sind illusorisch geworden und jede Disposition reicht nur von heut auf morgen. Ich werde nun versuchen, nach Köln auf die Uni zu kommen, andernfalls ich mich praktisch in unserem Betrieb einarbeiten werde.
Ernst Fein
Jupp
Als ich im März 1942 meinen Gestellungsbefehl zum RAD bekam, war ich ehrlich begeistert, nun auch dabei zu sein. Es kam mir in der Heimat immer so vor, als fragten mich alle Blicke: „Warum bist du denn noch hier?" So zog ich mit Lampenfieber in den RAD nach Elsaß-Lothringen. Nach dreimonatiger harter Ausbildung ging es in den Einsatz in die Untersteiermark (italienisch-kroatische Grenze). In schwerer Arbeit werden Grenzhindernisse im Gebirge gezogen, und nachts lag man hinter Stacheldraht in Schützenlöchern auf Posten. - Als ich dann zum Militär eingezogen wurde, hatte ich auf jeden Fall die schwerste Zeit schon hinter mir; denn selbst die Rekrutenzeit war nicht so anstrengend wie der RAD.
Mit viel Glück verbrachte ich meine Rekrutenzeit in Köln. Im Mai 1943 wurde ich dann nach Frankreich abgestellt. Dort wurden wir zunächst noch zwei Monate weitergedrillt. Dann kam ich als einfacher Funker als Hilfsausbilder zu einer Nachrichtenschule. Einige Male kamen wir zum Einsatz gegen Partisanen, bis dann die große Invasion begann. Kurz davor hatte ich einen ROB-Lehrgang mitgemacht und kam anschließend nach Holland zur Frontbewährung. Ich darf dazu bemerken, daß zu dieser Zeit in Holland noch kein Schuß fiel. Von dort kam ich als frischgebackener Fahnenjunker-Uffz. zunächst mal wieder nach Köln zum Ersatztruppenteil. Plötzlich wurde ich ohne jede sichtbaren Grund zur Artillerie nach Osnabrück versetzt und von da nach zwei Tagen zur Kriegsschule Groß-Born in Pommern. Kurz vor Beendigung dieses Lehrgangs besetzten wir zum Schutz gegen die anrückenden Russen den Pommernwall. Nach ein paar Tagen wurde ich auch hier wieder herausgezogen, zum Leutnant befördert und zum Ersatztruppenteil zurückgeschickt. Von Osnabrück zog ich mich dann vor dem anrückenden Amerikaner planmässig nach Osten zurück. In Mecklenburg erlebte ich das Ende des Krieges, schlug mich bis zur Elbe durch und setzte mit einigen Schwierigkeiten über. So kam ich dann ins Kriegsgefangenenlager „Münster-Lager" in der Lüneburger Heide. Im Juli 1945 kam ich gesund in der Heimat wieder an.
Jupp Schlack 16./10.46
Paul
1942. Die Zeit der Freiheit nach dem Abitur währte nicht lange. Am 7. Juli stellte ich mich in Friesoythe (Oldenburg) in die Reihe der eben angekommenen zukünftigen Arbeitsmänner. Hier verbrachte ich 2 ½ Monate der Ausbildung in Waffen und Spaten. Straßen und Deckungsgräben entstanden hier durch eine frohe Gemeinschaft von 180 Abiturienten, mit denen das Führerkorps manchen Strauß auszufechten hatte. 2 ½ Monate, damals eine lange Zeit für mich, gingen vorüber. Am 26. September war ich schon wieder zu Hause. Die kurze Freiheitszeit wurde bestens ausgenutzt. Nach 3 Wochen befand ich mich schon wieder auf der Fahrt nach Lüttich, wohin mich der Einberufungsbefehl zum Dienst bei einer Infanteriegeschützkompanie rief. Ein herrliches Leben im belgischen Paradies! Eine Verlegung des Regiments nach Calais brachte reiche Abwechslung im sonst so langweiligen Leben. 1943 war die Zeit der Ruhe vorbei. Am 5. März fuhr ich nach einem in Saus und Braus verlebten Urlaub in einem Transport gen Osten. Unser Ziel war Tschudowo am Wolchow. Hier erlebte ich zum 1. Male die Front. Wir kamen gerade zur rechten Zeit. Die Schlammperiode wie die Mückenzeit waren gerade in vollem Gange, und das an sich schon sumpfige Gebiet war gerade dabei, das Maß voll zu machen. Wenn der Russe auch ziemlich ruhig war, so taten uns die Mücken die doppelte Ehre an. Aber es sollte bald dicker kommen. Nach kurzer Zeit wurden wir wie ein Spielball von einem Schwerpunkt in den anderen geworfen. Der Russe versuchte den Kessel um Leningrad zu sprengen. Auf den Suyawinohöhen[=?] erlebte ich den ersten Ansturm der Russen, der in mir alle Vorstellungen vom Krieg und seiner Härte umwarf, der mich vor die direkte Wirklichkeit stellte, wie ich sie nie erahnt hätte. Es folgten Nega, Shanaya, Orte, die mich an die erbitterten Kämpfe erinnern, die ich als Funker miterlebte. Kurz bevor ich auf Urlaub fahren sollte, erwischte mich am 6.12. ein Granatsplitter an der rechten Schulter, aufgrund dessen ich 3 herrliche Monate in Libau und anschließenden Urlaub verlebte. Im März 1944 ging es wieder los. Diesmal Richtung Pleskau.
Hier erlebte ich den Rückzug mit all seinen Nachteilen und Schwierigkeiten der Nordfront, sowie auch seine Vorteile in Bezug auf Verpflegung. Bis August des Jahres kam ich mit heilen Knochen durch diese Höllenfahrt. Bei einem Großdurchbruch des Russen an der Isländischen Aar entkam ich mit knapper Not der Gefangenschaft. Als ich jedoch nach den Anstrengungen des Tages eine Ruhepause einlegen wollte, wäre diese mir bald zur ewigen Pause geworden. Kurz neben mir schlug ein russischer Mörser ein, der zwei meiner Kameraden neben mir tötete und mir mehrere Splitter durch beide Hände und den Unterschenkel jagte. Im September war ich schon zu Hause, wo ich ambulant behandelt wurde. Beide Arme bis zu den Ellenbogen in Gips, humpelte ich durch Würzburg, wo mir ein herrliches Leben bereitet wurde. Weihnachten seit Jahren wieder zu Hause. Gerade durch die lange Abwesenheit an diesen Familienfesten lernte ich nun den vollen und tiefen Gehalt der Christnacht kennen. -
Aber was ich mir nicht mehr geträumt hatte, wurde Wirklichkeit. Noch im März 1945 rollte ich wiederum im Transport gen Osten. Wir wurden in die letzten Tage um Gotenhafen geworfen, kamen - wir wissen selbst nicht wie - aus dem Hexenkessel heraus und wurden, nachdem man uns in einer Großkundgebung mitgeteilt hatte, England und Amerikaner stünden nun auf unserer Seite, in das völlig eingeschlossene Pillau geworfen. Hier gelang es dem Russen am 25. April mit allem erdenklichen Feuerzeug, die schwache Front zu durchbrechen. Ich war wieder in einen Hexenkessel geraten, von einem Ausmaß, wie ich es noch nicht erlebte. Ein großer Teil der Besatzung blieb beim Ansturm der Russen, ihrem Schicksal ergeben, im Graben liegen. Die anderen liefen, zum Teil wahnsinnig geworden, zum Teil verwundet, panikartig zurück. Ich flüchtete mich mit noch einigen Kameraden in einen Luftschutzbunker, wo wir sofort Funkverbindung mit Hela herzustellen versuchten, was uns nach 3-stündiger Kurbelei gelang. Uns wurde für 20.00 h eine Kampffähre versprochen, die die Reste der Besetzung aufnehmen sollte. Ab 11 Uhr mittags saßen wir in unbeschreiblicher Aufregung am Funkgerät. Der Russe drang in die Stadt ein. Auf unsere wiederholten Hilferufe wurde uns ein Schiff für 16 Uhr versprochen, aber zu spät! Draußen waren schon die Schreie und das Brüllen der Russen deutlich vernehmbar. Augenblicke folgten, die viele nicht zu überstehen glaubten und ihrem Leben ein Ende setzten. - - -
Und dann kam der Russe! Nachdem man uns völlig ausgeplündert hatte, man zog mir sogar
die Hose aus, ging es in endlosen Hungermärschen Tag und Nacht über Königsberg nach Stablack. Hier herrschte in erschreckendem Maße die Ruhr, die auch mich ergriff. Nach 14-tägigem Aufenthalt in einer überfüllten Krankenbaracke fand man es doch für nötig, die noch gehfähigen Kranken in eine Art von Krankenhaus zu bringen, wo wir uns völlig selbst überlassen waren und der Rest nach vier Wochen als Genesende entlassen wurde. Bevor es nach Insterburg ging, wurde ich einem Feldarbeitskommando zugeteilt; nach der überstandenen Ruhr war ich im Verhältnis zu den Anderen sehr stark abgemagert. Da das Arbeitspensum nie geschafft wurde, bekamen wir bei jedem Morgenapell die tollsten Drohungen zu hören. Bei einem Apell beschwerte sich wohl der Aufseher bei seinem Major und zeigte dauernd mit aufgeregten Gesten auf mich. Als ich später den Dolmetscher fragte, um was es sich dabei gehandelt habe, erfuhr ich, daß der russische Aufseher sich beschwert habe, er könne mit solchen Skeletten sie mit mir nichts anfangen. Darauf habe der russische Major ihm angedeutet, er solle solche Exemplare möglichst unauffällig beseitigen. In diesen Tagen machte ich mich so unauffällig wie nur möglich und zuckte bei jedem Ruf der Posten zusammen. Jeder Tag schien mir der Letzte. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Bei jedem Geräusch glaubte ich einen Posten zu hören, der die Worte des Majors wahrmachen sollte. Zum Glück wurden wir nach acht Tagen nach Insterburg gebracht. Hier fühlte ich mich in einem großen Lager schon wesentlich sicherer. Es erfolgte eine Einteilung der Arbeitsgruppen nach äußeren Gesichtspunkten, bei der ich zur dritten Gruppe gemustert wurde. Die drei Gruppen wurden in Waggons verladen, Türen und Fenster wurden verriegelt und nur eine Stunde am Tage geöffnet. Und wieder ging es ostwärts, nur mit anderen Vorzeichen. Endlos schien uns die Fahrt über Moskau, Gorki, Kasan, Swerdlowsk. In Swerdlowsk wurden wir in Lastwagen verladen und in Ufa abgesetzt. Hier arbeitete ich vier Wochen in einem Schacht. Diese Wochen gaben mir den Rest. Völlig abgemagert brach ich eines Tages zusammen. Mein Glück! Schon in den nächsten Tagen wurde ich einer Entlassungskommission vorgestellt und war bei den wenigen Glücklichen. Und wieder ging es in die Waggons, die noch so manchem der Sterberaum
wurden. In Moskau schlug die Stimmung um. Bei einer weiteren Musterung, bei der viele wieder als arbeitsfähig umgeschickt wurden, kam ich glücklicherweise durch. Weiter ging die Fahrt zum Westen. In Insterburg bat ich in ein Krankenhaus überführt zu werden, da ich die Weiterfahrt nicht mehr zu überstehen glaubte. Kaum war ich vom Typhus geheilt, wurde ich wie so viele vom Fleckfieber überfallen, das ich nur durch die Aufopferung eines Jesuiten, der mir oft genug seine eigene Ration zur Verfügung stellte, überstand. Noch halb träumend, taumelte ich in den Waggon, der mich endlich zur Heimat bringen sollte. In Frankfurt a/d. Oder war ich noch 14 Tage in einem Lazarett, in dem der Tod reiche Ernte hielt; dort wurde ich endgültig entlassen und dem Amerikaner übergeben. Am 6. Dezember 1945 gelangte ich endlich in Würzburg an. Hier wurde ich - 40 kg schwer - in ein Krankenhaus eingeliefert. Blutübertragungen und sonstige Experimente verhalfen mir nach drei Monaten zur völligen Genesung. - Seit März bin ich wieder zu Hause in Köln und hoffe, nach zweijähriger praktischer Zeit, das Studium der Landwirtschaft beginnen zu können.
Paul Greis
„Feddy"
Als ich am 25. März 1942 mein Abitur machte, trug ich den Einberufungsbefehl schon in der Tasche und 14 Tage später war ich der „roten Erde" in Aachen näher, als mir lieb war. Von dort wurde ich Anfang Juni zu einem ROB-Lehrgang abkommandiert, wo sich die gerade durchlebten Wochen der Rekrutenzeit in einer solchen Steigerung wiederholten, daß ich mich nach 4 Tagen zu einem nach Rußland bestimmten Marschbatl. von Rekruten meldete, nur um der Kaserne zu entrinnen! Als Schütze stand ich zuerst an der 7,5 cm Pak im Südabschnitt der Ostfront, mitten in der gewaltig zur Wolga drängenden Heeresgruppe: Charkow, Stalino, Woroschilowgrad ... berührten wir auf unserem Weg. Nach einer Verlegung der Division erlebte ich dann in Woronesch Wochen des Stellungskampfes mit dauernd wechselnden Angriffen und Verteidigungskämpfen: wochenlanges Hin und Her um einige 100 m Boden! Im September wurde ich hier mit wenigen Kameraden und einem Geschütz im Sumpf eingeschlossen... als ich erwachte, lag ich in einem weißüberzogenen Bett und vor meinen Augen glitt langsam das weite Land vorbei: der Lazarettzug rollte nach Deutschland. Diese Stunde des Erwachens und des neugeschenkten Wissens zu leben nach den Tagen, in denen ich darauf kaum noch zu hoffen wagte, wog in ihrer freudigen Beglückung all die Monate vorher auf. - Deutschland! Ich glaubte kaum, daß es wahr sei, als ich eines Morgens erwachte und deutsche Stationsnamen las, deutsche Häuser, Dörfer, Städte sah: Görlitz, Dresden. Der Zug stand an einer Rampe, Sanitäter mit Bahren, ich rollte mich aus meinem Bett herüber, lag in einem „Sanka"; während der Fahrt waren um mich all die vertrauten Geräusche einer Großstadt, und dann lag ich schon frisch gebadet in einem Bett. Dresden: als ich nach zwei Monaten heraus durfte, erlebte ich diese Stadt mit einem nie zuvor gekannten Hunger nach Schönem: Architektur, Musik, Theater und
Literatur. - Der erste Urlaub nach zehn Monaten! Es waren unbeschreiblich glückliche Tage - und wenn ich jetzt mich ihnen erinnere, dann scheint es mir als ihr Schönstes, daß ich nicht zu wissen brauchte, daß dies auch die letzten Tage zu Hause waren....... Bei der Ersatzeinheit meldete ich mich zum Marschbataillon nach Afrika und war voller Erwartung nach dem Süden, als wir in Döberitz auf unseren Abmarschbefehl warteten. Endlich kam es: eine herrliche Fahrt über den Brenner in den ersten Tagen des Mai, dann umfing uns das Klima des Mittelmeeres, doch statt ich Afrika sehe, scheint uns die sengende Sonne, während wir durch die öden Gebirge Sardiniens klettern: 350 km Marsch bei durchschnittlich 40°. Dann aber kamen ruhige Wochen, deren Nächte ebenso unbeschreiblich weit und voller geheimnisvollem Erleben waren, wie ich für die Hitze der Mittagsstunden kein Beispiel wüßte. In diesen Nächten Wache zu stehen mit einem Kameraden, der heute auf der Bühne eines Theaters wieder als Schauspieler steht und der mit seinen Worten in dieser verzauberten Szenerie Gestalten erstehen und vergehen ließ, dazu den Wind vom Meer her in den kerzengeraden Ruinen zu hören, war eine ebenso geschenkte Stunde wie die tägliche Fahrt mit dem Krad zum Meer und das Bad in den leicht rollenden Fluten..... Das Telegramm vom Bombenangriff auf Köln war ein hartes Erwachen. Tage später - während schon die Italiener unser kleines Häuflein in Sardinien von allen Seiten angriffen - nahm mich gleich einer Zauberhand eine „Ju 52" heraus aus diesem Geschehen und trug mich nach Köln. Schon als ich am Dom stand, zitterte ich vor Kälte: Malaria! Acht Tage später fuhr mich ein „Sanka" ins Speziallazarett nach Godesberg.... Als ich im Dezember zur Ersatztruppe kam mit dem Vermerk, ein Jahr lang nicht fronttauglich zu sein, schickte man mich als Schreiber zu einer OKH-Dienststelle (InVI= Panzertruppen). Hier lernte ich nun den Krieg von innen her schauen. Hier war gleichsam die Schalttafel zu den militärischen Ereignissen des Tages. Hier sah ich alle die Männer, deren Name mit ihnen verknüpft war. Und hier war wohl der 20. Juli 44 die schicksalsschwerste Stunde, die ich erlebte. Dann stand auch ich plötzlich in einer solchen Situation zwischen Männer, die den Krieg als verloren ansahen und ihn mit allen Mitteln beenden
wollten, und solchen, die rücksichtslos das Durchhalten proklamierten. Ich stand dazwischen und fand keine Entscheidung: auf beiden Seiten schien auch eine Pflicht zu reifen, auf der einen die Ehre mich zurückzuhalten, auf der anderen die Vernunft mich zu fesseln, ich fand damals die Lösung nicht: ich meldete mich zur Front. - Noch am gleichen Abend saß ich in schwerer Kombination mit einer Riesenpelzmütze im Panzer - den ich selbst mit meiner Besatzung in Berlin an der Fabrik abholte, und rollte auf die Verladerampe in Hoppegarten. Im Morgengrauen verließ der Zug Berlin. - - Zum zweiten Mal war ich an der Ostfront. Aber diesmal war alles ganz anders: statt Rußland war Deutschland das Schlachtfeld, statt Vormarsch fluteten wir zurück. Ein erstes Halten war an der Neiße bei Guben. Hier fingen wir Anfang 1945 ein letztes Mal die anstürmenden Massen - aber dann kam der Morgen des 16. April, nach zweimaligen, je fünfstündigen Trommelfeuer rollte der Russe über uns hinweg. Unsere Panzer zwar konnten wir noch einmal herausführen - aber sonst? Und doch griffen wir immer wider an, stießen vom Süden her in die Flanke des um Berlin sich krallenden Russen - Nadelstiche! Wohl wich er uns aus, wo unsere Tiger rollten, aber was machten diese wenigen Kilometer, die wir uns vorwagen konnten; denn dann standen wir doch wieder allein. Es brach alles auseinander.... - Am 9. Mai morgens um 3.00 Uhr sprengte ich meinen Wagen am Waldrand, Eisen rauschte durch die Luft und schlug mit dumpfem Knall in den taufrischen Acker. - Minuten später startete ich mit dem Volkswagen mit meiner ganzen Besatzung, Ziel: Nur nicht in russische Hand fallen! - - - Prag, wo wir den Amerikaner erhofften, erreichten wir nie. Wohl gelang es uns noch einmal in Melmak dem Russen zu entgehen, wohl fuhren wir dann mit leuchtender roter Fahne am Kühler mitten durch das russisch besetzte Gebiet von Böhmisch-Leipa nach Teschen-Bodenbach und dort über die Elbe - aber dann erwischte er uns doch 110 km östlich Chemnitz, wo der Amerikaner tatsächlich stand! In endloser Kolonne trieb er uns durch die Tschechoslowakei, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mußten wir marschieren.
Russen mit Maschinenpistolen, Tschechen mit dicken Holzknüppeln trieben uns zur Eile. Irgendwo stand einmal eine Frau an der Straße mit einer Kanne Wasser und ich war so glücklich, einen Schluck trinken zu können..... Flucht? Am zweiten Abend sah ich, wie vor uns an einer Hauswand 12 Deutsche deswegen erschossen wurden. Aber trotzdem: mußte man es nicht versuchen? Konnte ich nicht dort gut gehen? Gab es denn noch überhaupt eine andere Chance?... - Am 4. Morgen gelang es. Als ich allein im Wald lag und kein anderer Laut zu hören war, zerschlug mir das Klopfen des Herzens fast die Brust. Habe ich jemals ein solches Dankgebet beten können wie jetzt?... - Langsam, viel zu langsam ging es nach Westen. Ich war schlapp und zerschlagen. Meine Uhr war das Wertvollste, daß ich besaß. Ich stolperte oft mehr, als daß ich ging: nach Westen... - Pfingsten erreichte ich amerikanisches Gebiet und kam ungefragt bis Gera, wo ich in der Wohnung eines Onkels das erste Dach fand, unter dem ich schlafen konnte. Ein paar Tage Ausruhen, dann ging es weiter: nach Köln. Als ich den Dom sah, fiel mir plötzlich ein, daß ich gar nicht wußte, wohin ich sollte in dieser Stadt. Auf einmal verließ mich meine Spannkraft. Mit Mühe und Not lief ich wieder ein Stück zurück nach Elberfeld und hier schlief ich mich bei Verwandten erst Tage lang aus....
Karl Heinz Frangen
Heribert
Ihr lieben Kameraden!...
Man dachte, mit bestandenem Abitur wunders etwas geleistet zu haben: daß es nicht so war, sollte man nicht viel später erfahren. - - - „Stahlhart" - „seinen Mann stehen" waren die Parolen, die man dauernd zugerufen bekam: es ging also in der Welt reich bewegtes Leben: (zu der Zeit war es äußerst bewegt!)
Rekrutenzeit wurde schwitzend hinter sich gebracht: es war ja Sommer 1942. Dann durfte ich noch eine 12-monatige Lehrgangszeit in der Heimat durchmachen. Iserlohn, Bocholt, Wesel, Dresden, Potsdam. Das durfte wohl genügen, um das Hin- und Hergeworfenwerden ein bißchen zu kennzeichnen. März 1943 gings auf Anforderung in die Bretagne zur Truppe meines 1942 vor Stalingrad gefallenen Bruders Winfrid. Die Truppe wurde Juli 1943 nach Italien verlegt. Auf dem Wege dorthin lernten wir Südfrankreich und die Riviera kennen, ehe wir über Genua, Florenz und Rom unseren Weg nach Bari und Tarent nahmen. Auch da war Sommer, aber ein entschieden anderer! -
Ende August-Anfang September 1943 lag unser Haufen bei Salerno. 24 Stunden vor Landung der Tommies erfolgte meine Abstellung zur Kriegsschule Königsbrück in Sachsen. Dadurch entrann ich der Gefangennahme, denn mein Zug geriet bald darauf geschlossen in Gefangenschaft. - Nach Kriegsschule und Beförderung zum Leutnant gings zur selben Feldtruppe nach Polen. Es war die Pz.-Aufklärungs-Abt. 16. Nach kurzer Ordonnanz-Offz-Tätigkeit übernahm ich einen Zug in der Kompanie, die mein Bruder früher geführt hatte: Das war für mich das Schönste und Verpflichtung zugleich! - Dann mußte es ja passieren: Am 26. November 1944
wurde ich das erste Mal verwundet: doppelte Granatsplitterverletzung Bauch und Schlagaderverletzung rechter Oberschenkel. - - - Dank schneller ärztlicher Hilfe und sofortigem operativem Eingriff überstand ich dies. Es wurde mir ganz urkomisch, als ich die beiden tödlichen Verwundungen meines Bruders und Schwagers in mir vereinigt sah. - In Kielche lag ich bis 4. Januar 1945. Dann kam Iwan! Wir flüchteten mit dem Lazarett über Oels, Breslau, Görlitz, Torgau. Da wurde es mir zu bunt, denn es sollte nach Süddeutschland gehen, obwohl ich doch Raum nach Westen gewinnen wollte. Ich machte mich also auf eigene Socken, nachdem ich mit einem sächsischen Stabsarzt einen letzten Kampf zu Ende gefochten hatte, und nahm mir 14 Tage Genesungsurlaub in den Harz. Darauf gings zur Kur nach Bad Oeynhausen, wo mich aber eine nachträgliche Komplikation wieder für 3 Wochen ins Lazarett brachte. Über Ostern 1945 war ich in Wiedenbrück in Westfalen bei meinem Vater auf Genesungsurlaub, als der Amerikaner kam. Dieser fuhr mich aufgrund meines Zustandes in das deutsche Kriegsgefangenenlazarett in Ahlen in Westfalen, aus dem ich nach acht Wochen entlassen wurde. Nach weiteren acht Tagen Sennelager fuhr man mich wieder mit dem Wagen bis vor die Haustüre in Wiedenbrück. Das war am 28. Mai 1945. - Mit diesem Tage fing der Existenzkampf in seelischer und lebensmäßiger Hinsicht an! Und wie hart der werden sollte, ließ sich zu dieser Zeit noch nicht absehen. - Nach einem Monat westfälischer Verpflegung gings nach Bonn, um praktische Arbeit beim Ferd. Dümmlers Verlag zu tun: die Arbeit für das Buch war mir früher schon sehr gelegen. Also gings am 15. August 1945 los - und endete am 31. März 1946. Die Möglichkeit des Studiums hielt mich nun doch nicht mehr dort! Seit Sommer 1946 studiere ich: Philosophie und Literatur. - Was wird? ...
Heribert Schnippenkötter
Bonn 3. Juli 1946
(1.11.1952)
Wo sie blieben:
Willi Strunck, Bergisch Gladbach, Städt. Kulturamt;
Thomas Pontzen, Köln, Volksschullehrer;
Karl Heinz Einsfelder, Köln-Ehrenfeld, cand. ing.;
Werner Beutler, Köln, Studienassessor;
Ernst Fein, Köln, cand. rer. pol.;
Josef Schlack, Frankfurt a/Main, Dipl. Kaufmann;
Paul Greis, Köln, cand. agr.;
Karl Heinz Franzen, Wuppertal-Vohwinkel, Dipl. Chemiker;
Heribert Schnippenkötter, Bonn, Journalist.