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Jugendgruppen

Die 1920er Jahre waren ein Jahrzehnt aufstrebender Jugendgruppen und von deren Organisationen. Ob konfessionell, politisch oder bündisch orientierte Gruppen: sie nahmen erheblich an Größe zu, gewannen deutlich an Selbstvertrauen und traten mit Beginn der 1930er Jahre zunehmend formiert und uniformiert auf. Nach 1933 beanspruchte dann die Hitlerjugend den Alleinvertretungsanspruch für den Jugendbereich, während alle anderen Gruppierungen nach und nach verboten wurden. Das rief schließlich – und besonders im Krieg - die Gruppen unangepasster Jugendlicher auf den Plan.

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„Wer kämpft mit uns?“ - Eine Werbebroschüre des KJMV

„Bewegung von oben nach unten“ - Katholischer Jungmännerverband Deutschlands (KJMV)

Der KJMV, der Zusammenschluss der Jünglingskongregation und der katholischen Jugendvereine Deutschlands, wurde 1886 auf Initiative des Aachener Jugendseelsorgers Dr. Drammer gegründet.[1] Zunächst änderte sich an der jugendpflegerischen Zielsetzung beider Vereinigungen nichts Wesentliches; in vereinsmäßigen Strukturen sollte weiterhin innerhalb der Pfarreien unter geistlicher Leitung gearbeitet werden. Damit blieb der KJMV zunächst das, was die katholische Jugendbewegung auch zuvor ausgezeichnet hatte, nämlich eine Bewegung „von oben nach unten".

Im Laufe der Zeit wandelte sich der KJMV dann jedoch immer stärker von einem Organ der Jugendpflege zu einem Jugendverband. Das Jugendhaus Düsseldorf fungierte als Zentrale des Jungmännerverbandes und seiner Untergliederungen nunmehr als wichtige Anlaufstelle für die meisten der katholisch organisierten Jugendlichen. Neuen Schwung erhielt der Verband 1926 nach dem Tode des seit 1913 als Generalpräses amtierenden Karl Mosters, als Ludwig Wolker dessen Amt übernahm. Er, wegen seines bestimmten Auftretens mit dem Spitznamen „General" belegt, verfügte über große Ausstrahlung auf die Jugendlichen, die sich noch dadurch erheblich steigerte, dass er die Übernahme eines „jugendbewegten" Stils in den katholischen Gruppen forcierte. Nachdem es Wolker zunächst nicht gelungen war, den KJMV als zentralen Bestandteil der Katholischen Jugendbewegung zu etablieren, änderte sich das spätestens mit der Gründung der Sturmscharen und der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) unter dem Dach des Jungmännerverbandes Ende der 1920er Jahre. Beide hatten eine größere Nähe zu jenen bündisch orientierten katholischen Jugendgruppen - wie zum Beispiel Neudeutschland oder Quickborn -, die sich unabhängig vom Jungmännerverband organisierten hatten.

In den letzten Jahren der Weimarer Republik kam der KJMV so seinem Ziel immer näher, die traditionellen Jünglingskongregationen, in denen männliche Jugendliche unter Leitung des Pfarrers oder eines Kaplans zusammengefasst waren, durch eine von den Jugendlichen selbst verantwortlich gestaltete überpfarrliche Jugendarbeit abzulösen. An die Stelle eines vom Interesse und der Initiative der Pfarrgeistlichkeit abhängigen und daher oftmals erstarten Vereinslebens gelang es zunehmend, eine neue jugendgemäße Gemeinschaft zu setzen. So hieß es im 1932 verabschiedeten „Grundgesetz" des KJMV: „Der katholische Jungmännerverband will seinen Mitgliedern sein: 1. Ein Jugendreich der Freude. 2. Eine Lebensschule junger Christen. 3. Eine jungkatholische Aktion." - Dieser Umbruch von der Pfarr- zur Verbandsjugend war 1933 in vollem Gange![2]

Anders als die meisten Organisationen der Bündischen Jugend ging der katholische Jungmännerverband nicht völlig unvorbereitet in dieses und die folgenden Jahre der NS-Diktatur. So war der Verband bis zu seiner Umstrukturierung im Jahre 1936 finanziell unabhängig und trug sich ohne Unterstützung der Kirche vor allem durch Einnahmen aus dem Zeitschriftenverkauf. Diese Einnahmequelle sprudelte nicht zuletzt deshalb, weil der KJMV nach Erkenntnissen des Sicherheitsdienstes der SS im Jahr 1933 rund 6.100 Vereine mit etwa 365.000 Jugendlichen unter seinem Dach zusammenfasste. Wesentlich profitierte er aber auch von der Ausstrahlungskraft Wolkers an der Spitze.

Die für das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der katholischen Jugendbewegung gerade während der NS-Zeit so wichtige Bildungsarbeit der Verbandsleitung setzte sich aus der Produktion verschiedener Zeitschriften und Broschüren, der Organisation von Großveranstaltungen sowie der Durchführung von Führer- und Präsideskursen in Altenberg zusammen. Aufgrund von Größe und breiter Verankerung in den katholischen Gebieten fühlte man sich innerhalb des KJMV 1933 der NS-Bewegung gewachsen, musste sich jedoch schnell eines Besseren belehren lassen. Es folgten sehr bald schrittweise immer weiterreichende Einschränkungen und Verbote, bis Anfang 1939 der letzte Schlag gegen den Jungmännerverband ausgeführt wurde: Am 26. Januar 1939 verfügte der „Reichsführers SS und Chef der deutschen Polizei", der sich dabei auf die berüchtigte „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 stützte, die endgültige Auflösung des KJMV.

Fußnoten

[1] Das Folgende nach Pahlke, Verbot und Schellenberger, Katholische Jugend
[2] Vgl. hierzu Becker, Katholische Jugend in Essen, S. 9