„Und dann wussten wir nicht, wo er war.“ - Verhaftung des Vaters

Kurz nach dem Einmarsch der Roten Armee wird Paul Müller von russischen Soldaten abgeholt. „Und dann wussten wir nicht, wo er war.“ Elisabeth Schütte kann sich an die eigentliche Verhaftung und deren Gründe nicht mehr richtig erinnern. Sie vermutet die Einberufung zum Volkssturm als zentrales Motiv. Ihr jüngerer Bruder Alfred wird in seinem Bericht konkreter: „Am Sonntag nach Ostern 1945 kamen drei schwer bewaffnete Russen auf unseren Hof. Sie sperrten meine Mutter, meine Schwester und mich in den Keller. Unseren Vater nahmen sie mit. Man unterstellte ihm ein Nazi zu sein und wollte ein Geständnis.“

Über die Haftzeit ihres Vaters berichtet Elisabeth Schütte: „Später erfuhren wir, dass er zusammen mit anderen Männern in den Kellern beim Getreidehändler im Dorf gefangen war und von den Russen unmenschlich behandelt und verdroschen wurde. Da der Krieg noch nicht zu Ende war, wurden die Männer, auch mein Vater, zum Bau von Stellungen nach Oberglogau transportiert. Die Russen rechneten wohl noch mit Gegenangriffen der deutschen Wehrmacht.“ Viele von ihnen werden nach ihrer Verhaftung hingegen in die Sowjetunion transportiert und bleiben verschollen.

Dieses Schicksal bleibt Paul Müller erspart – nicht zuletzt wohl deshalb, weil er unter großer Gefahr Mut zur Eigeninitiative fasst. Beim Stellungsbau nutzt er am 13. Mai 1945 die Gunst des Augenblicks - die wachhabenden Russen sind betrunken - und flieht unter dramatischen Umständen im Schutz der Dunkelheit, um sich anschließend in nächtlichen Etappen zu Fuß nach Hause durchzuschlagen. Hier traut er sich zunächst nicht auf seinen Hof, weil er nicht abschätzen kann, wie die Lag dort ist und ob man ihn sucht. Stattdessen versteckt er sich bei seiner ebenfalls in Steinsdorf wohnenden Schwester Martha in der Scheune. Die versorgt in mit Lebensmitteln und insbesondere mit allen notwendigen Informationen, bis sich Paul Müller nach Wochen des Versteckens etwa Ende Juni/Anfang Juli 1945 endlich nach Hause wagt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Wechsel von sowjetischen Besatzern zu polnischen Neubesitzern bereits im vollen Gange.