Die Zeit im Erfurter Lager endet nach etwa drei Wochen. Dann trifft der lang erwartete Brief vom Niederrhein ein, der Familie Kusch endlich die Zuzugsgenehmigung nach Garzweiler beschert. Die nächste Station ist aber zunächst das Grenzdurchgangslager Friedland, die erste Anlaufstelle für all jene, die in die Westzonen einreisen möchten und hier registriert werden. Nach einigen Tagen geht es für die Kuschs weiter nach Jüchen, wo Astrids Onkel Erich Bandemer am Bahnhof wartet, um die Verwandten in die enge Garzweiler Unterkunft abzuholen. „Somit endete im Oktober 1947 nach zweieinhalb Jahren endlich unsere Flucht. Ich hatte nicht nur meinen Vater verloren, sondern meiner Familie blieb rein gar nichts mehr von dem, was sie sich aufgebaut hatte und was sie besessen hatte. Wir mussten komplett von neu beginnen“, lautet das Resümee von Astrid Katthagen.
Sie kann sich noch gut an die Enge erinnern: Das „Häuschen“ sei schon für die Bandemers allein zu eng gewesen. „Und jetzt kamen wir noch mit fünf Personen. Ich weiß auch nicht mehr, wie wir da alle geschlafen haben.“ Ihr Onkel Erich, so erzählt sie weiter, habe den Neuankömmlingen immer wieder geholfen. Das sei umso wichtiger gewesen, als Mutter Helene in solchen Dingen eher „unbeholfen“ gewesen sei. „Die kannte das ja auch nicht.“
Astrid selbst, mittlerweile 15 Jahre alt, findet eine Anstellung bei einem Garzweiler Bauern. „Meine Mutter war froh, dass ich da etwas zu essen kriegte.“ Außerdem erhält sie Kleidung und täglich einen Liter Milch, was der Familie sehr hilft. Astrid ist zunächst die einzige, die aktiv zum Familienunterhalt beitragen kann. Mutter Helene ist herzkrank und nur sehr eingeschränkt belastbar, die Geschwister sind zu jung und besuchen die Schule, was Astrid selbst nicht mehr vergönnt ist. Weil sie das schulpflichtige Alter bei ihrer Ankunft in Garzweiler bereits überschritten hat, endet ihre Schullaufbahn mit zwölf Jahren und ohne Abschluss im Herbst 1944 in Langeböse.
Wichtiger ist in dieser Zeit der familiäre Zusammenhalt, der noch dadurch verstärkt wird, dass kurze Zeit später auf Antrag von Helene Kusch auch deren Schwester Hilde mit ihren Kindern Christa und Marlene nach Garzweiler ziehen und bei Bekannten von Erich Bandemer unterkommen können. „Da hatten wir großes Glück“, fasst Astrid Katthagen die Bedeutung der Familienzusammenführung