Braunsberg ist durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss längst weitgehend zerstört – beim Einmarsch der Roten Armee am 20. März 1945 liegen rund 80 Prozent des Kleinstädtchens in Schutt und Asche -, als seitens der Wehrmacht endlich und unmissverständlich zur Flucht aufgefordert wird. „Sie kamen zu meiner Mutter und sagten: ‚Sie müssen sofort gehen. Kein Gepäck, kein Garnichts! Das was Sie in der Hand haben, und dann gehen Sie. Wir hatten noch nicht einmal Sachen zum Umziehen“, schildert Gertrud Zillikens noch heute entsetzt die Dramatik der Situation. „Wir wurden regelrecht rausgeschmissen.“ Nun rächt es sich, dass Mutter Katharina zuvor jeden Fluchtgedanken rigoros abgelehnt und daher auf jegliche Vorbereitung verzichtet hatte.
Auch nun verweigert sie zunächst weiter und führt als Grund die schwere Krankheit ihrer ältesten Tochter Hedwig an. Die würde, so erklärt sie einem Soldaten, bei einer Flucht sterben. Der aber bleibt unbeeindruckt: „Sie müssen aber“, habe er kurz und knapp erklärt. „Wenn Sie nicht gehen, halte ich Ihnen die Pistole auf die Brust! Sie müssen! Sie haben doch Kinder! Sie müssen gehen!“ Man fügt sich ins Unausweichliche: „Ja, dann sind wir gegangen.“ Zuvor habe man angesichts der winterlichen Temperaturen so viel wie eben möglich übereinander angezogen. Ansonsten darf lediglich etwas Handgepäck mit einigen Kleinigkeiten mitgenommen werden. „Noch nicht einmal Papiere oder irgendetwas. Gar nichts hat sie mitgenommen“, zeigt sich Gertrud Zillikens irritiert über das Verhalten ihrer Mutter. Auch in anderer Hinsicht hat Katharina Riediger – wie so viele andere mit ihr - die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Trotz des übereilten Aufbruchs, so erzählt Tochter Gertrud in der Rückschau, habe ihre Mutter noch einen großen Einkochkessel mit Wasser auf den Küchenherd gestellt. „Wenn wir zurückkommen, dann können wir schön baden.“