Schwester Hedwig ist schwer asthmakrank und zumeist bettlägerig. „Die lag meistens wie zum Sterben da“, erinnert sich Gertrud Zillikens an den äußerst bemitleidenswerten Zustand ihrer älteren Schwester. Um die Flucht der restlichen Familienmitglieder nicht zu gefährden, beabsichtigt ein Verantwortlicher in Braunsberg, die zu diesem Zeitpunkt 15-Jährige durch eine Injektion „einzuschläfern“. Der zuständige Wehrmachtsarzt – im Zivilleben auch Hausarzt der Riedigers - ist schon gerufen, um die Spritze zu setzen, im Schafzimmer sind bereits Kerzen angezündet und Gebete für Hedwig gesprochen, als sich Mutter Katharina doch noch energisch dazwischen stellt. „Das lasse ich einfach nicht zu! Die kriege ich durch.“ „Meine Schwester darf nicht sterben!“ – noch heute ist Gertrud Zillikens froh über diesen Einsatz ihrer Mutter.
Auf der Flucht über das Haff wird Hedwig allerdings zu einer schweren Last, vor allem, nachdem der Wagen, auf dem sie zuvor ein Stück mitgefahren war, im eisigen Wasser versunken ist. Die elfjährige Schwester Gertrud trägt sie danach die meiste Zeit durch das knöcheltiefe eiskalte Wasser und anschließend über die Nehrung. „Ich habe sie die ganze Nehrung lang auf meinem Rücken getragen, und ich war doch auch noch so klein.“ Noch heute scheint es Gertrud Zillikens unverständlich, wie sie diese körperliche Anstrengung damals bewältigen konnte. In jenen Momenten, in denen die Kräfte Gertrud völlig zu verlassen drohen, kommt ein einfacher Stock zum Einsatz, den Mutter Katharina auf dem Eis gefunden hat. Jede von ihnen nimmt ein Stockende in die Hand, so dass sich die kranke Hedwig darauf setzen kann. Auf diese Weise schafft man im Laufe eines Tages und einer Nacht den ganzen Weg bis nach Neu-Tief bei Pillau, wo man im Morgengrauen eintrifft. „Und dann haben wir da gestanden und gewartet, dass wir rübergeschifft wurden nach Pillau.“
Gleichzeitig muss sich der Treck hier vor Tieffliegern in Sicherheit bringen, die ihn schießen. „Die kamen so tief, da konnten wir ja reingucken ins Flugzeug“ erinnert sich Gertrud Zillikens heute an die stetige Bedrohung aus der Luft. Ein Tipp von Soldaten, die Nähe der Bäume auf der Nehrung zu suchen, bietet zumindest etwas Schutz.