„Das können Sie sich gar nicht vorstellen. Das war grausam.“ - Im Lager

Mit der Kapitulation verändern sich die Aufenthaltsbedingungen der Flüchtlinge. „Die waren gar nicht nett zu uns“, beschreibt Gertrud Zillikens das Verhalten der dänischen Bevölkerung. Zunächst werden die unbeliebten Deutschen im Hotel interniert. „Dort durften wir noch bleiben, aber keinen Schritt daraus machen.“ Die Insassen werden von vorbeikommenden Dänen bespuckt und als „Tysker svine“ (deutsche Schweine) beschimpft. „Das hat wehgetan, aber na und? Das nahm man alles mit in Kauf. Du bist erstmal gut untergebracht, du kannst ruhig schlafen, du bekommst dein Essen.“ – So beginnt für Familie Riediger eine fast zweijährige Internierung in Dänemark.

Allerdings ändern sich die Bedingungen sehr bald grundlegend. Aus dem Hotel in Frederiksberg werden die Flüchtlinge zunächst in ein Lager in Melby im Norden von Seeland, dann nach Dragør in dessen Südosten verlegt. Bei beiden Unterkünften handelt es sich um die Baracken ehemaliger Wehrmachtsunterkünfte, umgeben von drei Meter hohen Stacheldrahtzäunen, die von dänischen Soldaten bewacht werden. „Die Unterkunft, die war schrecklich“, erinnert sich Gertrud Zillikens nur ungern an diese Zeit zurück. Die mehrstöckigen Betten sind voller Wanzen. „Die haben uns gequält, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Das war grausam.“

 

Als noch grausamer erweist sich Laufe der Zeit dann aber wohl der Zwang zum Nichtstun. Für die Kinder gibt es zunächst keinerlei Schulunterricht und auch sonst kaum Beschäftigungsmöglichkeiten. „Da dösen sie bloß was rum“, bringt Gertrud Zillikens die erzwungene Tatenlosigkeit auf den Punkt. Man habe nicht richtig spielen können. „Sie hatten immer nur den Blick auf die Soldaten, die da immer rundgingen.“ Als Kind habe man dann zwangsläufig immer gedacht: „Was machen die mit einem? Erschießen die dich oder was machen die? Die Angst war einfach da.“

Ohnehin sind die Lagerinsassen permanent von Todesangst und Tod umgeben, denn die Sterblichkeitsrate in den Lagern – zumal bei Kindern – liegen angesichts der Unterbringungs- und Versorgungsmissstände extrem hoch. Auch das Baby, das Gertruds Tante in einem anderen dänischen Flüchtlingslager zur Welt bringt, stirbt bald nach der Geburt. Ihre Schwester Hedwig hingegen verdankt diesem Aufenthalt wahrscheinlich sogar ihr Leben. Schwer asthmakrank in Dänemark angekommen, profitiert sie offenbar von der Seeluft und gesundet zusehends. Sie, die in Braunsberg noch durch eine Injektion getötet werden sollte, überlebt nicht nur Flucht und Lageraufenthalt, sondern heiratet später und lebt noch Jahrzehnte in Westdeutschland!