Ende 1947, so erzählt Gertrud Zillikens, habe es dann geheißen: „Wer Verwandte in Deutschland hat, der kann sich melden. Der kann nach Hause.“ Katharina Riediger greift zur Notlüge und gibt einen Kontakt an, den es gar nicht gibt. „Ja, da konnten wir auch ausreisen. Aber: Wohin?“
So beginnt eine Odyssee ohne konkretes Ziel. Mit dem Zug verlassen die Riedigers Dänemark und halten „überall in Deutschland“. „Ob es Lübeck war oder was sonst alles: ‚Ne, Flüchtlinge können wir nicht brauchen.‘“ In Niederbreisig am Rhein wird der Waggon, in dem auch die Familie untergebracht ist, dann kurzerhand abgehängt. „Das war an Heiligabend.“
Die Mutter steigt aus und spricht einen Passanten an: „Es ist Heiligabend, und wir liegen hier im Viehwaggon. Noch nicht einmal etwas Stroh haben wir. Da können wir doch nicht leben.“ Der Passant hat ein Einsehen und sorgt dafür, dass die Gruppe in einem ortsansässigen Hotel Aufnahme findet. Tatsächlich: „Da konnten wir schlafen. Wir kriegten auch noch ein Essen.“ All das allerdings geht weitgehend unbemerkt an Gertrud vorüber. „Ich habe geschlafen – Tag und Nacht. Ich war fix und fertig, ich konnte nicht mehr. Meine Mutter sagte: ‚Du wurdest gar nicht mehr wach. Ich bekam schon Angst.‘“ Erst nach zwei Tagen und Nächten ununterbrochenen Schlafs kann die mittlerweile Vierzehnjährige die Umgebung genießen. Die Zustände in dem offenbar auf Flüchtlinge eingestellten Hotel empfindet sie tatsächlich als weihnachtlich: „Alles schön sauber und ein bezogenes Bett.“
Nach den herrlichen Tagen der Erholung in Breisig geht die Irrfahrt dann per Zug und LKW weiter – allerdings stets mit dem gleichen desillusionierenden Ergebnis: „‚Ne, ne, die Flüchtlinge können wir nicht brauchen.‘ Das war schlimm.“ Nach mehreren Tagen erreichen die Riedigers dann endlich Hochneukirch, „wo ich dann kleben geblieben bin“.