„Ich kann gar nicht sagen, wie ich das aufgenommen habe.“ - Rückkehr nach Ostpreußen

Ihre Mutter, so erinnert sich Gertrud Zillikens, wäre zeitlebens gern nach Ostpreußen zurückgekehrt, aber nicht zu einem kurzen Besuch, sondern dauerhaft. Eine durchaus mögliche Besichtigungstour habe sie hingegen stets abgelehnt. „Das wollte sie nie. Vielleicht aus Angst, dass sie das nicht verkraftet. Ich weiß es nicht.“

Im Rheinland sucht Mutter Katharina kaum Kontakte. Sie habe nach den schweren Anfangsjahren zwar immer eine schön eingerichtete Wohnung gehabt, dort bis auf wenige lockere Bekannte aber nur wenig Besuch empfangen. 1973 stirbt sie in Hochneukirch. Bis zu ihrem Tod herrscht hinsichtlich der ostpreußischen Vergangenheit und der Flucht familienintern eine große Sprachlosigkeit. „Meine Mutter, die hat überhaupt nicht davon gesprochen, nie was gesagt.“ Beide Schwestern schlagen hingegen den gleichen Weg wie Gertrud ein: Sie lernen einheimische Männerkennen, heiraten, bauen ein Haus und führen glückliche Ehen.

 

Gertrud Zillikens selbst hat Ostpreußen zwischenzeitlich bereits dreimal besucht. Beim ersten Mal ist die Anspannung groß, löst sich dann aber schrittweise. Ihr Elternhaus steht noch, sogar die Hausnummer 40 befindet sich noch am Gebäude. Ihr wird sogar erlaubt, das Haus zu betreten. Sie wisse bis heute nicht, wie sie überhaupt die Eingangstreppe hochgekommen sei, umschreibt Gertrud Zillikens ihre damit verknüpfte Aufgeregtheit und Ergriffenheit. Die Polen, die das Anwesen später erworben haben, führen die Besuchergruppe bereitwillig im ganzen Haus herum. „Ich kann gar nicht sagen, wie ich das aufgenommen habe.“

Anschließend wird die ehemalige Tannenbergstraße, in der das Elternhaus steht, besichtigt und dabei viel Altbekanntes wiederentdeckt - unter anderem das kleine Geschäft, in dem Gertrud in ihrer Kindheit häufig eingekauft hat. „Auf einmal kommt eine Frau auf uns zugelaufen und fragt: ‚Sind Sie deutsch?‘“ Als Gertrud Zillikens das bejaht und ergänzt, dass sie früher mit ihrer Familie in der Straße in der Hausnummer 40 gewohnt habe, kommt die Gegenfrage: „Sagen Sie bloß, Sie sind eine von den Riedigers?“ Nun ist das Eis endgültig gebrochen. Die Frau, die so unverhofft die Brücke in die Vergangenheit geschlagen hat, wird mit Mitbringseln aus Deutschland reich beschenkt. Man trinkt gemeinsam vom mitgebrachten Kaffee und plaudert über die „alten Zeiten“. „‚Bist Du etwa die Kleine, die immer die Tomaten hier gekauft hat?‘ – ‚Ja, das bin ich.‘ Da konnte sie sich noch dran erinnern!“

 

Es sind solche Erlebnisse und Erinnerungen, die Gertrud Zillikens bis heute immer wieder vor Augen führen, dass Ostpreußen ihre Heimat war und bleibt. „Hier fühle ich mich wohl. Wir haben auch alles, und uns geht es gut“, antwortet sie auf die Frage, ob sie am Niederrhein heimisch geworden ist. Doch dann kommt das große Aber: „Die Heimat zieht mich immer wieder dahin.“ Wenn Sie und ihr Mann nicht so alt wären, so das etwas bedrückende Fazit, würden sie gerne noch einmal nach Braunsberg fahren – „aber das schaffen wir nicht mehr“.

 

So müssen Erinnerungen und Bücher über Ostpreußen, Krieg, Flucht und Vertreibung ausreichen, die Gertrud Zillikens immer wieder zur Hand nimmt. Außerdem hat sie die „Braunsberger Hefte“ abonniert, durch die regelmäßig ein kleiner Hauch von Heimat durch das niederrheinische Zuhause weht.