Ab August 1944 wird das Kriegsgeschehen auch in Praust und damit von der 13-jährigen Charlotte gezwungenermaßen deutlicher wahrgenommen: Erste Flüchtlingskolonnen aus Lettland ziehen die Dorfstraße entlang. Im Januar 1945 kommen dann die ersten Flüchtlingstrecks aus Ostpreußen an, die zeitweise auch in Ställen und Scheunen im Ort übernachten. Sie bieten einen ersten Vorgeschmack auf das, was angesichts der schnell näher rückenden Front der gesamten Bevölkerung droht. Hinzu gesellen sich in zunehmender Zahl Wehrmachtssoldaten und Angehörige des Reichsarbeitsdienstes. „Und dann hörte man so Mitte bis Ende Januar, wie der Russe immer näher kam. Und da hat meine Mutter gesagt: ‚Dann sind wir auch bald dran’.“
Aber selbst zu dieser Zeit, so erinnert sich Charlotte Leibrandt, sei immer wieder die Hoffnung aufgekeimt, dass es doch noch gelingen werde, die Rote Armee zurückzuschlagen. Helfen sollen hierbei die lang angekündigten „Wunderwaffen“, über die man auch in Praust informiert ist. „Die eine, die V1, die war schon da. Die V2, die war unterwegs, das haben sie wohl nicht mehr geschafft.“
Wie bedrohlich nah das Ende gerückt ist, wird Charlotte am 18. März nachdrücklich vor Augen geführt. An diesem Tag erlebt sie einen schweren Luftangriff auf Danzig mit, der auch Praust tangiert und die Menschen dort während einer Konfirmationsfeier aus der Kirche und schließlich zwei Tage später aus der Heimat flüchten lässt.