In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen die damals modernen Medien rasant an Verbreitung und Bedeutung zuzunehmen. Rundfunk, Grammophon und Film hielten Einzug in die Freizeit der Bevölkerung, wurden aber insbesondere seitens des NS-Regimes auch für Propagandazwecke und zur ideologischen Beeinflussung genutzt. Das galt aber auch für Zeitungen und Zeitschriften sowie die Literatur überhaupt. All diese Medien werden hier sowohl hinsichtlich ihrer Entwicklung als auch ihrer Bedeutung ausführlich vorgestellt.
Sämtliche Aspekte von Medienproduktion, Medienkontrolle, Medienkonsum oder Medienrezeption waren immer auch eng verknüpft mit den formalen Rahmenbedingungen, die hierbei staatlicherseits gesetzt wurden und die allen Kunstschaffenden künftig enge und natürlich stets systemkonform definierte Grenzen setzten.[1]
Als Joseph Goebbels im März 1933 das neu geschaffene Ministerium für Propaganda und Volksaufklärung übernahm, ließ er daher auch von Beginn an keinerlei Zweifel aufkommen, dass Intellektuelle und Künstler im NS-Staat ausschließlich dienende Funktionen zu erfüllen hätten, in denen jegliche Disharmonie zwischen kulturellen Äußerungsformen und der NS-Ideologie verpönt war. Daher war es naheliegend, auch das gesamte intellektuelle und künstlerische Leben im Zuge der „Gleichschaltung“ einer zentralen Steuerung zu unterwerfen, was am 22. September 1933 per Gesetz mit der Bildung einer Reichskulturkammer (RKK) als Körperschaft öffentlichen Rechts realisiert wurde. Deren Leitung übernahm Goebbels als Präsident selbst, während als Vizepräsident jeweils einer seiner Staatssekretäre eingesetzt wurde.
Die Kulturkammer war als Dachorganisation für sieben Einzelabteilungen (Reichsfilm-, Reichsmusik-, Reichstheater-, Reichspresse-, Reichsrundfunk-, Reichsschrifttumskammer und Reichskammer der bildenden Künste) zuständig, denen jeweils die bis dahin existierenden Berufsverbände eingegliedert wurden. So gelang es, die rund 250.000 Kulturschaffenden im Reichsgebiet in einer Organisation zu erfassen und das gesamte kulturelle Leben weitgehend zu kontrollieren.[2] Um, wie es in der Ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz hieß, „die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern, die wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Kulturberufe zu regeln und zwischen allen Bestrebungen der ihr zugehörenden Gruppen einen Ausgleich zu bewirken“, bestand deren Hauptaufgabe nämlich nicht nur in der staatlichen Organisation, sondern insbesondere auch in der möglichst lückenlosen Überwachung der Kultur.
Wer Kunst- und im weitesten Sinne Kulturschaffender war (beispielsweise zählten auch Kunsthandwerker, Raumausstatter, Kunsthändler oder Restauratoren zu den Betroffenen), musste nunmehr der jeweils für ihn zuständigen Einzelkammer angehören. Wer keinen „Ariernachweis“ erbringen konnte, wurde erst gar nicht aufgenommen oder, soweit er schon einer Kammer angehörte, wieder ausgeschlossen. Das kam faktisch einem Berufs- und Veröffentlichungsverbot gleich, von dem in erster Linie Juden betroffen wurden, aber auch solche Künstler, die aus Sicht des Nazi-Regimes „Entartete Kunst“ produzierten, von Goebbels verächtlich als „Kulturbolschewisten“ bezeichnet wurden oder sich auf andere Art und Weise nicht regimekonform verhielten. Viele von ihnen flüchteten in der Folgezeit ins Exil oder begaben sich in die „Innere Emigration“.
Neben der Erteilung der Arbeitserlaubnis für Künstler machte es sich die Reichskulturkammer zur Aufgabe, die Arbeitsbedingungen in den ihr unterstellten Gewerbe- und Industriezweigen zu reglementieren, über Eröffnung und Schließung von Unternehmen zu entscheiden und inhaltliche Richtlinien für die Gestaltung künstlerischer Werke vorzugeben.
Die Einzelkammern waren nach einer strikten bürokratischen Ordnung aufgebaut und – wie etwa die Reichsmusikkammer (RMK) als nach Mitgliederzahl die größte der sieben Kammern[3] – streng hierarchisch organisiert: Die Leitung hatte der Präsidialrat mit der Geschäftsführung - zumeist Staats- und Parteifunktionäre - inne, dem fünf Zentralämter für Koordinationsaufgaben unterstanden. Diese waren für die Musikschaffenden zuständig, denen in sieben Abteilungen die Komponisten, die Musiker, die Musikhochschulen und verwandte Lehranstalten, das „Amt für Konzertwesen“, das „Amt für Chorwesen und Volksmusik“, die Musikverleger, der Reichsverband der Musikalienhändler und andere Arbeitsgemeinschaften zugeordnet waren. Als Präsident der Musikkammer konnte in den ersten Jahren der berühmte Komponist Richard Strauss verpflichtet werden, der 1935 - im Rahmen einer organisatorischen und personellen Neuordnung der gesamten Reichskulturkammer 1935/36 - in seinem Amt von dem Dirigenten Peter Raabe (1872-1945) abgelöst wurde. Den Gesamtzielen der Reichskulturkammer entsprechend, sah es Goebbels als die wichtigste Aufgabe der Reichsmusikkammer an, die deutsche Musik von jüdischen und ausländischen Einflüssen zu reinigen und die sogenannte „Entartete Musik“ aus der Öffentlichkeit zu verbannen.
Unerwünscht waren nunmehr Komponisten wie Alban Berg, Hanns Eisler oder Paul Dessau, weil sie der Ideologie der Nationalsozialisten nicht zustimmten oder gar im Widerstand tätig waren. Andere wie Gustav Mahler, Arnold Schönberg und Felix Mendelssohn Bartholdy wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft abgelehnt. Viele Instrumentalisten mussten ihre Orchester verlassen, ebenso wurden verdiente Professoren und Lehrkräfte von Hochschulen und Universitäten entlassen. Opern mit Texten von jüdischen Schriftstellern durften nicht mehr gespielt und Lieder jüdischer Dichter nicht mehr gesungen werden. Die Verbote umfassten dazu den Jazz und ähnliche „Niggermusik“. Erweitert wurde diese Verbotsliste der Reichsmusikkammer als der Krieg begann. Komponisten der Feindesländer durften ab diesem Zeitpunkt genauso wenig auf den Programmen der Konzerte stehen, wie auch allen ausländischen Musikern Gastspiele in Deutschland untersagt waren. Während der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes tauchten allerdings die Namen russischer Komponisten, wie Tschaikowski und Prokofjew vereinzelt in deutschen Konzertsälen wieder auf.
Die Reichsschrifttumskammer (RSK) war zuständig für alle mit Büchern zusammenhängenden Kulturberufe: z. B. Schriftsteller, Verleger, Buchhändler und Bibliothekare.[4] Wie auch die RKK und ihre anderen Kammern war sie eine Zwangsorganisation. Wer während der NS-Zeit also auf dem Gebiet des Schrifttums beruflich tätig sein wollte, musste Mitglied in der RSK sein. Dies gab den Machthabern gleichzeitig die Möglichkeit, durch Ausschluss aus der Kammer Berufsverbote gegen missliebige – z. B. jüdische – Personen zu verhängen. Zu den Aufgaben der RSK zählte die „Verwaltung“ des Berufsstandes, sprich Aufnahme, Ausschluss und Kontrolle der im Bereich des Schrifttums beschäftigten Personen, wobei deren „Zuverlässigkeit“ und „Eignung“ einer ständigen Kontrolle unterlagen. Hinzu kam die rechtliche, soziale und fachliche Betreuung der Mitglieder, die wirtschaftliche Marktregulierung des Buchhandels sowie die Lenkung des Buchmarktes durch Förderung erwünschten und Verdrängen „unerwünschten“ Schrifttums.
Die Reichspressekammer (RPK), die während der Zeit des Nationalsozialismus das gesamte deutsche Pressewesen regulierte, ging aus der Reichsarbeitsgemeinschaft der deutschen Presse hervor und wurde am 1. November 1933 gegründet. Als Präsident fungierte Max Amann - zugleich Reichsleiter für die Presse der NSDAP -, als Vizepräsident zeitweise Staatssekretär Otto Dietrich, der auch Reichspressechef der NSDAP war.[5]
Aufgabe der Reichsrundfunkkammer (RRK) war es, mit den Mitteln des Rundfunks zunächst die Gleichschaltung, dann die permanente Indoktrination der Gesellschaft während der Zeit des Nationalsozialismus voranzutreiben, denn sie verfolgte den Zweck, „dem Willen des Führers“ zu dienen und „das ganze Volk mit dem Rundfunk zu durchdringen, um Staatsführung und Volksgemeinschaft zu einer geschlossenen Einheit zu machen“. Präsident der RRK war Horst Dreßler-Andreß, als Vizepräsident wurde Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky ernannt. 1939 wurde die Reichsrundfunkkammer aufgelöst und ihre Aufgaben an die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft übertragen.[6]
Die Reichsfilmkammer (RFK) schließlich regelte das deutsche Filmwesen, und jede Person, die im Reichsgebiet in welcher Form auch immer an Filmproduktionen mitwirken wollte, musste ihr angehören. Damit nahm die RFK in der NS-Filmpolitik eine Schlüsselstellung ein. Zu ihren Aufgaben zählte die Zwangserfassung aller im Filmgewerbe Tätigen (Produktion, Verleih, Kino), die Regelung des Lichtspielwesens (z. B. der Eintrittspreise, der Programmgestaltung, der Reklame usw.) und die Regelung der Gestaltung der Verträge z. B. zwischen Filmschaffenden und Produzenten sowie zwischen Theaterbesitzern und Verleihern.[7]
Die Einrichtung eines solchen zentral ausgerichteten und mächtigen Apparates sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es den NS-Machthabern schließlich nicht zu Gänze gelang, eine straff durchorganisierte und völlig gleichgeschaltete Kulturpolitik zu installieren. Zwischen deren Anspruch und der kulturpolitischen Realität klaffte stets eine erhebliche Lücke. Das lag vor allem in den Überschneidungen und Kompetenzstreitigkeiten zwischen den verschiedenen NS-Kontroll- und Überwachungsorganen begründet, die das Funktionieren einer Kulturpolitik im NS-Sinne nahezu unmöglich machten. Der erbitterte Kampf zwischen Propagandaminister Joseph Goebbels und dem „Chefideologen“ der NSDAP, Alfred Rosenberg, sowie weiteren hohen Funktionären der Partei streute auch auf diesem Sektor immer neuen Sand ins Getriebe und bestimmte damit entscheidend den Charakter der nationalsozialistischen Kultur- und Literaturpolitik.[8]
[1] Das Folgende nach dem Beitrag „Reichskulturkammer“ von Christina Hoor (28.2.2004) unter https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/kunst-und-kultur/reichskulturkammer.html und http://de.wikipedia.org/wiki/Reichskulturkammer (16.4.2015) Ausführlicher: Dahm, Gründung.
[2] Die RKK diente mit der verordneten Zwangsmitgliedschaft jedoch nicht nur der Kontrolle der deutschen Künstler, sondern ihre Gründung diente Goebbels zudem als Maßnahme zur Abwehr von Kontrollansprüchen der von Robert Ley geführten Deutschen Arbeitsfront (DAF), die ihrerseits versuchte, eine Zwangsmitgliedschaft in der DAF auch auf die Kulturschaffenden auszudehnen. Daher stellte die RKK für Goebbels einen Ausweg dar, den drohenden Verlust kulturpolitischer Kompetenzen zu vermeiden.
[3] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsmusikkammer (16.4.2015)
[4] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsschrifttumskammer (16.4.2015)
[5] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Reichspressekammer (16.4.2015)
[6] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsrundfunkkammer (16.4.2015)
[7] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsfilmkammer (16.4.2015)
[8] Vgl. Koch, Bibliothekswesen, S. 8
zuletzt bearbeitet am: 17.04.2016