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Mediengeschichte

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen die damals modernen Medien rasant an Verbreitung und Bedeutung zuzunehmen. Rundfunk, Grammophon und Film hielten Einzug in die Freizeit der Bevölkerung, wurden aber insbesondere seitens des NS-Regimes auch für Propagandazwecke und zur ideologischen Beeinflussung genutzt. Das galt aber auch für Zeitungen und Zeitschriften sowie die Literatur überhaupt. All diese Medien werden hier sowohl hinsichtlich ihrer Entwicklung als auch ihrer Bedeutung ausführlich vorgestellt.

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Kino in einer Kleinstadt – Das Beispiel Brühl

Bewegte Bilder hielten in Brühl schon lange vor dem Ersten Weltkrieg Einzug, als 1908 im Festsaal des am Markt gelegenen Gasthauses „Zur Krone“ das erste lokale „Kinematographentheater“ seine Pforten öffnete.[1] Immerhin bot dessen Zuschauerraum 1913 bereits Platz für 308 Besucher, wobei die Leinwandbreite vier Meter betrug. Bald kam ein weiteres Kino hinzu, denn im Dezember 1912 wurde ein Bauantrag für ein weiteres „Lichtspielhaus“ am Marktplatz eingereicht, wo daraufhin das 152 Sitzplätze umfassende „Moderne Theater“ entstand. Der Modernität suggerierende Name täuschte allerdings, denn auf dem Weg zu dem kleinen, aber gemütlichen Saal mussten Besucher zunächst das davor liegende Wohnhaus des Kinobetreibers durchqueren. In Weimarer Zeiten erfuhr die Brühler Kinolandschaft dann – wiederum am Marktplatz - seine letzte Erweiterung, als Wilhelm Windeisen am 15. Januar 1922 mit dem Film „20.000 Meter unter der See“ das „Apollo-Theater“ eröffnete, das mit 322 Plätzen das größte, modernste und damit lukrativste Kino der Kleinstadt war und über 26 abgeteilte Logensitze verfügte, bei denen es sich jedoch lediglich um einfache Holzstühle handelte. 1934 verfügte das Haus dann über 375 Plätze und 26 Logensitze, hatte eine Eingangshalle von rund 40 qm mit Doppeltüren für Ein- und Ausgang, eine Musikerloge und eine drei Meter hohe und vier Meter breite Leinwand. Außerdem besaß es ein kleines Café im Vorraum.

Die meiste Zeit über standen die Filmtheater in den Weimarer Jahren unterhalb der Woche jedoch leer und wurden nur von Freitag bis Sonntag bespielt. Gespielt wurden zunächst naturgemäß Stummfilme, darunter auch die Klassiker wie „Die Nibelungen“ (1924), „Quo vadis“ (1925), „Faust“ und „Ben Hur“ (1927) oder „Metropolis“ (1930). Zur Untermalung der Bilder wurden Musikstücke geschrieben und in einigen Fällen mit den Filmkopien die Partituren gleich mitgeliefert, die dann von dem kinoeigenen Musiker, manchmal sogar von einem kleinen Orchester vorgetragen wurden. Im Brühler „Apollo“ etwa spielte zeitweise eine drei-Mann-Gruppe, bestehend aus Klavier, Geige und Schlagzeug.

1930 hielt dann der Tonfilm auch in Brühl Einzug, als nur vier Monate nach der deutschen Uraufführung in Köln am 16. Juli im „Apollo“ der 1929 gedrehte amerikanische Musical-Film „Cilly“ gezeigt wurde. Als weiterer Anreiz wurden als Vorfilm in der „Tonfilmwochenschau“ Bilder des Kampfes um die Weltmeisterschaft im Schwergewichtsboxen zwischen Max Schmeling und Jack Sharkey vom 12. Juni 1930 gezeigt. Einen weiteren Coup vermeldete das „Apollo“ im Februar 1931, als die „100%ige Tonfilmkomödie“ „Schneider Wibbel“ in Brühl aufgeführt wurde, noch bevor er im benachbarten Köln anlief. Weitere bekannte Tonfilme folgten, so 1932 „Der blaue Engel“. Weil der einsetzende Tonfilm-Boom dringend eine Reaktion erforderte, wurde im Juli 1931 auch das alteingesessene „Kronen-Kino“ als „Ton-Film-Theater“ neueröffnet.

1934 wurde das im Zuge der Wirtschaftskrise geschlossene Kino „Modernes Theater“ von „Apollo“-Betreiber Wilhelm Windeisen übernommen, der es auf ein Fassungsvermögen von 252 Plätzen ausbaute. Auch der Vorführraum wurde vergrößert und mit modernen Tonfilmprojektoren ausgestattet. Als am 19. Oktober 1934 der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde, berichtete die Lokalpresse: „Den verwöhntesten Ansprüchen Rechnung tragend, wurde dieses Theater von dem Architekten Heinrich Bernhard (Brühl) nach dem Stil eines modernen Tonfilm-Lichtspieltheaters umgewandelt und neuzeitlich ausgestattet mit einer stimmungsvollen indirekten Beleuchtung, welche durch die silberbronzene Decke eine hervorragende Wirkung verursacht. Eine neuzeitliche Tonfilmapparatur gewährleistet eine einwandfreie klare Wiedergabe des Bildes und einen klangreinen Ton im akustischen Saale. Diese neue Kultstätte bietet einen angenehmen Aufenthalt. Zur Eröffnung das Weltstadtprogramm „Der verlorene Sohn“ mit Luis Trenker, der grandiose hochkünstlerische Heimatfilm der Berge; einzigartige Landschaften, unerhörte Sportleistungen.“ Nachdem Windeisen bereits 1934 das „Apollo“ mit einer neuen Fassade samt wirkungsvollem, den nunmehr in „Adolf Hitler-Platz“ umbenannten Marktplatz beleuchtenden Neon-Schriftzug ausgestattet hatte, folgte zwei Jahre später auch die Front des „Moderne Theater“. Die Besucher hatten nunmehr die Möglichkeit, im Biergarten neben dem Saal oder in der Gaststätte im Vorderhaus etwas zu trinken oder zu plaudern; 1938 wurde der Hof schließlich noch überdacht.

Auch der Betreiber des ältesten Kinos am Platz versuchte auf die gewandelten Erfordernisse zu reagieren. Carl Kaumanns, der das „Kronen-Theater“ zusammen mit Gaststätte und Hotel „Zur Krone“ von seiner Mutter übernommen hatte, stellte 1934 ebenfalls modernste Tonfilmprojektoren auf und bot im Hof des Kinos eine „Fahrradwache“ für Besucher an. „Die Vorführungen erfolgen durch eine Apparatur“, die „wohl mit das Neueste und Beste, was die moderne Technik auf dem Gebiet der Bild- und Tonwiedergabe zu bieten vermag“, verfüge, hieß es am 27. September 1934 in der „Brühler Zeitung“. Ab 1937 konzentrierte sich Carl Kaumanns dann jedoch stärker auf das Hotel- und Gaststättengewerbe und verpachtete das „Kronen Theater“ an Dr. Martin Kellen, der bereits mehrere Kinos in anderen Städten betrieb. Der neue Pächter ließ das Kino noch einmal renovieren, gab ihm einen Vorraum und polsterte endlich auch die Logensitze. Aus einem nüchternen Saal wurde somit ein Theater mit „Atmosphäre“. Die Auswahl der Filme entsprach künftig „gehobenen Ansprüchen“, und ausgewählte Musik sollte die Zuschauer auf die Spielfilme einstimmen.

Einen weiteren Anreiz zum Besuch der Häuser stellten in Brühl - wie schon in den 1920er Jahren - Varieté-Einlagen und Auftritte von Zauberkünstlern dar. Außerdem bedienten sich die Kino-Besitzer neuer und „moderner“ Werbemethoden. Während Wilhelm Windeisen Handzettel mit Vorankündigungen neuer Filme verteilen ließ, fuhr für Carl Kaumanns ein Reklameträger per Fahrrad über die umliegender Dörfer. Die weitaus meisten Brühler informierten sich jedoch unmittelbar vor Ort über das laufende Programm. Ein damaliger Kino-Besucher berichtet: „Wir kauftet immer die an der Kinokasse ausgelegten Programmhefte. Außerdem wurden im Vor spann neue Filme angekündigt.“

Fußnoten

[1] Die Darstellung – auch in den Unterpunkten – folgt ZOOM Brühler Kinotreff e. V. (Hg.): Ausverkauf(t) – Vom Kino zum Supermarkt, Brühl 1990, passim

zuletzt bearbeitet am: 17.04.2016